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Während Arnau dastand und versuchte, den Jungen ausfindig zu machen, wurde er von der Menge weitergeschoben, die auf den Platz strömte. Er wollte dem Strom entgehen, indem er sich zu den Brotständen stellte, aber als er mit dem Rücken gegen einen der Tische stieß, erhielt er eine schmerzhafte Kopfnuss.

»Hau ab, du Rotzlöffel!«, schrie ihn der Brotverkäufer an.

Arnau verschwand erneut in der lärmenden Menschenmenge des Marktes, ohne zu wissen, wohin. Er wurde hin und her geschoben von Leuten, die viel größer waren als er und ihn gar nicht bemerkten, weil sie mit Getreidesäcken beladen waren.

Arnau war den Tränen nahe, als plötzlich wie aus dem Nichts das verschmitzte, schmutzige Gesicht des Jungen auftauchte, den er durch halb Barcelona verfolgt hatte.

»Was stehst du hier herum?«, fragte der Kleine, wobei er die Stimme erhob, um sich bemerkbar zu machen.

Arnau antwortete nicht. Diesmal klammerte er sich an dem Hemd des Jungen fest und ließ sich über den ganzen Platz bis in die Calle Bòria schleifen. Durch diese gelangten sie in das Viertel der Kesselflicker. In den engen Gassen hallte das Hämmern auf Kupfer und Eisen wider. Jetzt rannten sie nicht mehr. Erschöpft nötigte Arnau, der immer noch den Hemdsärmel des Jungen umklammert hielt, seinen unaufmerksamen und ungeduldigen Führer, seine Schritte zu verlangsamen.

»Hier wohne ich«, sagte der Junge schließlich und deutete auf ein kleines, einstöckiges Häuschen. Vor der Tür stand ein Tisch mit Kupferkesseln in allen Größen, an dem ein dicker Mann arbeitete, der sie keines Blickes würdigte. »Das war mein Vater«, setzte der Junge hinzu, nachdem sie an dem Haus vorbei waren.

»Warum sind wir nicht …?«, begann Arnau, während er zu dem Haus zurückblickte.

»Warte ab«, unterbrach ihn der schmutzige Junge.

Sie gingen weiter die Straße entlang, um eine Biegung herum, bis sie sich an der Rückseite der kleinen Häuschen befanden, an der die Gärten lagen. Als sie zu dem Garten kamen, der zu dem Haus des Jungen gehörte, schwang sich der Kleine auf die Mauer und forderte Arnau auf, es ihm nachzutun.

»Warum …?«

»Jetzt kletter schon rauf!«, befahl ihm der Junge, rittlings auf der Mauer sitzend.

Die beiden sprangen in den kleinen Garten. Doch dann blieb der Junge stehen und blickte zu einem Anbau am Haus hinüber. Es war ein enger Raum, der zum Garten hin, in einiger Höhe, eine winzige Fensteröffnung besaß. Arnau ließ einige Sekunden verstreichen, doch der Junge rührte sich nicht vom Fleck.

»Und jetzt?«, fragte er schließlich.

Der Junge wandte sich Arnau zu.

»Was ist?«

Aber der Kleine achtete nicht auf ihn. Arnau blieb wie angewurzelt stehen, während sein Begleiter eine Holzkiste nahm und sie unter das Fensterchen schob. Dann kletterte er hinauf und presste sein Gesicht an die Öffnung.

»Mama …«, flüsterte er.

Ein blasser Frauenarm erschien und berührte mühsam den Rand der Luke; der Ellenbogen blieb auf dem Fenstersims liegen, und die Hand begann, zärtlich über das Haar des Jungen zu streicheln.

»Du bist heute früher dran, Joanet«, hörte Arnau eine sanfte Stimme sagen. »Die Sonne hat noch nicht den höchsten Punkt erreicht.«

Joanet nickte lediglich mit dem Kopf.

»Ist etwas?«, fragte die Stimme.

Joanet brauchte einige Sekunden, bevor er antwortete. Er zog die Nase hoch und sagte: »Ich bin mit einem Freund gekommen.«

»Ich freue mich, dass du Freunde hast. Wie heißt er?«

»Arnau.«

Woher wusste er seinen Namen? Natürlich! Er hatte ihm nachspioniert!, dachte Arnau.

»Ist er hier?«

»Ja, Mama.«

»Hallo, Arnau.«

Arnau sah zu dem Fenster hinauf. Joanet drehte sich zu ihm um.

»Guten Tag … Señora«, wisperte er, unsicher, was er zu einer Stimme sagen sollte, die aus einem Fenster kam.

»Wie alt bist du?«, wollte die Frau wissen.

