Als sie eben den Strand verließen, erschienen die ersten Pferde am Zügel ihrer Stallburschen. Es waren riesige Streitrösser, die ausschlugen, unruhig tänzelten und die Zähne bleckten, während ihre Pfleger alle Mühe hatten, sie im Zaum zu halten.
»Sie wissen, dass es in den Krieg geht«, bemerkte Ramon, während sie zwischen den am Strand liegenden Booten Schutz suchten.
»Sie wissen es?«
»Natürlich. Immer wenn sie an Bord eines Schiffes gebracht werden, geht es in den Krieg. Sieh nur.« Arnau blickte zum Meer. Vier bauchige Koggen, die nur geringen Tiefgang hatten, kamen so nahe wie möglich ans Ufer und öffneten die Rampen am Achterdeck. Diese schlugen auf dem Wasser auf und gaben den Blick ins Innere der Schiffe frei. »Und die, die es nicht wissen«, fuhr Ramon fort, »lassen sich von den Übrigen anstecken.«
Bald war der Strand voller Pferde, Hunderte großer, stämmiger, für den Kampf ausgebildete Schlachtrösser. Die Stallburschen und Knappen rannten hin und her, während sie versuchten, den Tritten und Bissen der Tiere zu entgehen. Arnau sah mehr als einen durch die Luft fliegen, nachdem er getreten oder gebissen worden war. Es herrschte heilloses Durcheinander und ein ohrenbetäubender Lärm.
»Worauf warten sie?«, schrie Arnau.
Ramon wies erneut auf die Koggen. Mehrere Knappen wateten mit einigen Pferden durch das brusttiefe Wasser.
»Das sind die erfahrensten Tiere. Wenn sie erst einmal drin sind, laufen ihnen die anderen hinterher.«
Und so war es. Als die Pferde das Ende der Rampen erreichten, drehten die Knappen sie in Richtung Strand, und die Tiere begannen laut zu wiehern.
Das war das Signal.
Die Herde stürzte sich in die Fluten. Das Wasser schäumte und für einen Moment war nichts mehr zu erkennen. Hinter und neben den Tieren liefen einige Pferdeknechte, um die Herde einzukesseln und unter Peitschenknallen zu den Koggen zu treiben. Die Burschen hatten die Zügel ihrer Pferde verloren und die meisten Tiere preschten zügellos durchs Wasser, während sie sich gegenseitig anstießen. Es herrschte ein völliges Chaos: Schreie und Peitschenknallen, wiehernde Pferde, die verzweifelt versuchten, die Koggen zu erklimmen, während die Leute sie vom Strand aus anfeuerten. Dann herrschte wieder Stille im Hafen. Als die Pferde auf den Koggen verladen waren, wurden die Rampen hochgezogen, und die bauchigen Schiffe waren seeklar.
Die Galeere von Admiral Pere de Monteada gab das Zeichen zum Aufbruch und die hundertsiebzehn Schiffe setzten sich in Bewegung. Arnau und Ramon gingen wieder zum Wasser hinunter.
»Da fahren sie dahin«, bemerkte Ramon, »um Mallorca zu erobern.«
Arnau nickte wortlos. Ja, da fuhren sie dahin. Ließen ihre Sorgen und Nöte hinter sich. Als Helden verabschiedet, in Gedanken beim Kampf, nur beim Kampf. Was hätte er darum gegeben, an Bord einer dieser Galeeren zu sein!
Am 21. Juni desselben Jahres hörte Pedro III. die Messe in der Kathedrale von Mallorca in sede majestatis , ausgestattet mit den Gewändern, den Insignien und der Krone des Königs von Mallorca. Jaime III. war in seine Besitzungen im Roussillon geflohen.
Die Nachricht erreichte Barcelona und verbreitete sich von dort über die gesamte spanische Halbinsel. König Pedro hatte den ersten Schritt getan, um die nach dem Tode Jaimes I. geteilten Reiche wieder zu vereinen, wie er es versprochen hatte. Nun musste er nur noch die Grafschaft Sardinien und die katalanischen Gebiete jenseits der Pyrenäen erobern: das Roussillon.
Während des langen Monats, den der Feldzug nach Mallorca dauerte, konnte Arnau das Bild nicht vergessen, wie die königliche Flotte aus dem Hafen von Barcelona ausgelaufen war. Als die Schiffe sich entfernten, hatten sich die Leute zerstreut und waren nach Hause gegangen. Wozu sollte er nach Hause gehen? Um in den Genuss einer Liebe und Zärtlichkeit zu kommen, die er nicht verdiente? Er setzte sich in den Sand, und dort saß er immer noch, als das letzte Segel schon längst am Horizont verschwunden war. »Diese Glücklichen! Sie können ihre Probleme zurücklassen«, sagte er sich. Den ganzen Monat hindurch hörte Arnau immer wieder die Rufe und das Gelächter der Almogavaren und sah die Flotte davonsegeln, wenn Aledis ihn auf dem Weg zum Montjuïc abfing oder er danach Marias Fürsorge über sich ergehen lassen musste. Eines Tages würden sie ihn ertappen. Vor Kurzem hatte jemand vom Weg aus gerufen, als Aledis über ihm stöhnte. Hatte man sie gehört? Die beiden hatten eine Weile mucksmäuschenstill verharrt. Dann hatte Aledis gelacht und sich wieder auf ihn gestürzt. Wenn man ihn erwischte … Der Spott, der Ausschluss aus der Zunft. Was sollte er dann tun? Wovon sollte er leben?
