Nachdem die Galeeren des Königs von Mallorca Anker geworfen hatten, setzten die restlichen Schiffer zur königlichen Galeere über.
»Was ist da los?«, fragte einer der Bastaixos, als er sah, dass die königliche Standarte an Bord blieb und nur ein einziger Adliger das Boot bestieg.
Arnau war schweißgebadet, genau wie seine Zunftbrüder. Alle sahen den Stadtrichter an, der kein Auge von dem Boot wandte, das sich nun dem Ufer näherte.
Nur eine einzige Person verließ das Boot über die schwimmende Brücke: Der Vicomte von Èvol, ein Adliger aus dem Roussillon, prächtig gekleidet und bewaffnet. Statt den Strand zu betreten, blieb er auf den Planken stehen.
Der Stadtrichter ging ihm entgegen. Am Ufer stehend, hörte er sich Èvols Erklärungen an, der immer wieder zum Kloster Framenors und dann zu den Galeeren des Königs von Mallorca deutete. Als das Gespräch beendet war, kehrte der Vicomte auf die königliche Galeere zurück.
Der Stadtrichter verschwand in Richtung Stadt und kehrte nach kurzer Zeit mit Anweisungen von König Pedro zurück.
»König Jaime von Mallorca«, rief er, damit ihn alle hören konnten, »und seine Gemahlin Constanza, Königin von Mallorca, die Schwester unseres geliebten Königs Pedro, werden im Kloster Framenors residieren. Es muss eine feste, hölzerne Brücke mit Seitenwänden und Überdachung von den Galeeren bis zur königlichen Unterkunft gebaut werden.«
Ein Murren erhob sich am Strand, doch der strenge Gesichtsausdruck des Stadtrichters brachte die Leute zum Schweigen. Dann machten sich die meisten Hafenarbeiter auf den Weg zum Kloster Framenors, dessen beeindruckende Silhouette sich über die Küstenlinie erhob.
»Das ist ein Irrsinn«, hörte Arnau einen der Bastaixos sagen.
»Wenn Sturm aufkommt, wird sie nicht standhalten«, prophezeite ein anderer.
»Mit Seitenwänden und Überdachung! Wozu braucht der König von Mallorca eine solche Brücke?«
Arnau sah zum Stadtrichter hinüber. Soeben traf Berenguer de Montagut am Strand ein. Arnau d'Erill sprach mit dem Baumeister, wobei er zum Kloster Framenors hinüberdeutete und dann mit der rechten Hand eine imaginäre Linie von dort aufs Meer hinaus beschrieb.
Arnau, Bastaixos, Hafenschiffer und Schiffszimmerleute, Kalfaterer, Schmiede und Seiler warteten schweigend ab, bis der Stadtrichter mit seinen Erklärungen fertig war und einen grübelnden Baumeister zurückließ.
Auf Befehl des Königs wurden die Bauarbeiten an der Kirche Santa María und an der Kathedrale unterbrochen und alle Arbeiter zur Errichtung der Brücke abgezogen. Unter der Aufsicht von Berenguer de Montagut wurde ein Teil der Gerüste an der Kirche abgeschlagen, und noch am selben Vormittag begannen die Bastaixos damit, das Material zum Kloster Framenors zu transportieren.
»Was für eine Verrücktheit«, sagte Arnau zu Ramon, während sie zu zweit einen schweren Balken trugen. »Da schleppen wir Steine nach Santa María, um die Kirche dann wieder abzubrechen, und das alles wegen der Laune eines …«
»Sei still!«, bat ihn Ramon. »Es ist ein Auftrag des Königs. Er wird schon wissen, warum.«
Die Galeeren des Königs von Mallorca ruderten vor das Konvent Framenors, stets aus nächster Nähe bewacht von den valencianischen Schiffen, und gingen in beträchtlicher Entfernung vor dem Kloster vor Anker. Maurer und Zimmerleute begannen an der dem Meer zugewandten Seite des Gebäudes ein Gerüst zu errichten, eine beeindruckende Holzkonstruktion, die bis zum Ufer hinunterführte, während die Bastaixos und alle, die keinen bestimmten Auftrag hatten, Pfosten und Bretter von Santa María herbeischafften.
Bei Einbruch der Dunkelheit wurden die Arbeiten unterbrochen. Arnau kehrte schimpfend nach Hause zurück.
»Unser König hat noch nie einen solchen Unsinn verlangt. Er gibt sich mit der üblichen Brücke auf Booten zufrieden. Weshalb lässt man einem Verräter eine solche Laune durchgehen?«
Doch als Maria ihm die Schultern massierte, verstummte er und kam auf andere Gedanken.
