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»Ich muss wissen, wer ihn angezündet hat«, erklärte der Soldat.

Die Frau mischte sich mit Joan unter die Leute, die den toten Bernat anstarrten.

»Was tut das zur Sache?«, murmelte sie, während Joan von Krämpfen geschüttelt wurde. »Dieser Junge ist halb tot vor Hunger und Angst.«

Der Soldat sah nach oben. Dann nickte er langsam. Er hatte selbst einen Sohn verloren. Der Kleine war immer magerer geworden, bis ihn schließlich ein harmloses Fieber dahingerafft hatte. Seine Frau hatte ihn genauso in die Arme geschlossen, wie es diese Frau mit dem Jungen tat. Er sah die beiden an. Die Frau weinte, während sich der Junge schutzsuchend an ihre Brust schmiegte.

»Bring ihn nach Hause«, sagte er zu der Frau. Dann blickte er wieder zu Bernats brennendem Leichnam auf. »Verfluchte Genuesen!«

Es war Tag geworden in Barcelona.

»Joan!«, rief Arnau, kaum dass er die Tür geöffnet hatte.

Pere und Mariona, die im Erdgeschoss am Herd saßen, bedeuteten ihm, still zu sein.

»Er schläft«, sagte Mariona.

Die fremde Frau hatte Joan nach Hause gebracht und ihnen erzählt, was passiert war. Die beiden alten Leute kümmerten sich um Joan, bis er schließlich einschlief. Dann setzten sie sich an den wärmenden Herd.

»Was soll aus ihnen werden?«, fragte Mariona ihren Mann. »Ohne Bernat wird es der Junge nicht in den Ställen aushalten.«

»Und wir können sie nicht versorgen«, dachte Pere. Sie konnten es sich nicht leisten, den beiden Jungen das Zimmer unentgeltlich zu überlassen oder sie mit durchzufüttern. Pere wunderte sich über das Strahlen in Arnaus Augen. Sein Vater war gerade hingerichtet worden! Er hatte ihn sogar angezündet; die Frau hatte es ihm erzählt. Woher kam dieses Strahlen?

»Ich bin ein Bastaix!«, verkündete Arnau und machte sich über den Topf mit den kalten Resten des gestrigen Abendessens her.

Die beiden alten Leute wechselten einen Blick und sahen dann zu dem Jungen, der mit dem Rücken zu ihnen direkt aus dem Schöpflöffel aß. Er war völlig abgemagert! Der Getreidemangel hatte seine Spuren bei ihm hinterlassen, wie überall in Barcelona. Wie sollte dieser magere Junge Lasten schleppen?

Mariona schüttelte den Kopf und sah ihren Mann an.

»Man wird sehen«, sagte Pere.

»Was sagt Ihr?«, fragte Arnau, während er sich mit vollem Mund umdrehte.

»Nichts, mein Sohn, nichts.«

»Ich muss los«, sagte Arnau. Er nahm ein Stück hartes Brot und biss herzhaft hinein. Der Drang, Joan zu fragen, was auf dem Platz geschehen war, rang mit einem anderen drängenden Wunsch: sich seinen neuen Arbeitskollegen anzuschließen. Er traf eine Entscheidung. »Erzählt Joan davon, wenn er aufwacht.«

Im April wurde die Schifffahrt wieder aufgenommen, die seit Oktober geruht hatte. Die Tage wurden länger, und die großen Schiffe begannen, im Hafen einzulaufen oder Anker zu lichten. Niemand, weder Reeder noch Ausrüster oder Steuermänner, wollte sich länger als unbedingt nötig in dem gefährlichen Hafen von Barcelona aufhalten.

Bevor er sich zu der Gruppe der Bastaixos gesellte, die dort wartete, sah Arnau vom Strand aufs Meer hinaus. Es war immer dort gewesen, doch wenn er mit seinem Vater am Strand entlanggegangen war, hatte er dem Meer nach wenigen Schritten den Rücken gekehrt. An diesem Tag betrachtete er es mit anderen Augen: Er würde von ihm leben. Im Hafen ankerten neben unzähligen kleinen Booten auch zwei große, soeben eingelaufene Handelsschiffe sowie ein Verband von sechs riesigen Kriegsgaleeren mit je sechsundzwanzig Ruderbänken à zehn Ruderern.

