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Es war bereits dunkel, als ihr Mann nach Hause kam. Der kleine, schmale Grau kam aufgeregt schimpfend die Treppe hinauf. Guiamona hatte auf ihn gewartet und hörte ihn kommen. Jaume hatte Grau über die neue Situation informiert: »Euer Schwager schläft in der Scheune bei den Lehrlingen und das Kind … bei Euren Kindern.«

Grau ging wütend auf seine Frau los, als sie ihm entgegentrat.

»Wie konntest du es wagen?«, schrie er sie an, nachdem er sich ihre ersten Erklärungen angehört hatte. »Er ist ein Leibeigener auf der Flucht! Weißt du, was es bedeuten würde, wenn man einen Flüchtigen in meinem Haus fände? Mein Ruin! Es wäre mein Ruin!«

Guiamona hörte ihm zu, ohne ihn zu unterbrechen, während er vor ihr auf und ab lief und mit den Händen fuchtelte. Sie war einen Kopf größer als er.

»Du bist verrückt! Ich habe meine eigenen Brüder auf Schiffen in die Fremde geschickt. Ich habe den Frauen meiner Familie Mitgift gegeben, damit sie Männer von anderswo heiraten. Und das alles, damit niemand etwas dieser Familie anhaben kann. Und jetzt kommst du … Warum sollte ich bei deinem Bruder anders handeln?«

»Weil mein Bruder anders ist!«, schrie sie zu seiner Überraschung.

Grau zögerte.

»Was … was willst du damit sagen?«

»Das weißt du ganz genau. Ich glaube nicht, dass ich dich daran erinnern muss.«

Grau senkte den Blick.

»Gerade heute«, murmelte er, »habe ich mich mit einem der fünf Ratsherren der Stadt getroffen, damit man mich als Zunftmeister in den Rat der Hundert wählt. Es sieht so aus, als hätte ich drei der fünf Ratsherren auf meiner Seite. Kannst du dir vorstellen, was meine Gegner sagen werden, wenn sie erfahren, dass ich einem flüchtigen Leibeigenen Unterschlupf gewährt habe?«

Guiamona sagte sanft zu ihrem Mann: »Wir verdanken ihm alles.«

»Ich bin nur ein Handwerker, Guiamona. Reich, aber ein Handwerker. Die Adligen verachten mich, und die Händler hassen mich, auch wenn sie mit mir zusammenarbeiten. Wenn sie herausbekommen, dass wir einen Flüchtigen aufgenommen haben … Weißt du, was die adligen Grundherren dazu sagen würden?«

»Wir verdanken ihm alles«, wiederholte Guiamona.

»Gut, dann geben wir ihm Geld und er soll verschwinden.«

»Was er braucht, ist die Freiheit. Ein Jahr und einen Tag.«

Grau wanderte erneut nervös im Zimmer auf und ab. Dann schlug er die Hände vors Gesicht.

»Wir können nicht«, sagte er. »Wir können nicht, Guiamona.« Er sah sie an. »Stell dir vor …«

»Stell dir vor! Stell dir vor!«, fiel sie ihm ins Wort und erhob erneut die Stimme. »Stell dir vor, was geschieht, wenn wir ihn wegschicken, die Häscher Llorenç de Belleras oder deine eigenen Feinde ihn festnehmen und erfahren, dass du alles ihm verdankst, einem flüchtigen Leibeigenen, der einer Mitgift zustimmte, die mir nicht zustand.«

»Willst du mir drohen?«

»Nein, Grau, nein. Aber es steht geschrieben. Alles steht geschrieben. Wenn du es nicht aus Dankbarkeit tun willst, dann tu es für dich selbst. Es ist besser, wenn du ihn unter Kontrolle hast. Bernat wird Barcelona nicht verlassen. Alles, was er will, ist die Freiheit. Wenn du ihn nicht aufnimmst, laufen ein flüchtiger Bauer und ein Kind durch Barcelona, beide mit demselben Muttermal am rechten Auge wie ich, hilflos deinen Gegnern ausgeliefert, die du so fürchtest.«

Grau Puig sah seine Frau eindringlich an. Er wollte etwas erwidern, winkte dann aber ab. Er verließ den Raum, und Guiamona hörte ihn die Treppe zum Schlafzimmer hinaufgehen.

5

»Dein Sohn wird im großen Haus bleiben. Doña Guiamona wird sich um ihn kümmern. Wenn er alt genug ist, kann er als Lehrling in der Werkstatt anfangen.«

Bernat hörte nicht länger, was Jaume sagte. Der Geselle hatte bei Tagesanbruch in der Schlafkammer der Scheune gestanden. Sklaven und Lehrburschen waren wie vom Dämon besessen von ihren Strohsäcken aufgesprungen und waren schiebend und rempelnd hinausgelaufen. Bernat dachte, dass Arnau hier gut aufgehoben war und später ein Lehrling sein würde, ein freier Mann mit einem ehrbaren Beruf.

»Hast du verstanden?«, fragte ihn der Geselle.

Als Bernat schwieg, entfuhr Jaume ein Fluch.

»Verdammtes Bauernpack!«

Bernat war kurz davor, sich auf ihn zu stürzen, doch das Grinsen auf Jaumes Gesicht hielt ihn davon ab.

