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Obwohl die Kirche eingerüstet war und überall Steine und Baumaterial herumlagen, war Santa María für das Ereignis prächtig herausgeputzt. Der Erzdiakon der Kirche, Bernat Rosell, erwartete gemeinsam mit den Mitgliedern des Baurats, Adligen, Benefiziaren und weiteren Kirchenleuten das königliche Gefolge. Sie trugen ihre prächtigsten Kleider, die in allen Farben leuchteten. Die Julimorgensonne flutete durch die noch unvollendeten Gewölbe und Fenster und brach sich auf dem Gold und Geschmeide jener, die das Privileg besaßen, im Inneren der Kirche auf den König zu warten.

Die Sonne funkelte auch auf Arnaus glattpoliertem abgestumpften Dolch, denn neben diesen wichtigen Persönlichkeiten waren außerdem die einfachen Bastaixos anwesend. Einige, darunter auch Arnau, warteten vor der Sakramentskapelle, ›ihrer‹ Kapelle; andere standen Spalier am Hauptportal. Dieses befand sich neben dem Portal der alten romanischen Kirche, das noch als Eingang diente.

Die Bastaixos, diese ehemaligen Sklaven oder Macips de ribera , besaßen zahlreiche Privilegien in Santa María del Mar. Auch Arnau war in den letzten vier Jahren in ihren Genuss gekommen. Sie besaßen nicht nur die wichtigste Kapelle der Kirche, sie bewachten auch das Hauptportal. Ihre Messen wurden am Hauptaltar gefeiert, und ihr oberster Zunftmeister besaß den Schlüssel zum Tabernakel mit dem Allerheiligsten. Bei der Fronleichnamsprozession trugen sie das Gnadenbild der Jungfrau und, auf etwas niedrigeren Sänften, die Heiligen Tecla, Caterina und Macià. Lag ein Bastaix im Sterben, so wurde die letzte Wegzehrung, ganz gleich, zu welcher Tages- oder Nachtzeit, feierlich unter einem Baldachin durch das Hauptportal getragen.

An diesem Morgen passierte Arnau mit seinen Zunftbrüdern die Kontrollen der königlichen Soldaten, die den Weg des Gefolges absperrten. Ihm war bewusst, dass ihn die vielen Menschen beneideten, die sich am Wegesrand drängten, um den König zu sehen. Er, ein einfacher Lastenträger, betrat Santa María gemeinsam mit den Adligen und reichen Händlern, ganz so, als sei er einer von ihnen. Als er durch die Kirche zur Sakramentskapelle ging, standen ihm plötzlich Grau Puig, Isabel und seine drei Cousins gegenüber, allesamt in Seide gekleidet und mit Gold behangen.

Arnau zögerte. Die fünf Puigs sahen ihn herablassend an. Mit gesenktem Blick ging er an ihnen vorbei.

»Arnau!«, hörte er jemanden rufen, als er gerade an Margarida vorbei war. Hatte es ihnen nicht genügt, das Leben seines Vaters zu zerstören? Wollten sie ihn noch einmal demütigen, vor seiner Zunft, in seiner Kirche?

»Arnau!«, hörte er noch einmal.

Als er aufsah, stand Berenguer de Montagut vor ihm.

»Exzellenz«, sagte der Baumeister, an den Erzdiakon von Santa María del Mar gewandt, »darf ich Euch Arnau vorstellen, Arnau …«

»Estanyol«, stammelte Arnau.

»Arnau Estanyol. Der Bastaix, von dem ich Euch so viel erzählt habe. Er hat schon Steine für die Jungfrau geschleppt, als er noch ein Kind war.«

Der Kirchenmann nickte und hielt Arnau seinen Ring hin. Der Junge kniete nieder, um ihn zu küssen. Als er sich wieder erhob, klopfte ihm Berenguer de Montagut auf den Rücken. Arnau sah, wie sich Grau und seine Familie vor dem Prälaten und dem Baumeister verneigten, doch diese würdigten sie keines Blickes und wandten sich anderen Adligen zu. Arnau fasste sich wieder, ließ die Puigs stehen und ging festen Schrittes davon, den Blick auf den Chorumgang gerichtet. Vor der Sakramentskapelle angekommen, gesellte er sich zu seinen Zunftbrüdern.

Das Geschrei der Menge kündigte das Eintreffen des Königs und seines Gefolges an: König Pedro III. mit seiner Gemahlin Maria, König Jaime von Mallorca mit Gemahlin, Königin Elisenda, die betagte Witwe von Pedros Großvater Jaime, die Infanten Pedro Ramón Berenguer und Jaime – Onkel des Königs die beiden Ersteren, der Letztere sein Bruder –, Kardinal Rodés, päpstlicher Legat, der Erzbischof von Tarragona, Bischöfe, kirchliche Würdenträger, Adlige und Edelleute. Sie alle zogen in feierlicher Prozession durch die Calle de la Mar nach Santa María. Noch nie hatte man in Barcelona so viele bedeutende Persönlichkeiten, so viel Luxus und Pracht gesehen.

