Aledis zitterte.
Keiner der beiden sprach ein weiteres Wort.
24
Vor etwas über zwei Monaten hatten Maria und Arnau in der Kirche Santa María del Mar geheiratet. Pater Albert hatte sie getraut, und alle Mitglieder der Zunft waren dabei gewesen, außerdem Pere und Mariona sowie Joan, der bereits die Tonsur und die Kutte der Franziskaner trug. Mit der Aussicht auf höheren Lohn, wie er den verheirateten Zunftmitgliedern zustand, entschieden sie sich für ein Haus am Strand und richteten es mit Unterstützung von Marias Familie und der vielen anderen, die dem jungen Paar helfen wollten, ein. Das Haus, die Möbel, das Geschirr, die Wäsche, das Essen – Maria und ihre Mutter kümmerten sich um alles und bestanden darauf, dass Arnau sich ausruhte. In der ersten Nacht gab sich Maria ihrem Mann ohne große Leidenschaft, aber auch ohne Ziererei hin. Als Arnau am nächsten Morgen in aller Frühe aufwachte, war das Frühstück bereits fertig: Eier, Milch, Pökelfleisch und Brot. Nicht anders war es am Mittag und am Abend, auch am nächsten und am übernächsten Tag. Maria hatte stets das Essen für Arnau bereitstehen. Sie zog ihm die Schuhe aus, wusch ihn und versorgte vorsichtig seine Schwielen und Wunden. Tag für Tag fand Arnau alles vor, was sich ein Mann nur wünschen konnte: Essen, Sauberkeit, Zuwendung und den Körper einer jungen, hübschen Frau.
Es regnete in Strömen. Ein Unwetter verdunkelte den Himmel und Blitze zuckten durch die schwarzen Wolken und leuchteten über dem Meer auf. Arnau und Bartolomé standen am Strand. Sie waren durchnässt. Sämtliche Schiffe hatten den gefährlichen Hafen von Barcelona verlassen, um Schutz in Salou zu suchen. Der königliche Steinbruch war geschlossen worden. An diesem Tag hatten die Bastaixos nichts zu tun.
»Wie geht es denn so, mein Junge?«, erkundigte sich Bartolomé bei seinem Schwiegersohn.
»Gut. Sehr gut. Aber …«
»Gibt es ein Problem?«
»Es ist nur … Ich bin es nicht gewöhnt, so gut behandelt zu werden wie von Maria.«
»So haben wir sie erzogen«, erklärte Bartolomé zufrieden.
»Sie ist so …«
»Ich habe dir doch gesagt, dass du die Heirat mit ihr nicht bereuen wirst.« Bartolomé sah Arnau an. »Du wirst dich schon daran gewöhnen. Genieße einfach das Eheleben.«
Unterdessen hatten sie die Calle de las Dames erreicht, ein enges Gässchen, das direkt am Strand endete. Dort spazierten etwa zwei Dutzend Frauen im Regen auf und ab. Es waren Junge und Alte darunter, Hübsche und Hässliche, Gesunde und Kranke, doch alle waren sie arm.
»Siehst du die Frauen dort?«, bemerkte Bartolomé. »Weißt du, worauf sie warten?« Arnau schüttelte den Kopf. »An stürmischen Tagen wie heute, wenn die unverheirateten Kapitäne der Fischerboote ihr ganzes seemännisches Können ausgeschöpft und sich sämtlichen Heiligen und der Muttergottes anvertraut haben und dennoch dem Sturm nicht entkommen sind, bleibt ihnen nur noch ein Mittel. Wenn es so weit ist, schwört der Bootsführer vor Gott und seiner Mannschaft, die erste Frau zu heiraten, deren er ansichtig wird, wenn er an Land geht, sollte es ihm gelingen, sein Fischerboot und seine Männer heil in den Hafen zurückzubringen. Verstehst du, Arnau?« Arnau sah erneut zu den Frauen hinüber, die unruhig die Straße auf und ab gingen, während sie zum Horizont blickten.
»Es ist die Bestimmung der Frauen, zu heiraten und dem Mann zu dienen«, fuhr Bartolomé fort. »So haben wir Maria erzogen, und so haben wir sie dir zur Frau gegeben.«
Die Tage vergingen, und Maria tat weiterhin alles für Arnau, doch der dachte nur an Aledis.
»Diese Steine werden dir noch den Rücken ruinieren«, stellte Maria fest, während sie die wunde Stelle, die Arnau oben am Schulterblatt hatte, mit Salbe einrieb.
Arnau antwortete nicht.
