Als man sich geeinigt hatte, kam Bewegung in sämtliche Hafenarbeiter. Die Bastaixos begaben sich in Gruppen zu den städtischen Lagerhäusern Barcelonas, wo das Gepäck der Galeerenbesatzungen bereitstand, auch das der zahlreichen Ruderer. Unterdessen fuhren die Lastschiffer zu den kürzlich im Hafen eingetroffenen Kauffahrern hinaus, um die Waren an Bord zu nehmen. Da es keine Molen gab, konnte die Ladung ohne diese Berufsstände nicht gelöscht werden.
Die Besatzung jeder Barkasse oder Barke bestand aus drei bis vier Mann: dem Schiffsführer und – je nach Zunft – Sklaven oder freien Tagelöhnern. Die Mitglieder der Bruderschaft Sant Pere, der ältesten und reichsten der Stadt, verwendeten Sklaven – nicht mehr als zwei je Boot, wie es die Zunftordnung vorsah. Die junge Bruderschaft Santa María, die nicht über so viele Mittel verfügte, arbeitete mit angeheuerten Tagelöhnern. In jedem Fall war das Be- und Entladen der Ware, nachdem die Lastboote an den Kauffahrern angelegt hatten, ein zeitraubender und heikler Vorgang, selbst bei ruhiger See, denn die Hafenschiffer waren dem Eigentümer gegenüber für verloren gegangene oder beschädigte Ware verantwortlich. Sie konnten sogar zu Gefängnis verurteilt werden, wenn sie die entsprechenden Entschädigungen an die Händler nicht zu zahlen vermochten.
Herrschte stürmisches Wetter im Hafen von Barcelona, wurde es noch schwieriger, und zwar nicht nur für die Hafenschiffer, sondern für alle, die mit der Seefahrt zu tun hatten. Zunächst einmal, weil die Hafenschiffer sich weigern konnten, die Waren zu entladen – bei gutem Wetter durften sie das nicht –, es sei denn, sie handelten freiwillig einen Sonderpreis mit dem Eigentümer der Ware aus. Doch die größten Folgen hatte ein Sturm für die Eigner, Steuermänner und auch die Besatzung eines Schiffes. Unter Androhung strenger Strafen durfte niemand das Schiff verlassen, bis die Ladung vollständig gelöscht war. Befanden sich der Besitzer oder sein Schreiber an Land – denn sie durften als Einzige von Bord gehen –, waren sie dazu verpflichtet, wieder zurückzukehren.
Während sich also die Hafenschiffer daranmachten, das erste Schiff zu entladen, begannen die Bastaixos, nachdem die Zunftmeister sie in Gruppen aufgeteilt hatten, die Ausrüstung der Galeeren aus den verschiedenen städtischen Lagerhäusern zum Strand zu tragen. Arnau wurde in Ramons Gruppe eingeteilt, dem der Zunftmeister einen bedeutungsvollen Blick zuwarf, als er ihm den Jungen zuwies.
Sie gingen am Strand entlang zum Portico del Forment, dem städtischen Getreidespeicher, der nach dem Volksaufstand von Soldaten des Königs streng bewacht wurde. Arnau versuchte, sich hinter Ramon zu verstecken, als sie zum Tor kamen, doch den Soldaten fiel der schmächtige Junge zwischen all den kräftigen Männern auf.
»Was soll der denn tragen?«, fragte einer lachend, während er auf ihn deutete.
Als Arnau sah, dass die Blicke sämtlicher Soldaten auf ihn gerichtet waren, spürte er, wie sich sein Magen umdrehte. Er versuchte, sich noch kleiner zu machen, doch Ramon packte ihn an der Schulter, legte ihm die Capçana über die Stirn und antwortete dem Soldaten im gleichen Ton: »Er muss arbeiten! Er ist vierzehn Jahre alt und soll seine Familie unterstützen.«
Mehrere Soldaten nickten beifällig und ließen sie passieren. Arnau trottete mit gesenktem Kopf zwischen den Männern, den Lederriemen in die Stirn gedrückt. Als er den Portico del Forment betrat, schlug ihm der Geruch des dort gelagerten Getreides entgegen. In den Lichtstrahlen, die durch die Fenster fielen, tanzte feiner, weißer Staub, der rasch bei dem Jungen und vielen anderen Bastaixos Hustenreiz auslöste.
»Vor dem Krieg gegen Genua war hier alles voller Korn«, er machte eine ausholende Handbewegung, die den gesamten Speicher umfasste, »doch nun …«
Dort standen die großen Krüge von Grau, stellte Arnau fest, einer neben dem anderen.
»Auf geht's«, rief einer der Zunftmeister.