»Acht Jahre … Señora.«

»Zwei Jahre älter als mein Joanet, aber ich hoffe, dass ihr euch gut versteht und immer Freunde bleibt. Es gibt nichts Besseres auf dieser Welt als einen guten Freund. Vergesst das nie!«

Dann sagte die Stimme nichts mehr. Joanets Mutter strich ihrem Jungen weiter übers Haar, während Arnau beobachtete, wie der Kleine, den Rücken an die Mauer gelehnt, mit baumelnden Beinen auf der Holzkiste saß und die Liebkosung genoss, ohne sich zu rühren.

»Geht jetzt spielen«, sagte die Frau plötzlich, während sich die Hand zurückzog. »Leb wohl, Arnau! Gib gut auf meinen Jungen acht, du bist schließlich älter als er.«

Arnau wollte sich verabschieden, brachte aber keinen Ton heraus.

»Bis bald, mein Junge«, sagte die Stimme. »Kommst du mich wieder besuchen?«

»Natürlich, Mama.«

»Dann geht jetzt.«

Die beiden Jungen kehrten in die belebten Straßen Barcelonas zurück und liefen ziellos umher. Arnau wartete auf eine Erklärung von Joanet. Als diese ausblieb, wagte er schließlich zu fragen: »Warum kommt deine Mutter nicht heraus in den Garten?«

»Sie ist eingesperrt«, antwortete Joanet.

»Warum?«

»Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass sie eingesperrt ist.«

»Und warum kletterst du nicht durch das Fenster hinein?«

»Ponç hat es mir verboten.«

»Wer ist Ponç?«

»Ponç ist mein Vater.«

»Und warum hat er es dir verboten?«

»Das weiß ich nicht.«

»Warum nennst du ihn Ponç und nicht Vater?«

»Auch das hat er mir verboten.«

Arnau blieb stehen und zog Joanet zu sich, bis dessen Gesicht genau vor seinem war.

»Ich weiß nicht, warum«, kam ihm der Junge zuvor.

Sie gingen weiter. Arnau versuchte, dieses Durcheinander zu verstehen, und Joanet wartete auf die nächste Frage seines neuen Gefährten.

»Wie ist deine Mutter?«, fragte Arnau schließlich.

»Sie war schon immer dort eingesperrt.« Joanet bemühte sich krampfhaft zu lächeln. »Einmal, als Ponç nicht in der Stadt war, habe ich versucht, mich durch das Fenster zu zwängen, aber sie hat es mir nicht erlaubt. Sie sagte, sie will nicht, dass ich sie sehe.«

»Warum lächelst du?«

Joanet ging einige Meter weiter, bevor er antwortete: »Sie sagt, ich soll immer lächeln.«

Für den Rest des Vormittags trottete Arnau mit gesenktem Kopf hinter diesem schmutzigen Jungen her, der niemals das Gesicht seiner Mutter gesehen hatte.

»Seine Mutter streichelt ihm durch ein kleines Fenster über den Kopf«, erzählte Arnau seinem Vater an diesem Abend im Flüsterton, als sie gemeinsam auf der Matratze lagen. »Er hat sie noch nie gesehen. Sein Vater erlaubt es ihm nicht, und sie auch nicht.«

Auch Bernat strich seinem Sohn über den Kopf, genau wie Arnau es ihm von der Mutter seines neuen Freundes erzählt hatte. Das Schnarchen der Sklaven und Lehrlinge, mit denen sie den Raum teilten, war in der Stille zu hören, die zwischen ihnen herrschte. Bernat fragte sich, welches Vergehen diese Frau begangen haben mochte, um eine solche Strafe verdient zu haben.

Ponç, der Kupferschmied, hätte ihm die Antwort ohne zu zögern geben können: »Ehebruch!«

Er hatte es Dutzende Male erzählt, jedem, der es hören wollte.

»Ich habe sie dabei ertappt, wie sie es mit ihrem Liebhaber trieb, einem jungen Burschen in ihrem Alter. Sie nutzten die Stunden aus, die ich in der Schmiede arbeitete. Ich ging natürlich zum Stadtrichter, um die gerechte Wiedergutmachung einzufordern, die unsere Gesetze vorschreiben.«

Und der kräftige Kupferschmied machte sich sogleich daran, von dem Gesetz zu erzählen, das dazu beigetragen hatte, Gerechtigkeit walten zu lassen.

»Unsere Oberen sind kluge Männer, sie wissen um die Ruchlosigkeit des Weibes. Nur adlige Damen können sich durch einen Eid von der Anklage des Ehebruchs freisprechen. Die Übrigen, wie meine Joana, müssen ihre Unschuld in einem Duell unter Beweis stellen und werden einem Gottesurteil unterworfen.«

Diejenigen, die bei dem Duell dabei gewesen waren, erinnerten sich daran, wie Ponç Joanas jugendlichen Liebhaber in Stücke zerrissen hatte. Gott hatte nur wenig zwischen dem von der Arbeit in der Schmiede gestählten Kesselmacher und dem zarten, liebestrunkenen Jüngling auszurichten vermocht.