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»Im Augenblick gar nichts. Ich möchte nur noch eines wissen: Waren Sie eigentlich seit Beginn dieses Schuljahres über irgendetwas beunruhigt? Über einen Vorfall oder über eine Person?«

Miss Bulstrode überlegte einen Augenblick, dann sagte sie langsam: »Auf diese Frage kann ich nur mit einem ganz offenen ›Ich weiß es nicht‹ antworten.«

»Sie waren also über irgendetwas beunruhigt?«, fragte Adam sofort.

»Der Fall liegt nicht so einfach, wie Sie denken. Ich hatte einmal das Gefühl, dass mir etwas entgangen sei… ich werde es Ihnen beschreiben.«

Sie erzählte kurz von ihrem Gespräch mit Mrs Upjohn, in dessen Verlauf sie zufällig aus dem Fenster geblickt hatte und die völlig betrunkene Lady Veronica auf das Schulhaus hatte zukommen sehen.

»Darf ich das noch einmal zusammenfassen, Miss Bulstrode«, sagte Adam. »Mrs Upjohn sah zum anderen Fenster hinaus, von dem aus man die Einfahrt überblickt, und glaubte jemanden zu erkennen. Diese Tatsache ist an sich nicht erstaunlich; warum sollte sie unter den vielen Eltern und Töchtern, die an diesem Tag vorfuhren, nicht ein bekanntes Gesicht entdeckt haben? Aber Sie sind unbedingt der Meinung, dass Mrs Upjohn sehr erstaunt war, gerade dieser Person in Meadowbank zu begegnen. Stimmt das?«

»Ja, diesen Eindruck hatte ich.«

»Und Ihre Aufmerksamkeit war durch das unerwartete Erscheinen von Lady Veronica abgelenkt worden, die Sie durch das andere Fenster beobachteten, nicht wahr?«

Miss Bulstrode nickte.

»Inzwischen plauderte Mrs Upjohn über dieses und jenes. Sie hörten nur mit halbem Ohr zu, als sie Ihnen erzählte, dass sie während des Krieges – vor ihrer Heirat – für den Nachrichtendienst tätig war.«

»Ja.«

»Vielleicht erkannte sie jemanden, mit dem sie während des Krieges zu tun hatte, das wäre möglich«, sagte Adam nachdenklich.

»Ich bin dafür, dass wir uns unverzüglich mit Mrs Upjohn in Verbindung setzen«, erklärte Kelsey. »Haben Sie ihre Adresse, Miss Bulstrode?«

»Selbstverständlich, aber ich glaube, sie ist momentan im Ausland. Einen Augenblick.«

Sie drückte zweimal auf die Schreibtischklingel, dann stand sie ungeduldig auf, öffnete die Tür und bat eine zufällig vorbeikommende Schülerin, Julia Upjohn zu ihr zu schicken.

»Ich werde lieber verschwinden, bevor Julia kommt«, meinte Adam. »Ich bin schließlich nur gerufen worden, weil mich der Kommissar verhören wollte. Da er nichts von mir erfuhr, befahl er mir, mich aus dem Staub zu machen.«

»Sehr richtig! Machen Sie sich sofort aus dem Staub, und vergessen Sie nicht, dass das Auge des Gesetzes auf Ihnen ruht«, sagte Kelsey mit einem breiten Grinsen.

Im Hinausgehen fragte Adam Miss Bulstrode: »Darf ich meine Stellung als Gärtner ungebührlicherweise dazu benutzen, mich bei Ihren Leuten lieb Kind zu machen?«

»Bei wem zum Beispiel?«

»Bei Mademoiselle Blanche vielleicht.«

»Glauben Sie, dass Mademoiselle Blanche…«

»Ich glaube, dass sie sich hier langweilt«, erwiderte Adam.

»Mag sein… Mit wem wollen Sie sich sonst noch anfreunden?«

»Ich werde mich nach allen Richtungen umsehen«, erwiderte Adam heiter. »Falls Sie entdecken sollten, dass einige Ihrer Schülerinnen eine heimliche Verabredung im Garten haben, bitte ich Sie zu bedenken, dass ich kein Windhund bin, sondern ein ehrlicher Spürhund.«

»Glauben Sie wirklich, dass die Mädchen etwas wissen?«, fragte Miss Bulstrode.

»Manche wissen etwas, selbst wenn sie nicht wissen, dass sie etwas wissen.«

»Mag sein.«

Es wurde an die Tür geklopft, und Miss Bulstrode rief: »Herein!«

Julia Upjohn kam atemlos ins Zimmer.

»Sie können gehen, Goodman. Ich will Sie nicht länger von Ihrer Arbeit abhalten«, knurrte Kelsey.

