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Aledis betrachtete den Fluss und sah dann den Fährmann, der träge am Ufer auf Kundschaft wartete. Der Mann lächelte mit aufgesetzter Freundlichkeit und entblößte dabei seine schwarzen Zähne. Wenn Aledis ihre Reise fortsetzen wollte, blieb ihr nichts anderes übrig, als die Dienste dieses Fährmanns mit den schwarzen Zähnen in Anspruch zu nehmen. Sie versuchte, ihren Ausschnitt zu verdecken, indem sie an den über Kreuz geschnürten Bändern zog, was ihr jedoch nicht gelang, weil sie ihr Bündel festhalten musste. Sie ging langsamer. Man hatte ihr immer gesagt, wie anmutig sie sich bewegte, und sie hatte es immer genossen, angesehen zu werden. Doch die Blicke dieses vor Schmutz starrenden Fährmanns waren ihr unerträglich. »Gütiger Gott, was für ein furchtbarer Kerl!«, dachte Aledis.

»Ich möchte den Fluss überqueren«, sagte sie zu ihm.

Der Fährmann hob den Blick von ihren Brüsten und sah ihr in die großen, braunen Augen.

»So«, lautete seine knappe Antwort. Dann starrte er wieder unverhohlen auf ihre Brüste.

»Hast du gehört?«

»So«, wiederholte er, ohne auch nur aufzusehen.

Das Rauschen des Flusses lag über der stillen Landschaft. Aledis glaubte förmlich, die Blicke des Fährmanns auf ihren Brüsten zu spüren. Ihr Atem ging schneller, und ihre Brüste hoben und senkten sich noch mehr, während seine blutunterlaufenen Augen jeden Winkel ihres Körpers begafften.

Aledis war allein irgendwo im katalanischen Hinterland, am Ufer eines Flusses, von dem sie noch nie gehört hatte und den sie bereits mit den Händlern aus Ripollet überquert zu haben glaubte, und vor ihr stand ein abstoßender, kräftiger Mann, der sie lüstern ansah. Aledis blickte sich um. Es war keine Menschenseele zu sehen. Einige Meter zu ihrer Linken, ein wenig vom Ufer entfernt, stand eine aus groben Brettern zusammengezimmerte Hütte, die genauso heruntergekommen und schmutzig war wie ihr Besitzer. Vor der Hüttentür, zwischen Unrat und Abfällen, hing über einem Feuer ein Topf an einem eisernen Dreifuß. Aledis wollte sich nicht einmal vorstellen, was in diesem Topf schmurgelte.

»Ich muss das Heer des Königs einholen«, stotterte sie.

»So«, entgegnete der Fährmann erneut.

»Mein Mann ist Offizier des Königs«, log sie, während sie die Stimme erhob, »und ich muss ihm unbedingt mitteilen, dass ich schwanger bin, bevor er in die Schlacht zieht.«

»So«, antwortete er und entblößte erneut seine schwarzen Zähne.

Ein dünner Speichelfaden rann ihm aus dem Mundwinkel. Der Fährmann wischte ihn mit dem Hemdsärmel weg.

»Kannst du nicht mal etwas anderes sagen?«

»Doch«, erwiderte der Mann und kniff die Augen zusammen. »Die Offiziere des Königs sterben für gewöhnlich bald in der Schlacht.«

Aledis sah es nicht kommen. Der Fährmann griff nach dem Mädchen, und bei dem Versuch, sich zu befreien, strauchelte Aledis, bevor sie vor die schmutzigen Füße des Angreifers fiel.

Der Mann bückte sich, packte sie an den Haaren und begann sie zu der Hütte zu schleifen. Aledis grub ihre Fingernägel tief in die Hand des Mannes, doch der zerrte sie unbeirrt weiter. Sie versuchte, sich aufzurichten, stolperte ein paar Mal und fiel hin, rappelte sich aber wieder auf und umklammerte auf allen vieren die Beine ihres Peinigers, um ihn aufzuhalten. Der Fährmann riss sich los und trat ihr mit dem Fuß in den Magen.

Als sie in der Hütte wieder zu sich kam, spürte Aledis, wie unter den Stößen des Fährmanns Erde und Lehm ihren Körper aufscheuerten.

Solange König Pedro auf das Eintreffen der einzelnen Bürgerheere und Truppen des Prinzipats sowie die nötigen Lebensmittel wartete, richtete er sein Hauptquartier in einer Herberge in Figueras ein, einer Stadt mit Sitz in den Cortes und unweit der Grenze zur Grafschaft Roussillon gelegen. Infant Don Pedro und seine Ritter schlugen ihr Lager in Perelada auf, und Infant Don Jaime sowie die übrigen Adligen verteilten sich mit ihren Truppen im Umland von Figueras.