Arnau hatte schon von der Flotte gehört. Die Stadt hatte sie ausgerüstet, um den König im Krieg gegen Genua zu unterstützen. Sie stand unter dem Befehl des vierten Ratsherren von Barcelona, Galcerà Marquet. Nur ein Sieg über die Genuesen würde den Weg für den Handel und die Versorgung der Hauptstadt des Prinzipats wieder freimachen. Aus diesem Grund hatte sich Barcelona großzügig gegenüber König Alfons gezeigt.

»Du willst doch nicht etwa einen Rückzieher machen?«, hörte er eine Stimme hinter sich sagen. Arnau drehte sich um. Vor ihm stand einer der Zunftmeister der Bastaixos. »Auf geht's«, munterte er ihn auf und ging weiter zum Treffpunkt der Bastaixos.

Arnau folgte ihm. Als er zu der Gruppe trat, begrüßten ihn die Männer mit einem Lächeln.

»Das hier wird etwas anderes sein, als Wasser auszugeben, Arnau«, sagte einer zu ihm. Die übrigen lachten.

»Hier, nimm«, forderte ihn Ramon auf. »Es ist die kleinste, die wir finden konnten.«

Arnau nahm behutsam die Capçana entgegen, das schützende Kopfpolster, mit welchem die Männer ihre Lasten trugen.

»Sie geht schon nicht kaputt!«, sagte einer der Bastaixos lachend, als er sah, wie vorsichtig Arnau sie festhielt.

»Natürlich nicht!«, dachte Arnau und lächelte dem Bastaix zu. Er setzte das Polster auf den Hinterkopf, zog den Lederriemen über die Stirn, um es zu befestigen, und lächelte erneut.

Ramon prüfte, ob das Polster richtig saß.

»In Ordnung«, sagte er und tätschelte ihm die Wange. »Fehlen nur noch die Schwielen.«

»Welche Schwielen?«, fragte Arnau, doch als nun die Zunftmeister eintrafen, richtete sich alle Aufmerksamkeit auf sie.

»Sie können sich nicht einigen«, erklärte einer von ihnen. Alle Bastaixos, auch Arnau, sahen ein Stück den Strand hinunter, wo mehrere kostbar gekleidete Männer standen und miteinander diskutierten. »Galcerà Marquet will, dass zuerst die Galeeren beladen werden. Die Händler hingegen bestehen darauf, dass zuerst die beiden Schiffe entladen werden, die soeben eingetroffen sind. Wir müssen abwarten«, kündigte er an.

Die Männer murrten leise. Die meisten setzten sich in den Sand. Arnau setzte sich zu Ramon, die Capçana immer noch umgeschnallt.

Ramon zeigte auf das Tragepolster. »Achte immer darauf, dass kein Sand hineinkommt. Das wird sonst unangenehm beim Tragen.«

Der Junge legte die Capçana ab und hielt sie vorsichtig fest, damit sie nicht mit dem Sand in Berührung kam.

»Wo liegt das Problem?«, fragte er Ramon. »Man kann doch zuerst die einen Schiffe be- oder entladen und dann die anderen.«

»Niemand will länger im Hafen von Barcelona liegen als unbedingt nötig. Wenn ein Sturm aufkommt, sind die Schiffe ihm schutzlos ausgeliefert.«

Arnau ließ seinen Blick über den Hafen schweifen, vom Puig de les Falsies bis Santa Clara. Dann sah er zu der Gruppe hinüber, die immer noch diskutierte.

»Der Ratsherr hat das Kommando, oder?«

Ramon lachte und fuhr ihm durchs Haar.

»In Barcelona haben die Händler das Kommando. Sie haben die königlichen Galeeren bezahlt.«

Schließlich endete die Diskussion mit einem Kompromiss: Die Bastaixos würden zunächst die Ausrüstung für die Galeeren aus der Stadt herbeitragen. Unterdessen würden die Lastschiffer damit beginnen, die Handelsschiffe zu entladen. Die Bastaixos mussten zurück sein, bevor die Lastkähne mit den Waren den Strand erreicht hatten. Diese sollten an einem geeigneten Ort gelagert werden, statt sie gleich auf die Lagerhäuser ihrer jeweiligen Besitzer zu verteilen. Dann würden die Lastkähne die Ausrüstung auf die Galeeren schaffen, während die Bastaixos für weiteren Nachschub sorgten. Von dort aus ging es dann wieder zu den Kauffahrern, um die Waren zu löschen, und immer so weiter, bis die Galeeren beladen und die Handelsschiffe entladen waren. Danach sollten sie die Ware auf die jeweiligen Lagerhäuser verteilen und, wenn dann noch Zeit blieb, die Handelsschiffe erneut beladen.