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Während Kelsey über dieses orientalische Versicherungssystem nachdachte, fuhr Shanda lebhaft fort: »Ich denke mir das so: Jemand hat die Juwelen aus dem Land geschafft, aus Ramat. Vielleicht ein guter Mensch, vielleicht ein böser. Der gute Mensch würde sie mir bringen, und ich würde ihm eine hohe Belohnung geben. Der schlechte Mensch würde sie behalten und verkaufen. Oder er würde zu mir kommen und sagen: ›Was bekomme ich, wenn ich die Juwelen zurückgebe?‹ Wenn ich ihm genug verspreche, bringt er sie, sonst nicht.«

»Aber bisher hat sich noch niemand bei Ihnen gemeldet, nicht wahr?«

»Nein«, gab Shanda zu.

Kommissar Kelsey hatte nicht die Absicht, noch mehr Zeit mit Shanda zu verschwenden.

»Ich glaube, Sie haben eine etwas zu lebhafte Fantasie«, bemerkte er abschließend.

Shanda warf ihm einen wütenden Blick zu.

Er stand auf und öffnete die Tür.

»Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Entführungen und Juwelen von unschätzbarem Wert«, sagte er lachend. »Was werden wir noch zu hören bekommen?« 

11

Als Kommissar Kelsey zur Polizei zurückkehrte, sagte der Sergeant vom Dienst: »Adam Goodman wartet schon auf Sie, Kommissar.«

»Adam Goodman? Ach ja, der Gärtner.«

Der junge Mann war respektvoll aufgestanden. Er war groß, schlank und dunkel. Seine abgetragenen Manchesterhosen waren fleckig, und er trug ein leuchtend blaues, offenes Hemd.

»Sie wollten mich sprechen«, sagte er.

Seine Stimme war rau und etwas herausfordernd. Er machte, wie so viele junge Menschen heutzutage, einen trotzigen Eindruck.

»Bitte kommen Sie in mein Zimmer«, erwiderte Kelsey kurz.

»Ich weiß nichts über diesen Mord«, verkündete Adam Goodman mürrisch. »Ich will nichts damit zu tun haben, ich habe gestern Nacht in meinem Bett gelegen und geschlafen.«

Kelsey nickte unverbindlich.

Er setzte sich an seinen Schreibtisch und bot dem jungen Mann einen Stuhl an. Ein junger Kriminalbeamter war den beiden unauffällig gefolgt und setzte sich jetzt in eine Ecke.

»Also: Sie sind Adam Goodman, von Beruf Gärtner«, begann Kelsey.

»Einen Augenblick. Darf ich Sie bitten, sich zuerst etwas anzusehen.«

Adams Benehmen hatte sich plötzlich geändert; sein Ton war weder trotzig noch herausfordernd. Er nahm etwas aus seiner Tasche und reichte es Kelsey.

Der Kommissar hob die Augenbrauen ein wenig, während er es betrachtete. Dann blickte er auf.

»Ich brauche Sie im Augenblick nicht, Barber«, sagte er.

Der diskrete junge Kriminalbeamte ging hinaus, bemüht, sein Erstaunen zu verbergen.

»Sehr interessant«, erklärte Kelsey, während er Adam freundlich anlächelte. »Aber ich möchte nur wissen, was Sie in…«

»Was ich in einer Mädchenschule zu suchen habe«, unterbrach ihn der junge Mann. Er bemühte sich, in ehrerbietigem Ton zu sprechen, aber er konnte ein belustigtes Grinsen beim besten Willen nicht unterdrücken. »Ich gebe zu, dass mir zum ersten Mal eine Aufgabe dieser Art übertragen worden ist. Sehe ich nicht wie ein Gärtner aus?«

»Sie sind zu jung. In unserer Gegend begegnet man im Allgemeinen nur uralten Gärtnern. Verstehen Sie etwas von Gartenbau?«

»Allerdings. Meine Mutter ist eine begeisterte Gärtnerin. Sie hat dafür gesorgt, dass ich diese Kunst ebenfalls erlernte.«

»Und aus welchem Grund hat man Sie nach Meadowbank geschickt? Was geht dort vor?«

»Das möchten wir auch gern wissen. Ich fungiere hauptsächlich als Wachhund – jedenfalls war das so bis gestern. Inzwischen ist die Turnlehrerin ermordet worden, und das war bestimmt nicht im Stundenplan vorgesehen.«

»Leider ereignen sich oft unvorhergesehene Dinge«, seufzte Kelsey. »Das weiß ich aus bitterer Erfahrung. Ich muss allerdings zugeben, dass dieser Mord ganz besonders abwegig erscheint. Welches sind die wahren Hintergründe?«

Adam erzählte ihm, was er wusste. Kelsey hörte aufmerksam zu.