Arnau Estanyol gehörte den königlichen Truppen an. Mit seinen zweiundzwanzig Jahren war das alles neu für ihn. Das königliche Feldlager, in dem mehr als zweitausend Männer zusammenlebten, befand sich noch im Freudentaumel wegen des Sieges auf Mallorca und war begierig auf Krieg, Kampf und Beute. Hier herrschte das genaue Gegenteil des geordneten Lebens, das er aus Barcelona kannte. Wenn die Truppe nicht exerzierte oder Waffenübungen machte, drehte sich das Lagerleben um Wetten, gesellige Runden, bei denen die stolzen Veteranen den Neulingen furchtbare Kriegsgeschichten erzählten, und natürlich um Diebstahl und Schlägereien.

Arnau streifte häufig mit drei jungen Burschen aus Barcelona durchs Lager, die ebenso unerfahren in der Kriegskunst waren wie er selbst. Sie bestaunten die Pferde und die Rüstungen, die vor den Zelten unaufhörlich von den Dienern poliert wurden. Es war eine Art Wettstreit, bei dem die Waffen und Ausrüstungen gewannen, die am meisten glänzten. Doch ebenso sehr, wie ihn die Pferde und Waffen zum Staunen brachten, litt er unter dem Schmutz, dem Gestank und den Myriaden von Insekten, die durch die Exkremente von Mensch und Tier angezogen wurden. Die königlichen Offiziere ließen Latrinen in Form von langen, tiefen Gräben anlegen, die möglichst weit vom Feldlager entfernt waren und ganz in der Nähe eines Bachlaufs lagen, in den sie die Ausscheidungen der Soldaten leiten wollten. Doch der Bach war nahezu ausgetrocknet, und die stinkende Brühe faulte und verströmte einen widerlichen, unerträglichen Gestank.

Eines Morgens, als Arnau und seine drei neuen Gefährten zwischen den Zelten umherliefen, sahen sie einen Reiter herannahen, der von seinen Waffenübungen zurückkam. Das Pferd, das in den Stall zurückwollte, um sein wohlverdientes Futter zu bekommen und die schwere Panzerung loszuwerden, die Brust und Flanken bedeckte, tänzelte unruhig mit den Hufen, während der Reiter versuchte, zu seinem Zelt zu gelangen, ohne Schaden anzurichten. In den engen Gassen zwischen den Zelten wich er den Soldaten aus und machte einen Bogen um die Dinge, die sich dort stapelten. Doch als das kräftige, lebhafte Tier nicht gegen die grausame Kandare in seinem Maul ankam, vollführte es in seinem Vorwärtsdrang einen spektakulären Tanz, während von seinen Flanken weißer Schaum auf die Vorbeigehenden stiebte.

Arnau und seine Begleiter versuchten dem Reiter so gut wie möglich auszuweichen, doch unglücklicherweise drehte sich das Tier genau in diesem Augenblick unvermutet auf der Kruppe herum und stieß Jaume, den Kleinsten der vier, zu Boden. Dem Jungen war nichts geschehen. Der Reiter blickte nicht einmal zurück und ritt weiter zu einem nahen Zelt. Doch der kleine Jaume war ausgerechnet dorthin gefallen, wo einige alte Haudegen ihren Sold beim Würfelspiel riskierten. Einer von ihnen hatte eben eine Summe verloren, die dem entsprach, was er vielleicht bei allen noch kommenden Feldzügen König Pedros verdienen konnte. Der Ärger ließ nicht lange auf sich warten. Der glücklose Spieler erhob sich zu voller Größe, um die Wut auf seine Mitspieler an Jaume auszulassen. Er war ein vierschrötiger Mann mit langem, schmutzigem Haar und Bart. Nachdem er stundenlang nur verloren hatte, hätte sein grimmiger Gesichtsausdruck selbst den mutigsten Feind eingeschüchtert.

Der Soldat packte den Zudringling und hob ihn hoch, sodass er ihm in die Augen sehen konnte. Jaume hatte nicht einmal Zeit zu begreifen, wie ihm geschah. Er befand sich in den Fängen eines Wüterichs, der ihn anbrüllte und schüttelte und ihm schließlich, ohne ihn loszulassen, einen solchen Schlag ins Gesicht verpasste, dass ihm ein dünner Blutfaden aus dem Mundwinkel rann.

Arnau sah, wie Jaume in der Luft strampelte.

»Lass ihn los, du Dreckskerl!« Er war selbst von seinen Worten überrascht.

Die Leute rings um Arnau und den Haudegen gingen auf Abstand. Jaume, der, gleichfalls überrascht, zu strampeln aufgehört hatte, fiel auf den Hosenboden, als der Mann ihn losließ, um sich demjenigen zuzuwenden, der es gewagt hatte, ihn zu beleidigen. Plötzlich war Arnau von zahlreichen Schaulustigen umringt, die herbeigeströmt kamen, um sich das Schauspiel anzusehen. Er und ein wutschnaubender Soldat. Wenn er ihn wenigstens nicht beleidigt hatte … Weshalb nur hatte er ihn einen Dreckskerl genannt?