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»Nein, das wusste ich nicht… oder doch… ich hörte irgendwann mal, dass Mademoiselle Blanche sich über Miss Springer beklagte. Allerdings ist sie so leicht beleidigt, dass das niemand sehr ernst nimmt. Auch über die Zeichenlehrerin soll sie sich neulich beschwert haben. Vielleicht hat sie zu viel freie Zeit. Sie gibt nur Französisch.« Ann Shapland zögerte, bevor sie hinzufügte: »Ich halte sie für ziemlich neugierig.«

»Glauben Sie, dass sie in den Schließfächern herumgestöbert hat?«

»Möglich wär’s, dass sie sich damit die Zeit vertreiben wollte«, erwiderte Ann.

»Hatte Miss Springer selbst ebenfalls ein Schließfach?«

»Ja, natürlich.«

»Wenn Miss Springer Mademoiselle Blanche dabei ertappt hätte, wie diese in ihrem eigenen Fach herumkramte, wäre sie natürlich mit Recht ärgerlich gewesen.«

»Allerdings.«

»Ist Ihnen etwas über Miss Springers Privatleben bekannt?«

»Ich glaube nicht, dass irgendjemand darüber Bescheid weiß. Ich frage mich, ob sie überhaupt eins hatte.«

»Haben Sie mir sonst nichts zu sagen? Irgendetwas, das mit der Turnhalle in Verbindung stehen könnte?«

Ann zögerte.

»Ich weiß nicht, ob das von Bedeutung ist«, sagte sie schließlich. »Neulich sah ich den jungen Gärtner aus der Turnhalle kommen, und der hatte dort bestimmt nichts zu suchen. Wahrscheinlich wollte er sich nur vor der Arbeit drücken – er war gerade damit beschäftigt, den Drahtzaun bei den Tennisplätzen zu reparieren. Aber das ist wohl ganz unwichtig.«

»Immerhin haben Sie sich daran erinnert«, meinte Kelsey. »Warum wohl?«

»Vielleicht nur deshalb, weil er eine so trotzige Miene zur Schau trug«, erwiderte Ann stirnrunzelnd. »Außerdem bemerkte er in verächtlichem Ton, dass für die verwöhnten Schülerinnen hier wohl ein Haufen Geld ausgegeben werde.«

»Ach so«, meinte Kelsey, »diese Einstellung… ich verstehe.«

Ann nickte. »Aber bestimmt ist das alles völlig belanglos«, schloss sie.

»Höchstwahrscheinlich. Immerhin werde ich mir eine Notiz machen.«

»Ringel-, Ringelreihen. Immer im Kreis herum«, seufzte Sergeant Bond, als Ann Shapland gegangen war. »Hoffentlich erfahren wir wenigstens von den Dienstboten etwas Neues.«

Aber auch die Dienstboten hatten wenig zu berichten.

»Mich brauchen Sie gar nicht erst zu fragen, junger Mann«, sagte Mrs Gibbons, die Köchin. »Erstens kann ich Sie sowieso nicht verstehen, denn ich bin schwerhörig, und zweitens weiß ich von nichts. Ich habe gestern Nacht besonders fest geschlafen, und von der ganzen Aufregung hab ich nichts gemerkt. Hat sich auch keiner die Mühe genommen, mich zu wecken und mir Bescheid zu sagen«, fügte sie gekränkt hinzu. »Ich hab’s erst heute Früh erfahren.«

Kelsey brüllte ihr einige Fragen ins Ohr und bekam einige nichts sagende Antworten.

Dann wurde sie entlassen.

Die meisten Hausangestellten waren nur tagsüber in Meadowbank. Das einzige Dienstmädchen, das im Haus lebte, wusste ebenso wenig auszusagen wie die Köchin, obwohl sie wenigstens imstande war, die Fragen zu verstehen. Sie wusste nichts, niemand hatte ihr etwas gesagt; Miss Springer sei eine unfreundliche Person gewesen; die Turnhalle habe sie niemals betreten und einen Revolver noch nie im Leben gesehen.

Dieses ergebnislose Verhör wurde durch das Erscheinen vor Miss Bulstrode unterbrochen.

»Eine meiner Schülerinnen wünscht mit Ihnen zu sprechen, Kommissar«, sagte sie.

»Wirklich? Weiß sie etwas?«, fragte Kelsey interessiert.

»Das möchte ich bezweifeln«, erklärte Miss Bulstrode. »Aber das wird sich ja gleich herausstellen. Es handelt sich um eine Ausländerin, um Prinzessin Shanda, die Nichte des Emirs Ibrahim. Sie neigt dazu, sich etwas wichtig zu nehmen.«

Kelsey nickte verständnisvoll. Miss Bulstrode verließ das Zimmer, und ein zartes, mittelgroßes, dunkelhaariges Mädchen trat ein.

