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Wieder nickte Kelsey zustimmend.

»Gut. Die erste Möglichkeit wäre also, dass die unschuldige Springer erschossen wurde, während sie tapfer ihre Pflicht erfüllte. Aber es gibt noch eine andere Möglichkeit. Miss Springer, die wegen ihrer sportlichen Fähigkeiten dafür besonders geeignet erscheint, wird vom Kopf einer Bande nach Meadowbank geschickt… Sie wartet auf eine geeignete Nacht, dann schleicht sie heimlich zur Turnhalle – warum, wissen wir nicht. Jemand folgt ihr… oder wartet auf sie… jemand, der einen Revolver bei sich hat und entschlossen ist, ihn auch zu benutzen… Aber wieder und wieder: Warum? Zum Teufel nochmal, was kann man in einer Turnhalle verstecken?«

»Ich kann Ihnen versichern, dass dort nichts versteckt war«, erklärte Kelsey. »Wir haben alles sozusagen mit dem Staubkamm durchgekämmt, sowohl die Schließfächer der Schülerinnen wie das Fach von Miss Springer. Wir haben nichts gefunden als Sportutensilien. In dieser nagelneuen Turnhalle waren ganz bestimmt keine Juwelen verborgen.«

»Der Mörder konnte sie natürlich bereits an sich genommen haben, als Ihre Leute die Durchsuchung begannen«, meinte Adam. »Wir dürfen auch die Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass Miss Springer, oder sonst jemand, in der Turnhalle ein Rendezvous hatte. Sie eignet sich recht gut dazu. Nehmen wir also an, dass Miss Springer dort ein Stelldichein hatte und dass ein Streit entstand, in dessen Verlauf sie erschossen wurde. Eine weitere Variante: Miss Springer bemerkte, dass jemand das Haus verließ, sie folgte dieser Person und entdeckte etwas, das sie nicht hören oder sehen durfte.«

»Ich kannte sie nicht, aber den Berichten der anderen nach zu urteilen, muss sie eine ziemlich neugierige Person gewesen sein«, sagte Kelsey.

»Wahrscheinlich ist ihre Neugier sogar der Schlüssel zu den Ereignissen in der Turnhalle«, erklärte Adam.

»Wenn es wirklich ein Rendezvous war, dann…« Kelsey machte eine bedeutungsvolle Pause.

Adam nickte zustimmend. »Dann muss es in der Schule eine Person geben, der wir unsere ungeteilte Aufmerksamkeit zuwenden müssen. Eine Katze im Taubenschlag!«

»Katze im Taubenschlag? Wer hat das heute schon einmal gesagt?« Kelsey überlegte. »Ja, natürlich. Es war Miss Rich, eine der Lehrerinnen.« Nach einer weiteren Pause fuhr er fort: »Drei – Damen sind erst zu Beginn dieses Schuljahrs nach Meadowbank gekommen: Die Sekretärin Shapland, Mademoiselle Blanche und Miss Springer, die tot ist und nicht mehr infrage kommt. Wenn sich eine Katze unter den Tauben befindet, müsste es eine dieser beiden sein.« Er sah Adam an. »Was halten Sie davon?«

»Ich habe Mademoiselle Blanche neulich dabei überrascht, wie sie aus der Turnhalle kam«, sagte Adam nach kurzem Zögern. »Sie machte ein schuldbewusstes Gesicht, als wäre sie auf frischer Tat ertappt worden. Dennoch würde ich eher die Sekretärin verdächtigen. Miss Shapland ist kalt und berechnend, außerdem sehr intelligent. Ich an Ihrer Stelle würde mal ihre Vergangenheit einer gründlichen Prüfung unterziehen… Was gibt’s denn da zu lachen?«

Kelsey grinste übers ganze Gesicht.

»Miss Shapland hält Sie für ein verdächtiges Individuum. Sie hat Sie dabei ertappt, wie Sie aus der Turnhalle kamen, und fand, dass Sie einen schuldbewussten Eindruck machten!«

»Tatsächlich? So eine Unverschämtheit!«, brauste Adam auf.

Kommissar Kelsey wurde wieder ernst.

»Meadowbank spielt in dieser Gegend eine große Rolle«, sagte er. »Es ist eine hervorragende Schule, und Miss Bulstrode ist ein besonders feiner Mensch. Wir müssen diese Sache so schnell wie möglich aufklären, um dem guten Namen der Schule und ihrer Leiterin nicht unnötig zu schaden.« Er sah Adam nachdenklich an. »Ich bin der Ansicht, dass wir Miss Bulstrode mitteilen müssen, wer Sie sind. Sie wird den Mund halten, darauf können Sie sich verlassen.«

Adam stimmte ihm nach kurzem Zögern zu.

