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Im Laufe der Monate stellte Jaume fest, dass Bernat sinnvollere Aufgaben in der Werkstatt übernehmen konnte. Die beiden hatten sich zu respektieren gelernt.

»Die Sklaven haben keinen Verstand im Kopf«, berichtete der Verwalter Grau Puig. »Sie arbeiten nur aus Angst vor der Peitsche, sie geben überhaupt nicht acht. Euer Schwager hingegen …«

»Sag nicht, dass er mein Schwager ist!«, unterbrach ihn Grau wieder einmal, da sich Jaume nur zu gerne seinem Meister gegenüber diese Spitze herausnahm.

»Der Bauer«, verbesserte sich der Verwalter mit vorgetäuschter Verlegenheit, »der Bauer hingegen ist anders. Er zeigt Interesse selbst an den niedersten Arbeiten. Er reinigt die Öfen, wie sie noch nie …«

»Und was schlägst du vor?«, unterbrach ihn Grau erneut, ohne von den Papieren aufzublicken, die er gerade durchsah.

»Nun, man könnte ihm Aufgaben mit größerer Verantwortung übertragen, und so billig, wie er uns kommt …«

Bei diesen Worten sah Grau den Verwalter an.

»Täusch dich nicht«, sagte er. »Er hat uns kein Geld gekostet wie die Sklaven, er erhält auch keinen Lehrvertrag und muss nicht entlohnt werden wie die Gesellen. Aber er ist der teuerste Arbeiter, den ich je hatte.«

»Ich meinte ja auch nur …«

»Ich weiß, was du meintest.« Grau widmete sich wieder seinen Papieren. »Tu, was du für richtig hältst, aber lass dir eines gesagt sein: Der Bauer darf nie vergessen, wo sein Platz in dieser Werkstatt ist. Andernfalls werfe ich dich hinaus, und du wirst niemals Meister werden. Hast du mich verstanden?«

Jaume nickte, doch von diesem Tag an arbeitete Bernat direkt den Gesellen zu. Er stand sogar über den Lehrlingen, die nicht in der Lage waren, mit den großen, schweren Formen aus feuerfestem Ton zurechtzukommen, die auf die richtige Temperatur gebracht werden mussten, um das Steingut oder die Keramik zu brennen. Mit diesen wurden große, bauchige Krüge mit kleiner Öffnung, schmalem Hals und flachem Boden gefertigt, die bis zu zweihundertachtzig Liter fassten und zum Transport von Getreide oder Wein gedacht waren. Bislang hatte Jaume diese Arbeit mindestens zweien seiner Gesellen übertragen müssen. Mit Bernats Hilfe genügte einer für den gesamten Vorgang: Die Form musste gefertigt und gebrannt werden, dann wurde eine Schicht aus Zinn- und Bleioxid als Schmelzmittel auf die Krüge aufgetragen, und diese wurden ein zweites Mal bei geringerer Temperatur gebrannt, damit sich Zinn und Blei miteinander verbanden und die Krüge mit einer harten weißen Glasur überzogen.

Jaume war zufrieden mit seiner Entscheidung: Die Produktion der Werkstatt hatte sich beträchtlich gesteigert und Bernat arbeitete weiterhin mit der gleichen Sorgfalt wie zuvor. »Besser sogar als jeder der Gesellen!«, musste er eines Tages eingestehen, als er zu Bernat und dem zuständigen Gesellen ging, um das Meistersiegel auf den Boden eines neuen Krugs zu prägen.

Jaume versuchte die Gedanken zu erraten, die sich hinter dem Blick des Bauern verbargen. Es war weder Hass in seinen Augen, noch schien er nachtragend zu sein. Er fragte sich, was ihm widerfahren war, dass es ihn hierher verschlagen hatte. Er war nicht wie die anderen Verwandten des Meisters, die in der Töpferei erschienen waren. Sie alle hatten sich für Geld kaufen lassen, Bernat hingegen … Wie er seinen Sohn streichelte, wenn die Maurin ihn zu ihm brachte! Er wollte die Freiheit und arbeitete dafür härter als jeder andere.

So vergingen das Jahr und der eine Tag, die nötig waren, um Bernat und seinem Sohn das Ende der Leibeigenschaft zu bringen. Grau Puig erhielt den erwünschten Sitz im Rat der Hundert der Stadt. Aber Jaume konnte keine Veränderung an dem Bauern bemerken. Ein anderer hätte seine Bürgerrechte eingefordert und sich auf der Suche nach Vergnügungen und Frauen in die Straßen Barcelonas gestürzt, doch Bernat tat nichts dergleichen. Was war mit dem Bauern los?