Ein Pergament in den Händen, begann der Lagerverwalter auf die großen Krüge zu deuten. »Wie sollen wir diese randvollen Krüge transportieren?«, überlegte Arnau. Ein einzelner Mann konnte unmöglich eine solche Last tragen. Die Bastaixos taten sich zu je zweien zusammen. Nachdem sie die Krüge hingelegt und Seile daran befestigt hatten, schulterten sie eine kräftige Stange, die sie zuvor durch die Seile geführt hatten. Dann machten sie sich hintereinander auf den Weg in Richtung Strand. Noch mehr Staub wurde aufgewirbelt. Arnau hustete erneut. Als die Reihe an ihm war, hörte er Ramons Stimme.
»Gebt dem Jungen einen von den kleinen, von denen mit dem Salz.«
Der Lagerverwalter sah Arnau an und schüttelte den Kopf.
»Salz ist teuer«, erklärte er Ramon. »Wenn der Krug hinfällt …«
»Gib ihm einen mit Salz!«
Die Getreidekrüge waren etwa einen Meter hoch. Der von Arnau maß kaum einen halben Meter, doch als der Junge ihn mit Ramons Hilfe auf den Rücken wuchtete, merkte er, dass seine Knie zitterten.
Ramon packte ihn von hinten an den Schultern.
»Jetzt musst du dich beweisen«, raunte er ihm ins Ohr.
Arnau ging los, gebückt, die Hände fest um die Henkel des Kruges geklammert, den Kopf vorgereckt. Er merkte, wie ihm der Lederriemen in die Stirn schnitt.
Ramon sah ihn schwankend davongehen. Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen. Der Verwalter schüttelte erneut den Kopf, und die Soldaten schwiegen, als er an ihnen vorüberkam.
»Für Euch, Vater!«, murmelte Arnau mit zusammengebissenen Zähnen, als er die glutheiße Sonne auf dem Gesicht spürte. Das Gewicht würde ihn in Stücke reißen! »Ich bin kein Kind mehr, Vater, seht Ihr?«
Hinter ihm kamen Ramon und ein weiterer Bastaix, eine Stange mit einem Getreidekrug zwischen sich. Beider Blicke waren auf die Füße des Jungen gerichtet. Sie konnten sehen, wie seine Knöchel aneinanderstießen. Arnau strauchelte. Ramon schloss die Augen.
Ob er noch dort hängt?, fragte sich Arnau in diesen Momenten, das Bild des toten Bernat vor Augen. »Niemand wird mehr über Euch spotten können! Nicht einmal diese Hexe und ihre Stiefkinder.«
Er richtete sich unter der Last auf und ging weiter.
Er schaffte es zum Strand. Ramon hinter ihm lächelte. Keiner sagte ein Wort. Die Lastschiffer kamen ihm entgegen und nahmen ihm den Salzkrug ab, bevor er das Wasser erreicht hatte. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Arnau sich aufrichten konnte. »Habt Ihr gesehen, Vater?«, murmelte er und sah zum Himmel.
Ramon klopfte ihm auf den Rücken, als er das Getreide abgeladen hatte.
»Noch einen?«, fragte der Junge ernsthaft.
Er schleppte noch zwei. Als Arnau den dritten Krug am Strand ablieferte, trat Josep zu ihm, einer der Zunftmeister.
»Für heute ist es genug, Junge«, sagte er zu ihm.
»Ich kann noch weitermachen«, versicherte Arnau und versuchte zu verbergen, wie sehr ihn der Rücken schmerzte.
»Nein, das kannst du nicht. Ich kann nicht zulassen, dass du blutend durch Barcelona läufst wie ein verwundetes Tier«, sagte er väterlich, während er auf mehrere dünne Rinnsale deutete, die Arnaus Rücken hinabliefen. Der Junge hob die Hand zum Rücken und betrachtete sie. »Wir sind keine Sklaven. Wir sind freie Männer, freie Arbeiter, und so sollen die Leute uns sehen. Keine Sorge«, bemerkte er, als er Arnaus bekümmerte Miene bemerkte. »Uns allen ist es irgendwann einmal so ergangen, und wir alle hatten jemanden, der uns vom Weiterarbeiten abhielt. Die wunden Stellen, die sich an deinem Hinterkopf und an deinem Rücken gebildet haben, müssen zuerst verschorfen. In einigen Tagen wird es so weit sein. Du kannst mir glauben, dass ich dir von da an nicht mehr Ruhepausen zugestehen werde als jedem deiner Kollegen.« Damit überreichte ihm Josep ein kleines Fläschchen. »Wasch die Wunden gut aus und trage diese Salbe auf, damit der Schorf austrocknet.«