»Sind Sie die Polizei?«, fragte sie mit einem schüchternen Aufschlag ihrer mandelförmigen Augen.

»Ja, wir sind die Polizei«, erwiderte Kelsey lächelnd. »Bitte nehmen Sie doch Platz, und erzählen Sie uns, was Sie von Miss Springer wissen.«

»Ja, ich werde alles erzählen.«

Sie setzte sich, beugte sich vor und sagte in dramatischem Flüsterton: »Diese Schule wird bewacht, und zwar von Leuten, die sich nicht zeigen – aber sie sind da!«

Sie nickte bedeutungsvoll.

Kommissar Kelsey begann zu verstehen, was Miss Bulstrode gemeint hatte. Dieses junge Mädchen liebte es, sich in Szene zu setzen. »Warum sollte diese Schule bewacht werden?«

»Meinetwegen! Sie wollten mich entführen.«

Das hatte Kelsey allerdings nicht erwartet. Er fragte erstaunt: »Zu welchem Zweck?«

»Um meine Familie zu erpressen, um viel Lösegeld zu bekommen«, erwiderte Shanda prompt.

»Das wäre vielleicht nicht ganz unmöglich«, gab Kelsey zögernd zu. »Aber was hat das mit Miss Springers Tod zu tun?«

»Sie muss etwas herausgefunden haben«, sagte Shanda. »Vielleicht hat sie mit ihnen gesprochen, vielleicht hat sie ihnen gedroht. Oder sie haben ihr Geld versprochen, wenn sie schweigen würde, und das hat sie geglaubt. So geht sie also zur Turnhalle, weil sie ihr dort das Geld geben wollten, und da haben sie sie dann erschossen.«

»Ich glaube nicht, dass Miss Springer Bestechungsgelder angenommen hätte.«

»Nein? Denken Sie, es sei ein Spaß, Lehrerin zu sein – Turnlehrerin?«, fragte Shanda ärgerlich. »Glauben Sie nicht, es wäre angenehmer, Geld zu haben, zu reisen, zu tun, wozu man Lust hat? Überhaupt, jemand wie Miss Springer, die nicht schön ist und die kein Mann ansieht? Glauben Sie nicht, dass ihr Geld vielleicht mehr bedeutete als anderen Menschen?«

»Schwer zu sagen«, meinte Kelsey, der bisher nicht darüber nachgedacht hatte. »Ist das Ihre eigene Idee, oder hat Miss Springer mit Ihnen darüber gesprochen?«

»Miss Springer hat nie etwas anderes zu mir gesagt als ›Arme heben‹, ›Knie beugen‹ und ›Nicht schlapp machen‹«, erklärte Shanda verächtlich.

»Ich verstehe… Und glauben Sie nicht, dass der Plan, Sie zu entführen, nur in Ihrer Fantasie besteht?«

»Sie haben nichts verstanden«, erwiderte Shanda entrüstet. »Prinz Ali Yusuf von Ramat war mein Vetter. Er ist auf der Flucht, nach Ausbruch der Revolution, ums Leben gekommen. Es war beschlossene Sache, dass ich ihn heiraten sollte. Daran sehen Sie, dass ich eine wichtige Person bin, sehr wichtig. Möglich, dass es die Kommunisten auf mich abgesehen haben, und vielleicht wollten sie mich nicht nur entführen, sondern auch ermorden.«

»Das scheint mir recht unwahrscheinlich«, meinte Kelsey.

»Unwahrscheinlich? Sie glauben, solche Dinge geschehen nicht? Und ich sage Ihnen, die Kommunisten sind schlecht! Das weiß doch jeder. Und vielleicht glauben sie, ich wüsste, wo die Juwelen sind.«

»Welche Juwelen?«

»Mein Vetter besaß Juwelen, mein Vater auch. Für den Notfall, Sie verstehen?«

Kelsey verstand offensichtlich nicht.

»Aber was hat das mit Ihnen zu tun – oder mit Miss Springer?«

»Ich sagte Ihnen doch, sie glauben, ich wüsste, wo die Juwelen sind. Sie wollen mich gefangen nehmen und zum Sprechen zwingen.«

»Wissen Sie es denn?«

»Nein, woher sollte ich? Sie sind während der Revolution verschwunden. Vielleicht von den bösen Kommunisten gestohlen, vielleicht auch nicht.«

»Wem gehören sie?«

»Mein Vetter ist tot, jetzt gehören sie mir. Kein anderer Mann ist am Leben. Seine Tante, meine Mutter, ist tot. Er würde sie mir gegeben haben, denn ich hätte ihn geheiratet.«

»War das so abgemacht?«

»Natürlich, er war doch mein Vetter.«

»Und Sie hätten die Juwelen nach der Hochzeit bekommen?«

»Nein. Er hätte mir neuen Schmuck gekauft. Von Cartier. Diese Juwelen wären weiter für den Notfall aufbewahrt worden.«