»Versuch es nur«, sagte er. »Tu es, und deine Schwester hat niemanden mehr, an den sie sich halten kann. Ich wiederhole dir noch einmal das Wichtigste, Bauer: Du wirst von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang arbeiten, wie alle anderen. Dafür erhältst du ein Bett, Essen und Kleidung … und Doña Guiamona sorgt für deinen Sohn. Der Zutritt zum Haus ist dir untersagt. Unter keinen Umständen darfst du es betreten. Es ist dir außerdem verboten, die Werkstatt zu verlassen, bis das Jahr und der Tag vergangen sind, die du brauchst, damit man dir die Freiheit gewährt. Wenn ein Fremder die Werkstatt betritt, musst du dich verstecken. Du darfst niemandem von deiner Situation erzählen, nicht einmal den Leuten hier, obwohl … mit diesem Muttermal …« Jaume schüttelte den Kopf. »Das ist die Abmachung, die der Meister mit Doña Guiamona getroffen hat. Bist du damit einverstanden?«

»Wann kann ich meinen Sohn sehen?«, fragte Bernat.

»Das ist nicht meine Sache.«

Bernat schloss die Augen. Als sie Barcelona zum ersten Mal gesehen hatten, hatte er Arnau die Freiheit versprochen. Sein Sohn sollte nicht der Sklave eines Herrn sein wie er.

»Was muss ich tun?«, fragte er schließlich.

Die Brennöfen mit Holz befeuern, mit Hunderten, Tausenden von Holzscheiten, damit die Öfen immer arbeiteten. Und dafür sorgen, dass diese nie verloschen. Ton schleppen und aufräumen, den Lehm entfernen, Tonstaub aufkehren und Asche schippen. Immer und immer wieder im Schweiße seines Angesichts Asche und Staub in den Hinterhof schleppen. Wenn er mit Staub und Asche bedeckt zurückkam, war die Werkstatt erneut schmutzig, und die Arbeit begann von vorne. Die Krüge zusammen mit den Sklaven zum Trocknen in die Sonne bringen, stets bewacht von den aufmerksamen Blicken Jaumes, der brüllend zwischen ihnen umherlief, Backpfeifen unter den jungen Lehrlingen austeilte und die Sklaven misshandelte, bei denen er ohne zu zögern die Peitsche einsetzte, wenn etwas nicht zu seiner Zufriedenheit war.

Als ihnen einmal ein großes Gefäß aus den Händen fiel, das sie gerade in die Sonne tragen wollten, und über den Boden rollte, schlug Jaume mit der Peitsche auf die Schuldigen ein. Dabei war das Gefäß nicht einmal zerbrochen, aber der Verwalter brüllte wie von Sinnen und hieb erbarmungslos auf die drei Sklaven ein, die es gemeinsam mit Bernat geschleppt hatten. Irgendwann erhob er die Peitsche auch gegen Bernat.

»Wenn du das tust, bringe ich dich um«, drohte ihm dieser ganz ruhig.

Jaume zögerte. Dann lief er rot an und schlug mit der Peitsche nach den anderen, die sich bereits beeilt hatten, ausreichend Abstand zu bekommen. Jaume rannte ihnen hinterher. Als er ihn davonlaufen sah, atmete Bernat tief durch.

Dennoch schuftete er hart, ohne dass ihn jemand züchtigen musste. Er aß, was man ihm vorsetzte. Er hätte der dicken Frau, die ihnen das Essen brachte, gerne gesagt, dass seine Hunde besser ernährt worden waren, aber als er sah, wie gierig sich die Lehrjungen und die Sklaven über die Schüsseln hermachten, beschloss er zu schweigen. Er schlief im Gemeinschaftsschlafraum auf einem Strohsack, unter dem er seine wenigen Habseligkeiten und das Geld aufbewahrte, das ihm geblieben war. Aber die Auseinandersetzung mit Jaume schien ihm den Respekt der Sklaven und Lehrlinge und auch der übrigen Gesellen eingebracht zu haben, und so schlief Bernat ruhig, trotz der Flöhe, des Schweißgestanks und des Schnarchens ringsum.

Er ertrug das alles für die zweimal in der Woche, die ihm die maurische Sklavin den zumeist schlafenden Arnau nach unten brachte, wenn Guiamona sie nicht mehr benötigte. Bernat nahm ihn in die Arme und sog seinen Duft nach sauberen Kleidern und Kinderöl ein. Dann schob er vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, die Kleider beiseite, um seine Ärmchen und Beinchen und das runde Bäuchlein zu betrachten. Er wuchs und gedieh. Bernat wiegte seinen Sohn in den Armen und sah Habiba an, die junge Maurin, um sie stumm um etwas mehr Zeit zu bitten. Manchmal versuchte er ihn zu streicheln, aber seine schwieligen Hände schadeten der zarten Kinderhaut, und Habiba nahm ihm den Kleinen sofort wieder weg. Im Laufe der Wochen gelangte er zu einem stummen Einverständnis mit der Maurin – sie sprach nie mit ihm –, und Bernat streichelte mit dem Handrücken über die rosigen Wangen des Kleinen. Wenn das Mädchen ihm schließlich bedeutete, den Jungen zurückzugeben, küsste er ihn auf die Stirn, bevor er ihn ihr überreichte.