Pedro III. genannt der Prächtige, wollte das Volk beeindrucken, das er über drei Jahre mit Missachtung gestraft hatte. Und es gelang ihm. Die beiden Könige, der Kardinal und der Erzbischof schritten unter einem Baldachin, der von mehreren Bischöfen und Adligen getragen wurde. Vor dem provisorischen Hauptaltar von Santa María empfingen sie aus den Händen des Erzdiakons der Kirche das Kästchen mit den Gebeinen der Märtyrerin. Der König selbst trug den Reliquienschrein von Santa María zur Kathedrale, wo die Gebeine in einer eigens zu diesem Zwecke errichteten Kapelle unter dem Hauptaltar beigesetzt wurden.

22

Nach der Beisetzung der Gebeine der heiligen Eulàlia gab der König ein Festbankett in seinem Palast. Am Tisch des Königs saßen der Kardinal, das Königspaar von Mallorca, die Königin von Aragón und die Königinmutter, die Infanten des Königshauses sowie mehrere kirchliche Würdenträger, insgesamt fünfundzwanzig Personen. An weiteren Tischen saßen die Adligen und, zum ersten Mal in der Geschichte königlicher Bankette, eine große Anzahl von angesehenen Bürgern. Doch nicht nur der König und seine Höflinge begingen das Ereignis. In ganz Barcelona wurde acht Tage lang gefeiert.

Frühmorgens gingen Arnau und Joan zur Messe und nahmen an den feierlichen Prozessionen teil, die unter Glockengeläut durch die Stadt zogen. Danach flanierten sie wie alle anderen durch die Straßen der Stadt und vergnügten sich bei den Turnieren im Born-Viertel, bei denen die Adligen und Ritter ihr Geschick im Kampf bewiesen. Sie kämpften mit ihren langen Schwertern oder ritten zu Pferde gegeneinander an, die eingelegte Lanze auf den Gegner gerichtet. Auch beobachteten die beiden Knaben hingerissen, wie mit riesigem Aufwand große Seeschlachten nachgespielt wurden. »Außerhalb des Wassers wirken sie viel größer«, sagte Arnau zu Joan und deutete auf die Segelschiffe und Galeeren, die auf Karren durch die Stadt gezogen wurden, während die Matrosen Entermanöver und Kämpfe nachstellten.

Joan warf Arnau einen strafenden Blick zu, als dieser ein paar Münzen beim Kartenspiel oder Würfeln setzte, hatte jedoch nichts dagegen einzuwenden, bei den Wurf- und Kegelspielen mitzumachen, bei denen der junge Student ein erstaunliches Geschick an den Tag legte.

Doch die größte Freude hatte Joan an den vielen Troubadouren, die in die Stadt geströmt waren, um von den großen Heldentaten der Katalanen zu berichten. »Das ist die Chronik Jaimes I.«, erklärte er Arnau, nachdem sie die Geschichte der Eroberung Valencias gehört hatten. »Das ist die Chronik von Bernat Desclot«, erläuterte er, als ein anderer Troubadour mit seiner Geschichte von den Heldentaten König Pedros des Großen bei der Eroberung Siziliens oder dem französischen Feldzug gegen Katalonien geendet hatte.

»Heute müssen wir auf den Pia d'en Llull gehen«, sagte Joan nach der morgendlichen Prozession.

»Warum?«

»Ich habe gehört, dass dort ein Troubadour aus Valencia auftritt, der die Chronik von Ramon Muntaner kennt.« Arnau sah ihn fragend an. »Ramon Muntaner ist ein berühmter Chronist aus El Ampurdán, der die katalanischen Almogavaren bei ihrer Eroberung der Herzogtümer Athen und Neopatria anführte und vor sieben Jahren die Geschichte dieser Kriege niederschrieb. Es ist bestimmt sehr interessant … Zumindest wird sie der Wahrheit entsprechen.«

Der Pia d'en Llull, eine Freifläche zwischen Santa María und dem Kloster Santa Clara, war zum Bersten voll. Die Leute hatten sich auf den Boden gesetzt und plauderten, ohne den Blick von der Stelle zu wenden, wo der valencianische Troubadour erscheinen musste. Ihm ging ein solcher Ruf voraus, dass sogar einige Adlige gekommen waren, um ihn anzuhören. Sie hatten Sklaven dabei, die Stühle für die ganze Familie schleppten.