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Fast ohne Luft zu holen brachte er seine Botschaft vor.

»Majestät, Ihr solltet Eure Schwester Königin Constanza nicht besuchen. Es ist eine List König Jaimes von Mallorca. Der Mann, der die Tür zu ihren Gemächern bewacht, hat Befehl, unter dem Vorwand, die Königin befinde sich krank und schwach, niemand anderen vorzulassen als Euch und die Infanten Don Pedro und Don Jaime. Niemand sonst wird Zutritt zu den Gemächern Eurer Schwester erhalten. Drinnen erwartet Euch ein Dutzend bewaffneter Männer, die Euch festsetzen und über die Brücke zu der Galeere schaffen sollen. Dann wird man Euch nach Mallorca bringen, auf die Burg Alaró, um euch dort gefangen zu halten, bis Ihr König Jaime von jeglicher Gefolgschaft freisprecht und ihm weitere Besitzungen in Katalonien überlasst.«

Es war heraus. Er hatte es geschafft.

Mit zusammengekniffenen Augen fragte der König: »Und woher weiß ein junger Mönch wie du das alles?«

»Bruder Berenguer hat es mir erzählt, ein Verwandter Eurer Majestät.«

»Bruder Berenguer?«

Der Infant, Don Pedro, nickte stumm, und plötzlich schien sich der König an seinen Verwandten zu erinnern.

»Bruder Berenguer«, fuhr Joan fort, »wurde von einem reuigen Verräter bei der Beichte gebeten, Euch diese Warnung zuzutragen. Doch da er bereits betagt ist und nicht mehr gut auf den Beinen, hat er mir diese Aufgabe anvertraut.«

»Deshalb also die geschlossene Brücke«, sagte Don Jaime. »Niemand hätte etwas von der Entführung bemerkt, wenn sie uns in Framenors festgesetzt hätten.«

»Es wäre ein Leichtes gewesen«, bestätigte Don Pedro nickend.

»Ich kann meiner kranken Schwester den Besuch nicht verweigern, wenn sie sich in meinem Königreich aufhält«, sagte der König, an die Infanten gerichtet. Joan hörte zu, wagte es jedoch nicht, jemanden anzusehen. Der König schwieg einen Augenblick. »Ich werde meinen Besuch am heutigen Abend verschieben, aber … Hörst du mir zu, Mönch?« Joan zuckte zusammen. »Dieser reuige Sünder muss uns erlauben, den Verrat öffentlich zu machen. Solange die Sache dem Beichtgeheimnis unterliegt, werde ich die Königin aufsuchen müssen. Jetzt geh«, befahl er ihm.

Joan lief nach Framenors zurück und trug Bruder Berenguer das königliche Ansinnen vor. Der König erschien nicht zu dem Treffen. Zu seiner Beruhigung – ein Umstand, den Pedro als Zeichen der göttlichen Vorsehung verstand – wurde eine Entzündung in seinem Gesicht entdeckt, gleich neben dem Auge, die aufgeschnitten werden musste und ihn zwang, mehrere Tage das Bett zu hüten, lange genug, damit Bruder Berenguer von seinem Beichtling die von König Pedro geforderte Erlaubnis erwirken konnte.

Diesmal zweifelte Joan nicht an der Richtigkeit der Botschaft.

»Bei Bruder Berenguers reuigem Sünder handelt es sich um Eure eigene Schwester«, teilte er dem König mit, als er zu ihm geführt wurde. »Königin Constanza bittet Euch, sie in Euren Palast bringen zu lassen, ob nun aus freien Stücken oder unter Zwang. Dort, fernab der Macht ihres Gemahls und unter Eurem Schutz, wird sie Euch den Verrat in allen Details schildern.«

Infant Don Jaime erschien mit einer Abteilung Soldaten in Framenors, um Constanzas Wünschen zu entsprechen. Die Mönche ließen ihn passieren und Infant und Soldaten traten direkt vor den mallorquinischen König. Seine Beschwerden nutzten nichts: Constanza wurde zum königlichen Palast gebracht.

Auch sein folgender Besuch bei seinem Schwager nutzte dem König von Mallorca wenig.

»Wegen des Wortes, das ich dem Papst gegeben habe«, beschied ihm König Pedro, »werde ich Euer freies Geleit achten. Eure Gemahlin wird hier unter meinem Schutz bleiben. Und Ihr verlasst mein Reich.«

Nachdem Jaime von Mallorca mit seinen vier Galeeren in See gestochen war, trug der König dem Stadtrichter Arnau d'Erill auf, den Prozess gegen seinen Schwager zu beschleunigen. Wenig später sprach der Stadtrichter das Urteil, demzufolge die Besitzungen des untreuen Vasallen an König Pedro fielen. Damit hatte dieser einen Vorwand, dem König von Mallorca den Krieg zu erklären.

