Das Ganze erwies sich als höchst unterhaltsam, insbesondere als die Zwergenwachen, die Tolpan und Gnimsch begleiteten, die Fäuste schüttelten und dem Bedienungspersonal in der Zwergensprache derbe Flüche zuschrien.
Was den Gnom betraf, so wurde Gnimsch in einen unglaublichen Zustand der Aufregung versetzt.
Ein Kohlestück zückend und sich von Tolpan ein Taschentuch ausleihend, ließ er sich auf den Boden des Aufzugs fallen und begann sofort, Pläne für einen neuen verbesserten Aufzug zu zeichnen.
Als sie schließlich die unterste Ebene erreichten, versuchte Tolpan vorsichtig nach dem Weg Ausschau zu halten, damit sie auch ohne Karte verschwinden konnten, aber Gnimsch hing an ihm, zeigte auf seine Skizze und erklärte ihm jede Einzelheit.
Während die Wachen sie vorwärts stießen, seufzte Tolpan. Dieser Ort war nicht nur genauso langweilig wie die Hölle, er hatte sogar den zusätzlichen Nachteil, daß es hier noch schlimmer stank. Eine Reihe von riesigen Gefängniszellen säumte die Felswände. Erleuchtet von Fackeln, die in der schlechten, dünnen Luft brannten, wimmelten die Zellen von Zwergen.
Tolpan sah sie mit wachsender Verwirrung an, als sie durch den schmalen Gang zwischen den Zellen gingen. Diese Zwerge sahen nicht wie Kriminelle aus. Es waren Männer, Frauen, sogar Kinder, die sich in den Zellen zwängten. Zusammengekauert auf schmuddeligen Decken und auf beschädigten Schemeln hockend, starrten sie bedrückt zwischen den Gittern heraus.
»He!« sagte Tolpan und zog am Ärmel eines Wächters. Der Kender verstand ein wenig die Zwergensprache, da er einiges von Flint aufgeschnappt hatte. »Was ist das hier alles?« fragte er und wedelte mit einer Hand. »Warum sind diese Leute hier?«
Aber der Wächter blickte ihn finster an und antwortete nur: »Dewaren.«
11
»Dewaren?« wiederholte Tolpan verblüfft.
Der Wächter weigerte sich jedoch, nähere Angaben zu machen, und stieß Tolpan mit einem boshaften Schubs weiter. Tolpan stolperte, dann setzte er seinen Weg fort. Er grübelte. Dewaren, dachte er und versuchte sich zu erinnern, wo er das Wort schon gehört hatte. Plötzlich fiel ihm die Antwort ein. »Die Dunkelzwerge!« sagte er. »Natürlich! Ich erinnere mich! Sie haben für den Drachenfürsten gekämpft. Aber beim letzten Mal lebten sie nicht hier unten – beziehungsweise beim nächsten Mal —, als wir hier waren. Oder sie werden hierher kommen. Verdammt, was für ein Kuddelmuddel! Aber sie leben doch sicherlich nicht in Gefängniszellen. He«, Tolpan tippte wieder den Zwerg an, »was machen sie hier? Ich meine, warum sind sie ins Gefängnis gewandert?«
»Verräter!« schnappte der Zwerg. Er zog einen Schlüssel hervor, steckte ihn in das Schloß einer Zelle und drückte die Tür auf.
Als Tolpan hineinspähte, sah er ungefähr zwanzig oder dreißig Dewaren in der Zelle zusammengepfercht. Einige lagen apathisch auf dem Boden, andere lehnten an der Wand und schliefen.
Eine Gruppe, zusammengekauert in einer Ecke, unterhielt sich leise, als der Wächter erschien. Sie hörten mit dem Sprechen auf, sobald die Zellentür geöffnet wurde. In dieser Zelle waren keine Frauen oder Kinder, sondern nur Männer, und sie musterten Tolpan, den Gnom und den Wächter mit dunklen, haßerfüllten Augen.
»Nun, nun«, sagte Tolpan zu dem Wächter, »dieser Spaziergang war recht – äh – unterhaltsam. Wenn du uns jetzt bitte in unsere Zellen zurückbringen könntest, die, das muß ich wirklich sagen, sehr nette Zellen waren – so hell und luftig und geräumig —, kann ich dir hoch und heilig versprechen, daß mein Partner und ich keine weiteren unangemeldeten Ausflüge in deine Stadt unternehmen werden, auch wenn es ein äußerst interessanter Ort ist und ich gern mehr davon sehen würde. Ich...«
Aber der Zwerg schubste den Kender grob mit einer Hand in die Zelle, so daß er ausgestreckt auf den schmutzigen Boden fiel.
»Ich wünschte, du könntest dich mal entschließen«, schnappte Gnimsch gereizt. »Gehen wir rein oder raus?«
»Ich vermute, wir sind drin«, antwortete Tolpan kläglich, setzte sich auf und sah zweifelnd die Dewaren an, die ihn stumm anstarrten.