Bernat wurde den Gedanken an den Jungen aus der Schmiede nicht los. Er fühlte sich nicht schuldig, denn dieser Unglücksrabe hatte ihm den Weg zu seinem Sohn verstellt. Aber wenn er tot war … Er konnte sich zwar von dem Joch seines Herrn befreien, aber auch nach einer Frist von einem Jahr und einem Tag war er nicht vor der Bestrafung wegen Mordes losgesprochen. Guiamona hatte ihm geraten, keinem davon zu erzählen, und so hatte er es gehalten. Er durfte kein Risiko eingehen. Vielleicht hatte Llorenç de Bellera nicht nur Befehl gegeben, ihn wegen Landflucht zu verhaften, sondern auch wegen Mordes. Was würde aus Arnau, wenn man ihn festnahm? Auf Mord stand die Todesstrafe.

Sein Sohn wuchs und gedieh prächtig. Er sprach noch nicht, aber er lief bereits und gluckste fröhlich vor sich hin. Obwohl Grau immer noch nicht das Wort an ihn richtete, hatte Bernat sich durch seine neue Position in der Werkstatt – um die sich Grau nicht kümmerte, weil er mit seinen Geschäften und Aufträgen beschäftigt war – noch mehr Achtung erworben. Mit dem stillschweigenden Einverständnis Guiamonas, die aufgrund der neuen Situation ihres Mannes ebenfalls sehr beschäftigt war, brachte ihm die Maurin das Kind, das nun meist wach war, öfter als früher vorbei.

Bernat durfte sich nicht in der Stadt blicken lassen, wollte er nicht die Zukunft seines Sohnes zerstören.

 

ZWEITER TEIL

DIENER DES ADELS

6

Weihnachten 1329

Barcelona

Arnau war nun acht Jahre alt und hatte sich zu einem aufgeweckten Jungen entwickelt. Das lange, kastanienbraune Haar fiel ihm lockig auf die Schultern und umrahmte ein hübsches Gesicht, in dem die großen, klaren, honigfarbenen Augen hervorstachen.

Grau Puigs Haus war weihnachtlich geschmückt. Der Töpfermeister, der im Alter von zehn Jahren dank der Hilfe eines großzügigen Nachbarn den väterlichen Grund und Boden verlassen konnte, hatte seinen Weg in Barcelona gemacht. Nun wartete er gemeinsam mit seiner Frau auf das Eintreffen der Gäste.

»Sie kommen, um mir ihre Ehrerbietung zu erweisen«, sagte er zu Guiamona. »Wann hat man schon einmal gesehen, dass Adlige und Händler das Haus eines Handwerkers betreten?«

Sie beschränkte sich darauf, ihm zuzuhören.

»Selbst der König unterstützt mich. Verstehst du? Der König! König Alfons.«

An diesem Tag wurde in der Werkstatt nicht gearbeitet. Bernat und Arnau saßen trotz der Kälte draußen auf dem Boden und beobachteten von dem Platz aus, auf dem die Krüge lagerten, das unablässige Kommen und Gehen der Sklaven, Gesellen und Lehrburschen. In den vergangenen acht Jahren hatte Bernat keinen Fuß mehr ins Haus der Puigs gesetzt. Doch das machte ihm nichts aus, sagte er sich, während er Arnaus Haar streichelte. Da saß, an ihn geschmiegt, sein Sohn – was wollte er mehr? Der Junge aß und lebte bei Guiamona und wurde sogar gemeinsam mit Graus Kindern von einem Lehrer im Lesen, Schreiben und Rechnen unterwiesen. Doch er wusste, dass Bernat sein Vater war, denn Guiamona hatte dafür gesorgt, dass er es nicht vergaß. Was Grau anging, so behandelte er seinen Neffen mit absoluter Gleichgültigkeit.

Arnau benahm sich gut im Haus. Bernat hatte ihn immer wieder dazu ermahnt. Wenn er lachend in die Werkstatt stürmte, erhellte sich Bernats Gesicht. Die Sklaven und die Gesellen, selbst Jaume, beobachteten mit einem Lächeln auf den Lippen, wie der Junge auf den Vorplatz gerannt kam, um dort zu warten. Wenn Bernat mit seiner Arbeit fertig war, lief er zu ihm und umarmte ihn stürmisch. So manchen Abend, wenn die Werkstatt schloss, ließ Habiba ihn entwischen, und dann saßen Vater und Sohn schwatzend und lachend beisammen, unbeeindruckt von dem geschäftigen Treiben um sie herum.