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»Und der König stellt die ganzen Steine zur Verfügung?«

Ramon musste herzhaft lachen.

»Nur die für Santa María del Mar. Die rückt er tatsächlich kostenlos heraus … und wahrscheinlich auch die für das Kloster von Pedralbes, denn das entsteht im Auftrag der Königin. Für alle anderen verlangt er gutes Geld.«

»Und was ist mit den königlichen Schiffszeughäusern?«, fragte Arnau. »Wenn sie doch königlich sind …«

Ramon lachte erneut.

»Sie mögen königlich sein, aber der König kommt nicht für die Kosten auf.«

»Die Stadt?«

»Auch nicht.«

»Die Händler?«

»Auch nicht.«

»Wer dann?«, wollte Arnau von dem Bastaix wissen.

»Die königlichen Schiffszeughäuser werden bezahlt von …«

»Von den Sündern!«, fiel ihm der Mann ins Wort, der ihm den Krug gereicht hatte, ein Fuhrmann von der Kathedrale.

Ramon und er lachten über Arnaus verdutztes Gesicht.

»Von den Sündern?«

»Ja«, fuhr Ramon fort, »die neuen Zeughäuser werden von dem Geld der sündigen Händler bezahlt. Pass auf, es ist ganz einfach: Nach den Kreuzzügen … Weißt du, was Kreuzzüge sind?« Arnau nickte. Natürlich wusste er, was die Kreuzzüge waren. »Nun, nachdem die Heilige Stadt endgültig verloren war, untersagte die Kirche den Handel mit dem Sultan von Ägypten. Doch offenbar bekommen unsere Händler ihre besten Waren von dort, und keiner von ihnen ist bereit, auf den Handel mit dem Sultan zu verzichten. Also gehen sie vorher zum Seekonsulat und bezahlen eine Strafe für die Sünde, die sie begehen werden. So erkaufen sie sich im Voraus die Absolution, und es ist keine Sünde mehr. König Alfons hat bestimmt, dass dieses Geld für den Bau der neuen Schiffszeughäuser von Barcelona verwendet werden soll.«

Arnau wollte etwas sagen, doch Ramon unterbrach ihn mit einer Handbewegung. Die Zunftmeister riefen nach ihnen, und Ramon forderte den Jungen auf, ihm zu folgen.

»Sind wir vor ihnen dran?«, fragte Arnau mit einem Blick auf die zurückbleibenden Fuhrleute.

»Natürlich«, antwortete Ramon, ohne stehen zu bleiben. »Bei uns sind nicht so viele Kontrollen nötig wie bei ihnen. Die Steine sind umsonst, und es ist ganz einfach, sie zu zählen: ein Bastaix, ein Stein.«

»Ein Bastaix, ein Stein«, wiederholte Arnau bei sich, als der erste Bastaix mit dem ersten Stein an ihm vorbeiging. Sie hatten nun die Stelle erreicht, wo die Steinmetze die großen Blöcke zurechtklopften. Er sah in das angestrengte Gesicht des Mannes. Arnau lächelte, doch sein Zunftbruder erwiderte das Lächeln nicht. Die Scherze waren verstummt, niemand lachte und schwatzte mehr. Alle blickten auf die Steine, die auf dem Boden lagen, die Capçana um die Stirn gezurrt. Die Capçana!. Arnau legte sie an. Die Bastaixos gingen mit ihren Steinen schweigend an ihm vorbei, einer nach dem anderen, und je mehr vorbeikamen, desto kleiner wurde die Gruppe, die rund um die Steine stand. Arnau betrachtete die Steine. Sein Mund war trocken und sein Magen krampfte sich zusammen. Einer der Bastaix bückte sich und zwei Männer wuchteten den Stein auf seinen Rücken. Arnau sah, wie er wankte und wie seine Knie zitterten. Er ließ einige Sekunden verstreichen, dann richtete er sich auf und ging an Arnau vorbei in Richtung Santa María. Mein Gott, der Mann war dreimal so stark wie er! Und seine Beine hatten gezittert! Wie sollte er …?

»Arnau!«, riefen ihn die Zunftmeister zu sich. Sie würden sich als Letzte auf den Weg machen. Nur noch wenige Bastaixos waren übrig. Ramon schob ihn nach vorne.

»Nur Mut«, sagte er.

Die drei Zunftmeister sprachen mit einem der Steinmetze, doch der schüttelte nur den Kopf. Die vier Männer nahmen die Steine in Augenschein, zeigten hierhin und dorthin, dann schüttelten alle erneut den Kopf. Neben den Steinen stehend, versuchte Arnau zu schlucken, doch seine Kehle war trocken. Er zitterte. Er durfte nicht zittern! Er bewegte die Hände und dann die Arme. Sie durften nicht sehen, wie er zitterte!