»Hallo«, sagte Tolpan und lächelte freundlich, bot aber keinem die Hand. »Ich heiße Tolpan Barfuß, und das ist mein Freund Gnimsch, und es sieht ganz so aus, als sollten wir Zellengenossen werden, nicht wahr? Also, wie heißt ihr?«
Er erhob sich und starrte auf einen Dewaren, der sich ihnen näherte.
Es war ein hochgewachsener Zwerg; sein Gesicht war fast nicht zu erkennen unter dem dichten, verfilzten Haar. Er grinste plötzlich. Stahl blitzte auf, und in seiner Hand erschien ein großes Messer. Er schlurfte auf den Kender zu, der so weit wie möglich in eine Ecke kroch, Gnimsch mit sich ziehend.
»Was sind das denn für Leute?« quiekte Gnimsch beunruhigt, der doch noch Notiz von ihrer bedrückenden Umgebung genommen hatte.
Bevor Tolpan antworten konnte, hatte ihn der Dewar am Hals gepackt und hielt das Messer an seine Kehle.
Das war es! dachte Tolpan mit Bedauern. Dieses Mal bin ich sicherlich tot.
Aber das Messer des Dewars ging um Haaresbreite an Tolpans Gesicht vorbei. Hinter seine Schulter greifend, schnitt der Dunkelzwerg fachmännisch die Gurte von Tolpans Beutel durch und ließ sie samt Inhalt auf den Boden fallen.
Sofort brach in der Zelle ein Chaos aus, als die Dewaren sich darauf stürzten. Der Zwerg mit dem Messer ergriff, so viel er konnte. Im Nu war alles verschwunden.
Die Dewaren begannen die Habseligkeiten des Kenders zu durchwühlen. Dem Dunkelzwerg mit dem Messer war der reichste Fang geglückt. Seine Beute an die Brust drückend, ging er zu seinem Platz am Ende der Zelle, wo er und seine Freunde sofort den Inhalt der Beutel auf den Boden ausschütteten.
Vor Erleichterung aufseufzend, sank Tolpan auf den kalten Steinboden. Aber es war auch ein besorgter Seufzer, denn Tolpan malte sich aus, daß die Dewaren auf die glorreiche Idee kommen könnten, sie als nächstes zu durchsuchen, wenn die Beutel ihre Anziehung verloren hätten. »Und als Leichen sind wir sicherlich viel einfacher zu durchsuchen«, brummte er. Das führte ihn jedoch zu einem plötzlichen Gedanken. »Gnimsch!« flüsterte er. »Das magische Gerät! Wo ist es?«
Gnimsch klopfte blinzelnd auf eine Tasche seiner Lederschürze und schüttelte den Kopf. Er klopfte auf die andere und zog eine Reißschiene und ein Stück Kohle hervor. Diese untersuchte er sorgfältig; als er dann erkannte, daß es sich bei beiden Gegenständen nicht um das magische Gerät handelte, steckte er sie wieder zurück. Tolpan erwog ernsthaft, ihn zu erwürgen, als der Gnom mit einem triumphierenden Lächeln in seinen Stiefel griff und das magische Gerät herauszog.
Während ihrer letzten Einkerkerung war es Gnimsch gelungen, das Gerät zusammenzuklappen. Es war nicht mehr das ausgeklügelte, wunderschöne Zepter, an das es erinnerte, wenn es völlig ausgeklappt war, sondern es hatte wieder die Größe und die Form eines ziemlich gewöhnlichen, unscheinbaren Anhängers angenommen.
»Halt es versteckt!« warnte Tolpan. Nach den Dewaren blickend, sah er, daß sie in einen Kampf um den Inhalt seiner Beutel verwickelt waren. »Gnimsch«, flüsterte er, »dieses Ding hat funktioniert und uns aus der Hölle herausgeholt, und du hast gesagt, es wäre etwas, um direkt zu Caramon zu gelangen. Nun, ich will wirklich nicht, daß es uns wieder irgendwo in eine Zeit bringt, aber glaubst du nicht, es würde für, sagen wir mal, einen kurzen Hopser funktionieren? Wenn Caramon der General dieser Armee ist, kann er nicht weit entfernt sein.«
»Das ist eine großartige Idee!« Gnimsch bekam glänzende Augen. »Nur eine Minute, laß mich nachdenken...«
Aber es war zu spät. Tolpan spürte eine Berührung an seiner Schulter. Sein Herz hüpfte in seine Kehle, als er herumwirbelte mit dem, wie er hoffte, grimmigen Ausdruck eines Killers im Gesicht. Offensichtlich war es ihm gelungen, denn der Dewar, der ihn berührt hatte, taumelte entsetzt zurück.