Als am 29. Juni 1343 ganz Barcelona zusammenströmte, um die königliche Flotte zu empfangen, die sich an der Mündung des Flusses Llobregat gesammelt hatte, stand Arnaus Entschluss fest. Der König würde das Roussillon und Sardinien erobern, und er, Arnau Estanyol, würde ein Teil seines Heeres sein. Er musste vor Aledis fliehen! Vielleicht würde sie ihn auf diese Weise vergessen, und wenn er zurückkehrte … Wenn er zurückkehrte … Ein Schauder durchfuhr ihn. Das war der Krieg, da starben Männer. Aber falls er zurückkam, konnte er vielleicht ein neues Leben mit Maria anfangen, ohne von Aledis verfolgt zu werden.
Auf Anweisung Pedros III. liefen die Schiffe einzeln und in hierarchischer Reihenfolge in den Hafen von Barcelona ein: zuerst die königliche Galeere, gefolgt von jener des Infanten Don Pedro, dann diejenige von Pater Pere de Montacada, die des Herrn de Eixèrica und so weiter.
Während die Flotte draußen wartete, lief die königliche Galeere langsam in den Hafen ein, damit alle, die sich am Strand von Barcelona eingefunden hatten, sie bewundern und ihr zujubeln konnten.
Arnau hörte die begeisterten Rufe des Volkes, als das Schiff an ihnen vorüberkam. Bastaixos und Hafenschiffer standen am Ufer bereit, um die schwimmende Brücke zu errichten, über die der König von Bord gehen sollte. Neben ihnen standen, gleichfalls wartend, die Ratsherren Francesc Grony, Bernat Santcliment und Galcerà Carbó, flankiert von den Gildemeistern der Zünfte. Die Hafenschiffer begannen ihre Boote aufzustellen, doch die Ratsherren befahlen ihnen zu warten.
Was war los? Arnau sah die übrigen Bastaixos an. Wie sollte der König an Land gehen, wenn nicht über eine Brücke?
»Er darf nicht an Land gehen«, hörte er Francesc Grony zu Bernat Santcliment sagen. »Das Heer muss unverzüglich nach Roussillon aufbrechen, bevor König Jaime sein Heer neu formiert oder mit den Franzosen paktiert.«
Alle Anwesenden pflichteten ihm bei. Arnau blickte zu der königlichen Galeere hinüber, die ihren Triumphzug in den Gewässern der Stadt fortsetzte. Wenn der König nicht an Land ging und die Flotte nach Roussillon weiterfuhr, ohne in Barcelona zu bleiben … Er hatte weiche Knie. Der König musste einfach an Land gehen!
Auch der Graf von Terranova, der Ratgeber des Königs, der zum Schutz der Stadt in Barcelona geblieben war, unterstützte die Idee, auf der Stelle wieder auszulaufen. Arnau sah ihn wütend an.
Die drei Ratsherren, der Graf von Terranova und einige weitere einflussreiche Männer bestiegen ein Boot, das sie zur königlichen Galeere brachte. Arnau hörte, dass auch seine Zunftbrüder die Idee begrüßten: »Er darf nicht zulassen, dass sich der Mallorquiner wieder bewaffnet«, pflichteten sie bei.
Die Gespräche zogen sich über Stunden. Die Leute standen am Strand und harrten der Entscheidung des Königs.
Schließlich wurde die Brücke nicht errichtet, aber nicht, weil die Flotte zur Eroberung des Roussillons oder Sardiniens aufbrach. Der König entschied, dass er den Feldzug unter den gegebenen Umständen nicht fortsetzen konnte. Ihm fehlte das Geld, um den Krieg weiterzuführen, ein Großteil seiner Reiter hatte bei der Überfahrt die Pferde verloren und war von Bord gegangen, und schließlich musste er sich für die Eroberung dieser neuen Gebiete rüsten. Trotz der Bitten der Stadtväter, ihnen einige Tage Zeit zu geben, um die Feiern anlässlich der Eroberung Mallorcas vorzubereiten, weigerte sich der König und erklärte, dass es keine Feierlichkeit geben würde, bis seine Reiche wieder vollständig vereint seien. Deshalb ging König Pedro III. an jenem 29. Juni 1343 wie ein gewöhnlicher Matrose von Bord, indem er vom Boot ins Wasser sprang.