Der König frohlockte angesichts der Möglichkeit, die Reiche wieder zu vereinen, die sein Ahnherr Jaime der Eroberer aufgeteilt hatte. Er ließ den jungen Mönch zu sich rufen, der die Verschwörung aufgedeckt hatte.

»Du hast Uns gute und treue Dienste geleistet«, beschied ihm der König, der diesmal auf seinem Thron saß. »Dafür hast du einen Wunsch frei.«

Joan wusste bereits von der Absicht des Königs, denn seine Boten hatten es ihm mitgeteilt. Er überlegte genau. Auf Anraten seiner Lehrer war er dem Franziskanerorden beigetreten, doch im Kloster Framenors eingetroffen, wurde der Junge bitter enttäuscht: Wo waren die Bücher? Wo das Wissen? Die Arbeit und das Studium? Als er sich schließlich an den Prior von Framenors wandte, erinnerte ihn dieser geduldig an die drei Grundregeln des Ordensgründers Franz von Assisi: »Einfachheit, Armut und Bescheidenheit. So sollen wir Franziskaner leben.«

Doch Joan wollte wissen, studieren, lesen, lernen. Hatten seine Lehrer ihm nicht versichert, auch dies sei ein Weg des Herrn? Joan betrachtete jeden Dominikanermönch, dem er begegnete, mit Neid. Der Dominikanerorden widmete sich hauptsächlich dem Studium der Philosophie und Theologie und hatte vielerorts Universitäten gegründet. Joan wollte dem Dominikanerorden angehören und seine Studien an der renommierten Universität von Bologna fortsetzen.

»So soll es geschehen«, sprach der König, nachdem er Joan angehört hatte. Der junge Mönch bekam eine Gänsehaut. »Wir hoffen, dass du eines Tages in Unser Reich zurückkehrst, um die moralische Autorität, welche Kenntnis und Wissen verleihen, zum Wohle deines Königs und seines Volkes auszuüben.«

26

Mai 1343

Santa María del Mar

Barcelona

Fast zwei Jahre waren vergangen, seit der Stadtrichter von Barcelona das Urteil über Jaime III. König von Mallorca, gesprochen hatte. Die Glocken der ganzen Stadt läuteten ohne Unterlass. In der Kirche Santa María, deren Mauern noch offen waren, hörte Arnau ihr Läuten mit Beklemmung. Der König hatte zum Krieg gegen Mallorca aufgerufen und die Stadt hatte sich mit Adligen und Soldaten gefüllt. Von seinem Platz vor der Sakramentskapelle sah Arnau sie in der Menschenmenge stehen, die sich in der Kirche und auf dem Vorplatz drängte. In sämtlichen Kirchen Barcelonas wurde die Messe für das katalanische Heer gelesen.

Arnau war müde. Der König hatte seine Flotte in Barcelona zusammengezogen und die Bastaixos arbeiteten seit Tagen ohne Unterlass. Hundertsiebzehn Schiffe! Noch nie hatte man so viele Schiffe auf einmal gesehen: zweiundzwanzig große Kriegsgaleeren, sieben bauchige Koggen für den Transport der Pferde sowie acht große Segelschiffe mit zwei oder drei Decks für den Transport der Soldaten. Der Rest waren mittelgroße und kleine Schiffe. Das Meer war mit Masten übersät und die Schiffe fuhren im Hafen ein und aus.

Bestimmt war es eine dieser nun bewaffneten Galeeren gewesen, auf der Joan vor mehr als einem Jahr im schwarzen Habit der Dominikaner nach Bologna aufgebrochen war. Arnau hatte ihn bis zum Ufer begleitet. Joan war in ein Boot gesprungen, hatte sich mit dem Rücken zum Meer auf die Ruderbank gesetzt und ihm zugelächelt. Arnau sah ihn an Bord der Galeere gehen, und als die Ruderer sich in die Riemen legten, merkte er, wie ihm das Herz schwer wurde und Tränen über seine Wangen rollten. Er war allein.

Und daran hatte sich nichts geändert. Arnau blickte sich um. Noch immer läuteten sämtliche Kirchenglocken der Stadt. Adel, Klerus, Soldaten, Händler, Handwerker und das einfache Volk drängten sich in der Kirche Santa María. Seine Zunftbrüder standen fest an seiner Seite, und doch fühlte er sich alleine. Seine Träume, sein ganzes Leben waren vergangen wie die alte romanische Kirche, die dem neuen Gotteshaus Platz gemacht hatte. Sie war verschwunden. Nichts deutete mehr auf den kleinen Bau hin. Von dort, wo er stand, konnte er das gewaltige, breite Mittelschiff sehen, eingerahmt von den Oktogonalpfeilern, auf denen später die Gewölbe ruhen würden. Jenseits der Pfeiler wuchsen die Außenmauern der Kirche Stein für Stein geduldig in den Himmel.