»Die Verletzungen sind besser geworden«, stellte das Mädchen fest. »Manche schwören ja auf Storchschnabel mit Himbeerblättern, doch wir haben uns immer auf die Hauswurz verlassen. Schon meine Großmutter hat meinen Großvater damit behandelt und meine Mutter meinen Vater …«
Arnau schloss die Augen. Er hatte Aledis seit Tagen nicht gesehen. Das war der einzige Grund für die Besserung.
»Weshalb verkrampfst du dich so?«, schalt ihn Maria und riss ihn aus seinen Gedanken. »Entspann dich. Du musst dich entspannen, damit …«
Er hörte nicht länger zu. Wozu? Sich entspannen, damit sie die Wunden heilen konnte, die ihm eine andere Frau beigebracht hatte? Wenn sie wenigstens wütend würde …
Doch statt ihn anzuschreien, gab sich ihm Maria in dieser Nacht hin. Sie schmiegte sich sanft an ihn und bot ihm zärtlich ihren Körper an. Aledis wusste nicht, was Zärtlichkeit war. Sie war wie eine Wildkatze. Arnau ging mit geschlossenen Augen auf Marias Annäherungen ein. Wie sollte er ihr in die Augen sehen? Das Mädchen streichelte seinen Körper … und führte ihn zu einer Lust, die umso schmerzlicher war, je größer sie wurde.
Im Morgengrauen stand Arnau auf, um zum Kloster Framenors zu gehen. Maria stand schon unten am Herd und richtete das Essen für ihn.
Während der drei Tage, die der Bau der Brücke in Anspruch nahm, verließ kein Höfling des Königs von Mallorca die Galeeren. Auch die Valencianer ließen sich nicht an Land blicken. Als das hölzerne Bauwerk den Strand erreicht hatte, versammelten sich die Hafenschiffer mit ihren Booten, um das Baumaterial zu transportieren. Arnau arbeitete ohne Unterlass. Von den Booten aus schlugen die Arbeiter Pfähle in den Hafengrund, stets beaufsichtigt von Berenguer de Montagut, der, im Bug einer Barke stehend, hin- und herfuhr, um die Stabilität der Pfosten zu prüfen, bevor sie belastet wurden.
Am dritten Tag war dort, wo man sonst freie Sicht auf den Hafen hatte, eine Brücke, über fünfzig Meter lang und mit Holz gedeckt. Die königliche Galeere näherte sich, und nach einer Weile hörten Arnau und alle, die an ihrem Bau mitgewirkt hatten, die Schritte des Königs und seines Gefolges auf den Holzplanken. Viele reckten die Köpfe.
In Framenors angekommen, sandte Jaime einen Boten zu König Pedro, um diesem mitzuteilen, dass er und Königin Constanza aufgrund der stürmischen Überfahrt erkrankt seien und seine Schwester ihn bitte, zum Kloster zu kommen, um sie dort zu besuchen. Der König wollte eben aufbrechen, um Constanzas Bitte zu entsprechen, als Infant Don Pedro in Begleitung eines jungen Franziskanermönchs bei ihm vorstellig wurde.
»Sprich, Mönch«, befahl der Monarch, sichtlich verärgert, dass er den Besuch bei seiner Schwester aufschieben musste.
Joan zog den Kopf ein, damit nicht auffiel, dass er den König um Haupteslänge überragte. »Er ist von kleiner Statur«, hatte man Joan gesagt, »und zeigt sich seinen Höflingen nie stehend.« Doch diesmal stand er und sah Joan direkt in die Augen, als wollte er ihn mit Blicken durchbohren.
Joan stammelte.
»Sprich schon«, drängte ihn Infant Don Jaime, der ebenfalls anwesend war.
Joan brach der Schweiß aus. Er stellte fest, dass die grobe Kutte an seinem Körper klebte. Und wenn die Nachricht nicht der Wahrheit entsprach? Der Gedanke kam ihm zum ersten Mal. Er hatte seine Informationen von einem alten Mönch, der mit dem König von Mallorca von Bord gegangen war, und hatte keine Sekunde gezögert. Auf der Stelle war er zum Königspalast gerannt, hatte sich mit der Wache herumgestritten, weil er sich weigerte, mit einem anderen zu sprechen als dem König. Beim Erscheinen des Infanten Don Pedro hatte er dessen Drängen nachgegeben, doch nun … Und wenn es nicht stimmte? Wenn es nur eine weitere List des Herrn von Mallorca war?
»Nun sprich schon, Herrgott!«, brüllte ihn der König an.