»Ja, unter diesen Umständen wird es sich kaum vermeiden lassen«, sagte er. 

12

Miss Bulstrode unterschied sich durch eine besondere Eigenschaft vorteilhaft von den meisten Frauen. Sie konnte zuhören.

Sie hörte Kommissar Kelsey und Adam schweigend zu, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Schließlich sagte sie ein einziges Wort: »Bemerkenswert!«

Sie sind selbst bemerkenswert, dachte Adam, aber er sprach es nicht aus.

Miss Bulstrode kam, wie gewöhnlich, ohne Umschweife zur Sache. »Und was kann ich nun tun, um Ihnen zu helfen?«, fragte sie.

Kommissar Kelsey räusperte sich.

»Wir hielten es für richtig, Sie im Interesse der Schule über alles zu informieren«, sagte er.

Miss Bulstrode nickte.

»Selbstverständlich muss ich zuerst an die Schule denken«, erwiderte sie. »Ich bin für die Sicherheit meiner Schülerinnen und meiner Angestellten verantwortlich. Ich möchte hinzufügen, dass es sowohl für mich persönlich wie auch für die Schule wünschenswert ist, dass der Mord in der Öffentlichkeit möglichst wenig Aufsehen erregt. Das mag egoistisch klingen, aber ich denke wirklich nur an das Wohl der mir anvertrauten jungen Menschen. Es sei denn, dass Sie Bekanntmachungen im großen Stil für notwendig halten… sind sie notwendig, Kommissar?«

»Nein. Im Gegenteil. Je weniger über diesen Fall geschrieben und gesprochen wird, desto besser«, erklärte Kelsey. »Die Leichenschau wird vertagt werden. Wir lassen durchblicken, dass wir den Mord für das Werk jugendlicher Einbrecher halten, die zwar im Allgemeinen nur mit Messern bewaffnet sind, aber diesmal unglücklicherweise im Besitz einer Schusswaffe waren. Miss Springer hat sie überrascht und wurde erschossen. Dabei würde ich es belassen. Inzwischen können wir unsere Nachforschungen ungestört fortführen. Ich hoffe, die Presse wird uns keinen Strich durch die Rechnung machen. Meadowbank ist eine berühmte Schule. Ein Mord in Meadowbank wird die Öffentlichkeit natürlich interessieren.«

»Ich hoffe, das verhindern zu können«, sagte Miss Bulstrode sofort. »Ich habe gute Beziehungen – zu Presse, Regierung und Kirche.« Mit einem Blick auf Adam fuhr sie fort: »Sie sind doch einverstanden?«

»Selbstverständlich. Auch wir legen Wert darauf, in Ruhe arbeiten zu können«, erwiderte er.

»Bleiben Sie weiter unser Gärtner?«, erkundigte sich Miss Bulstrode.

»Wenn Sie nichts dagegen haben, ja. Es ist die einzige Möglichkeit, die Ereignisse aus unmittelbarer Nähe zu verfolgen.«

Miss Bulstrode runzelte die Stirn.

»Ich hoffe, dass Sie nicht noch mehr Morde erwarten?«

»Nein, nein.«

»Das wäre fürchterlich. Keine Schule könnte zwei Morde in einem Schuljahr überleben.«

Sie wandte sich an Kelsey.

»Haben Ihre Leute die Durchsuchung der Turnhalle beendet? Ich wäre froh, wenn wir sie bald wieder benutzen könnten.«

»Ja, alles erledigt und in bester Ordnung. Gefunden haben wir nichts, was in irgendeinem Zusammenhang mit dem Mord stehen könnte.«

»Auch nicht in den Schließfächern der Schülerinnen?«

Kommissar Kelsey lächelte.

»Nichts von Bedeutung, nur… nur ein französisches Buch mit Illustrationen, Candide. Eine kostbare Ausgabe.«

»Aha, da hat sie es also versteckt. Es war doch in Gisèle d’Aubrays Fach, nicht wahr?«

Kelseys Respekt vor Miss Bulstrode wuchs.

»Ihnen entgeht wirklich nichts«, sagte er.

»Candide ist ein klassisches Werk, dessen Lektüre ihr nichts schaden wird«, bemerkte Miss Bulstrode. »Gewisse pornografische Bücher konfisziere ich natürlich… Aber nun möchte ich auf meine erste Frage zurückkommen: Was kann ich tun, um Ihnen zu helfen?«