»Ich habe der kleinen Prinzessin Unrecht getan«, bemerkte er schließlich. »Aber Sie werden verstehen, dass ich diese Geschichte für zu fantastisch hielt. Juwelen im Wert von einer halben oder gar einer ganzen Million Pfund? Wer ist der rechtmäßige Eigentümer?«

»Diese Frage ist nicht ganz leicht zu beantworten. Die Entscheidung darüber wird man mehreren internationalen Anwälten überlassen müssen – und selbst die werden wahrscheinlich verschiedener Meinung sein. Vor drei Monaten gehörten sie dem Prinzen Ali Yusuf von Ramat. Aber jetzt? Wenn sie noch in Ramat wären, würden sie der neuen Regierung gehören, obwohl der Prinz in seinem Testament wohl anderweitige Verfügungen getroffen hat. In diesem Fall würde alles davon abhängen, wo sein Letzter Wille erfüllt wird und ob sich die Rechtsgültigkeit des Testaments beweisen lässt. Sie mögen seiner Familie gehören. In der Praxis sieht die Sache jedoch anders aus. Wenn Sie oder ich die Juwelen auf der Straße finden würden, könnten wir sie einfach in die Tasche stecken und behaupten, sie gehörten uns. Ich bezweifle, ob es einen legalen Weg gäbe, sie uns wieder abzunehmen. Man könnte es natürlich versuchen, aber das internationale Recht ist unglaublich verworren.«

»Sie glauben also, dass der Finder sie getrost behalten darf?«, fragte Kelsey. Er schüttelte missbilligend den Kopf. »Das ist kein sehr erfreulicher Zustand.«

»Nein, erfreulich ist es nicht«, bestätigte Adam. »Es ist uns bekannt, dass mehrere Parteien an den Steinchen interessiert sind, die leider vor nichts zurückschrecken würden. Es hat sich nämlich herumgesprochen, dass die Juwelen, kurz vor Ausbruch der Revolte, aus dem Land geschmuggelt worden seien. Das mag stimmen oder nicht. Man weiß auch nicht, auf welche Weise, man hört die verschiedensten Versionen.«

»Aber was hat das mit Meadowbank zu tun? Hängt es mit dem kleinen persischen Unschuldsengel zusammen, mit Prinzessin Shanda?«

»Ja, denn sie ist die Kusine von Ali Yusuf. Es ist möglich, dass gewisse Leute versuchen, sich mit ihr in Verbindung zu setzen. Uns sind in der Nähe der Schule einige fragwürdige Gestalten aufgefallen, zum Beispiel eine Mrs Kolinsky, die im Grand Hotel wohnt. Sie gehört einer recht prominenten internationalen Schieberbande an. Nach außen hin handelt es sich um eine Gruppe ehrbarer Geschäftsleute, die es jedoch verstehen, sich gewisse wertvolle Informationen zu verschaffen. Einem Gerücht zufolge soll sich auch eine Tänzerin in der Gegend aufhalten, die in einem Kabarett in Ramat aufgetreten ist. Wir wissen nicht einmal, wie sie aussieht, nur, dass sie im Dienst einer ausländischen Regierung steht. Alles weist auf Meadowbank hin, und nun die Ermordung der Turnlehrerin…«

Kelsey nickte nachdenklich.

»Irre Situation.« Er zögerte, dann fuhr er fort: »Wenn man so etwas im Kino sieht, findet man es übertrieben, an den Haaren herbeigezogen – und doch geschieht es.«

»Geheimagenten, Spione, Mörder und Erpresser gibt es leider nicht nur auf der Leinwand«, stimmte Adam zu.

»Aber in Meadowbank? In der berühmten Schule von Miss Bulstrode?«

»Ich gebe zu – es klingt fast wie Majestätsbeleidigung«, bestätigte Adam.

»Was hat sich Ihrer Meinung nach gestern Nacht ereignet?«, fragte Kelsey nach einer kurzen Pause.

Adam erwiderte nach einiger Überlegung: »Die Springer war mitten in der Nacht in der Turnhalle. Warum? Es ist sinnlos, nach dem Täter zu suchen, bevor wir nicht wissen, warum sie in der Turnhalle war. Nehmen wir an, dass sie, trotz ihres einwandfreien, höchst gesunden Lebenswandels schlecht schlief, zufällig aus dem Fenster sah und ein Licht in der Turnhalle bemerkte. Sie konnte es doch von ihrem Fenster aus sehen?«

Kelsey nickte.

»Da sie eine furchtlose Person war, ging sie sofort hinunter, um festzustellen, was da los ist. Sie störte jemanden – aber wobei? Wir wissen es nicht, wir wissen nur, dass der Eindringling sie erschossen hat. Aber man schießt nur, wenn man sich in einer verzweifelten Lage befindet oder wenn es sich um eine Angelegenheit von immenser Bedeutung handelt.«