»Ich kann Ihnen weiß Gott nicht mehr sagen, als dass ich von nichts eine Ahnung habe«, brummte Adam und stapfte hinaus.

»Bitte, entschuldigen Sie, dass ich so außer Atem bin, Miss Bulstrode«, sagte Julia. »Ich bin den ganzen Weg vom Tennisplatz zum Haus gerannt.«

»Das macht nichts, Julia. Ich wollte Sie nur fragen, wo ich Ihre Mutter erreichen kann.«

»Mutter ist im Ausland. Ich kann Ihnen aber die Adresse von meiner Tante Isabel geben.«

»Die habe ich, aber ich muss mich unbedingt mit Ihrer Mutter persönlich in Verbindung setzen.«

»Das wird schwer sein. Mutter ist auf einer Autobusreise nach Anatolien.«

»Im Autobus nach Anatolien?«, fragte Miss Bulstrode erstaunt.

Julia nickte.

»So etwas macht ihr großen Spaß, außerdem ist es billig«, erklärte sie. »Sehr komfortabel wohl nicht, aber das macht Mummy nichts aus. Sie sollte in etwa drei Wochen in Van ankommen.«

»Aha. Eine Frage, Julia: Hat Ihre Mutter hier am ersten Tag des Schuljahrs Bekannte getroffen, die sie während des Krieges kennengelernt hatte?«

»Nicht dass ich wüsste, Miss Bulstrode. Mir hat sie jedenfalls nichts davon gesagt.«

»Ihre Mutter war doch beim Nachrichtendienst, nicht wahr?«

»Ja, und es muss ihr viel Freude gemacht haben. Dabei scheint sie nichts besonders Aufregendes unternommen zu haben. Sie hat niemals etwas in die Luft gesprengt, ist nie geschnappt worden und war nie in Lebensgefahr. Sie war, glaube ich, in der Schweiz stationiert – oder war es Portugal?« Julia fügte entschuldigend hinzu: »Mich langweilen diese Kriegsgeschichten, und ich höre nicht immer richtig zu.«

»Das wäre alles, Julia. Sie können gehen.« Julia verließ das Zimmer, und Miss Bulstrode fügte hinzu: »Soll man das für möglich halten – im Autobus nach Anatolien! Und für Julia scheint das die natürlichste Sache von der Welt zu sein…«

Jennifer verließ den Tennisplatz in nicht allzu rosiger Laune. Sie war ärgerlich, weil sie beim Servieren mehrmals einen Doppelfehler gemacht hatte. Mit diesem Tennisschläger konnte man eben nicht viel anfangen, obwohl ihre Rückhand in letzter Zeit besser geworden war. Ein Jammer, dass Miss Springer tot war – so eine gute Sportlehrerin! Jennifer nahm das Tennisspiel sehr ernst. Es gehörte zu den wenigen Dingen, über die sie sich Gedanken machte.

»Entschuldigen Sie…«

Jennifer zuckte zusammen. Eine elegante goldblonde Dame stand wenige Schritte von ihr entfernt auf dem Gartenweg. Sie hatte ein flaches längliches Paket in der Hand. Jennifer fragte sich, warum sie die Frau nicht schon längst gesehen hatte. Es kam ihr nicht in den Sinn, dass sie sich hinter den Rhododendronsträuchern versteckt gehalten haben musste und eben erst hervorgetreten war. Nein, auf eine solche Idee wäre Jennifer nie gekommen.

»Entschuldigen Sie, können Sie mir vielleicht sagen, wo ich Miss Jennifer Sutcliffe finden kann?«, fragte die Dame mit leicht amerikanischem Akzent.

»Ich bin Jennifer Sutcliffe«, erwiderte sie erstaunt.

»Das ist aber wirklich ein sonderbarer Zufall! Soll man es denn für möglich halten, dass man unter Hunderten von jungen Mädchen gerade auf das eine stößt, das man sucht?«

»Ja, es ist wirklich ein eigenartiger Zufall«, entgegnete Jennifer gleichgültig.

»Gestern war ich auf einer Cocktailparty und erwähnte zufällig, dass ich heute Freunde in dieser Gegend besuchen wollte. Ihre Tante, oder war es Ihre Großmutter? – den Namen habe ich leider vergessen, denn ich habe ein entsetzlich schlechtes Gedächtnis – bat mich, Ihnen den neuen Tennisschläger zu bringen, um den Sie gebeten hatten.«

»Wirklich? Das ist ja eine tolle Überraschung«, erklärte Jennifer strahlend. »Das muss meine Patentante Gina gewesen sein, Mrs Campbell. Tante Rosamund war’s bestimmt nicht. Die schenkt mir nur einmal im Jahr was – Weihnachten, und zwar ganze zehn Shilling, das ist alles.«