Josep, einer der Zunftmeister, deutete auf einen Stein. Der Steinmetz machte eine gleichgültige Geste, dann sah er Arnau an, schüttelte erneut den Kopf und wies seine Männer an, den Stein zu holen. »Sie sind alle gleich«, beteuerte er immer wieder.

Als Arnau die beiden Männer mit dem Stein dort stehen sah, trat er zu ihnen. Er beugte den Rücken und spannte sämtliche Muskeln an. Alle Anwesenden schwiegen. Die Männer ließen den Stein vorsichtig los und halfen ihm, ihn mit den Händen zu umfassen. Als er das Gewicht spürte, ging er in die Knie. Arnau biss die Zähne zusammen und schloss die Augen. »Hoch!«, glaubte er eine Stimme zu hören. Niemand hatte etwas gesagt, aber alle hatten es gedacht, als sie die Beine des Jungen wanken sahen. Hoch! Hoch! Arnau richtete sich unter der Last auf. Viele atmeten auf. Ob er überhaupt gehen konnte? Arnau stand da, die Augen immer noch geschlossen. Würde er gehen können?

Er setzte einen Fuß nach vorne. Das Gewicht des Steines drückte ihn nach vorne und zwang ihn, den anderen Fuß nach vorne zu setzen und dann wieder den einen … und wieder den anderen. Wenn er stehen blieb … Wenn er stehen blieb, würde er mit dem Stein nach vorne umfallen.

Ramon zog die Nase hoch und hielt sich die Augen zu.

»Nur Mut, Junge!«, hörte man einen der wartenden Fuhrmänner rufen.

»Nur wacker voran!«

»Du schaffst es!«

»Auf nach Santa María!«

Die Rufe hallten von den Wänden des Steinbruchs wider und begleiteten Arnau noch immer, als er bereits alleine auf dem Weg zurück in die Stadt war.

Doch er war nicht alleine. Alle Bastaixos, die nach ihm losgegangen waren, holten ihn mühelos ein, und alle, vom Ersten bis zum Letzten, passten ihre Schritte für einige Minuten denen von Arnau an, um ihm Mut zuzusprechen und ihn anzufeuern. Sobald der Nächste ihn erreichte, nahm der Vorherige sein Tempo wieder auf.

Aber Arnau hörte sie nicht. Er dachte nicht einmal. Seine Aufmerksamkeit war einzig und allein auf den Fuß gerichtet, den er nach vorne setzen musste. Wenn er ihn vor sich auf dem Weg erscheinen sah, wartete er auf den nächsten. Einen Fuß vor den anderen setzend, überwand er den Schmerz.

In den Feldern von San Bertrán dauerte es eine Ewigkeit, bis ihm die Füße gehorchten. Alle Bastaixos hatten ihn bereits überholt. Er erinnerte sich, wie sie die schweren Steine auf der Reling eines Bootes abgelegt hatten, wenn Joan und er ihnen Wasser zu trinken gaben. Er sah sich nach etwas Ähnlichem um und entdeckte nach kurzer Zeit einen Olivenbaum, auf dessen unteren Ästen er den Stein abstützen konnte. Wenn er ihn auf den Boden legte, würde er ihn nicht mehr schultern können. Er hatte kein Gefühl mehr in den Beinen.

»Wenn du stehen bleibst«, hatte Ramon ihm geraten, »achte darauf, dass sich deine Beine nicht völlig verkrampfen, sonst kannst du nicht weitergehen.«

Von einem Teil der Last befreit, bewegte Arnau weiter die Beine. Er atmete tief durch, einmal, zweimal, immer wieder. Einen Teil der Last trägt die Jungfrau, auch das hatte ihm Ramon gesagt. Mein Gott! Wenn das stimmte, wie viel wog dann dieser Stein wirklich? Er traute sich nicht, den Rücken zu strecken. Er tat weh, schrecklich weh. Er ruhte sich eine ganze Weile aus. Würde er sich wieder in Bewegung setzen können? Arnau blickte sich um. Er war allein. Nicht einmal die anderen Fuhrleute nahmen diesen Weg, sondern den zum Stadttor Trentaclaus.

Ob es wohl ging? Arnau sah in den Himmel. Er lauschte in die Stille und hob dann mit einem Ruck den Stein wieder an. Seine Füße setzten sich in Bewegung. Erst der eine, dann der andere, erst der eine, dann der andere …