»Heute Abend werde ich mir deine Capçana ansehen. Es kann nicht sein, dass die Steine dir so ins Fleisch schneiden.«
Arnau antwortete nicht. Er war erst in der Abenddämmerung nach Hause gekommen. Maria hatte ihm die Schuhe ausgezogen, ihm ein Glas Wein eingeschenkt und ihn aufgefordert, sich zu setzen, damit sie ihm den Rücken massieren konnte, wie sie es ihre ganze Kindheit hindurch bei ihrer Mutter und ihrem Vater gesehen hatte. Arnau hatte sie gewähren lassen, wie immer. Jetzt hörte er ihr schweigend zu. Diese Verletzung hatte weder mit den Steinen für die Jungfrau Maria zu tun noch mit der Capçana. Maria reinigte und versorgte eine Wunde der Schande, die Kratzspuren einer anderen Frau, der Arnau einfach nicht widerstehen konnte.
»Diese Steine werden euch allen den Rücken ruinieren«, sagte seine Frau noch einmal.
Arnau trank einen Schluck Wein, während er spürte, wie Marias Hände sanft über seinen Rücken strichen.
Seit ihr Mann sie in die Werkstatt gerufen hatte, um ihr die Striemen des Lehrlings zu zeigen, der es gewagt hatte, sie anzusehen, beschränkte sich Aledis darauf, den jungen Burschen aus der Werkstatt heimlich nachzuspionieren. Sie entdeckte, dass diese häufig nachts in den Garten schlichen, wo sie sich mit Frauen trafen, die für ein Schäferstündchen über die Gartenmauer kletterten. Die Jungen verfügten über das Material, das Werkzeug und die nötigen Kenntnisse, um eine Art Häubchen aus feinstem Leder herzustellen, die sie, ordentlich eingefettet, über ihr Glied zogen, bevor sie mit den Frauen schliefen. Es fiel Aledis nicht schwer, sich in die Schlafkammer der Lehrlinge zu schleichen und einige dieser Häubchen an sich zu nehmen. Dass sie ohne Risiko mit Arnau zusammen sein konnte, ließ ihrer Lust völlig freien Lauf.
Aledis behauptete, dank dieser Häubchen könnten sie keine Kinder bekommen. Arnau sah zu, wie sie es über seinen Penis stülpte. War es das Fett, das danach an seinem Glied haftete? War es eine Strafe, weil er sich den Bestimmungen der göttlichen Natur widersetzte? Jedenfalls wurde Maria einfach nicht schwanger. Sie war ein kräftiges, gesundes Mädchen. Woran, wenn nicht an Arnaus Sünde, konnte es liegen, dass sie nicht schwanger wurde? Welchen anderen Grund sollte der Herrgott haben, ihm den ersehnten Sprössling zu versagen? Bartolomé brauchte einen Enkel. Pater Albert und Joan wollten Arnau als Vater sehen. Die ganze Zunft wartete gespannt darauf, dass die jungen Eheleute die freudige Nachricht verkündeten. Die Männer machten ihre Späße mit Arnau, und die Frauen der Bastaixos statteten Maria Besuche ab, um ihr Ratschläge zu geben und von den Freuden des Familienlebens zu erzählen.
Auch Arnau wollte ein Kind.
»Ich will nicht, dass du mir das überziehst«, widersetzte er sich eines Tages, als Aledis ihm wieder einmal auf dem Weg zum Steinbruch auflauerte.
Aledis ließ sich nicht beirren.
»Ich denke nicht daran, dich aufzugeben«, sagte sie. »Eher würde ich den Alten verlassen und dich für mich verlangen. Alle würden erfahren, was zwischen uns war, du würdest in Ungnade fallen. Man würde dich aus der Zunft und vielleicht auch aus der Stadt jagen, und dann hättest du nur noch mich. Nur ich wäre bereit, mit dir zu gehen. Ich kann mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen, wenn ich schon dazu verurteilt bin, bei diesem aufdringlichen, tattrigen Schlappschwanz zu bleiben.«
»Du würdest mein Leben ruinieren? Warum würdest du mir das antun?«
»Weil ich weiß, dass du mich liebst«, erwiderte Aledis mit Bestimmtheit. »Im Grunde würde ich dir nur dabei helfen, einen Schritt zu tun, für den du nicht den Mut aufbringst.«
Im Gebüsch am Hang des Montjuïc versteckt, ließ Arnau sie gewähren. Stimmte das, was sie sagte? Stimmte es, dass er im Grunde seines Herzens mit Aledis leben wollte und seine Frau und alles, was er besaß, zurücklassen würde, um mit ihr durchzubrennen? Was hatte diese Frau nur, das ihn so völlig willenlos machte? Arnau war versucht, ihr die Geschichte von Joans Mutter zu erzählen, ihr zu sagen, dass der Alte sie womöglich lebenslang einsperrte, wenn sie ihr Verhältnis öffentlich machte … Doch stattdessen gab er sich ihr ein weiteres Mal hin.