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»Mich interessiert die Sache brennend, und ich kann mir die verschiedenartigsten Lösungen vorstellen. Viel Sinn und Verstand werden sie wohl nicht haben, aber es macht mir Spaß, darüber nachzudenken.«

»Mochten Sie Miss Vansittart?«

»Nicht besonders, aber ich hatte auch nichts gegen sie. Sie hat mich immer an Bully – an Miss Bulstrode – erinnert. Sie war, wie soll ich es beschreiben – sie war wie die zweite Besetzung. Jedenfalls tut es mir furchtbar leid, dass sie ermordet worden ist.«

Sie ging mit den beiden Tennisschlägern unterm Arm fort. Adam blieb in der Turnhalle zurück und sah sich nochmal achselzuckend um.

»Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was es hier zu holen gab«, murmelte er vor sich hin.

»Nanu, was will denn Mum hier?«, rief Jennifer erstaunt.

Beide Mädchen wandten den Kopf und starrten auf Mrs Sutcliffe, die sich, in Begleitung von Miss Rich, mit schnellen Schritten dem Tennisplatz näherte.

»Diese unnötige Aufregung! Wahrscheinlich hat sie es mit der Angst zu tun bekommen – wegen der Morde«, erklärte Jennifer resigniert. »Du hast Glück, dass deine Mutter in Anatolien ist, Julia.«

Mrs Sutcliffe war inzwischen beim Tennisplatz angelangt.

»Du musst sofort packen, Jennifer«, sagte sie. »Wir wünschen, dass du nachhause kommst.«

»Hoffentlich nicht für dauernd, Mum?«, fragte sie ängstlich.

»Doch. Wir haben beschlossen, dich auf eine andere Schule zu schicken.«

»Das ist ja schrecklich, das könnt ihr doch nicht tun, Mum. Gerade jetzt, wo ich Aussichten habe, das Tennisturnier zu gewinnen. Außerdem trainieren Julia und ich für das Doppel…«

»Du kommst sofort mit mir nachhause, Jennifer.«

»Warum?«

»Frag nicht so viel.«

»Wahrscheinlich wegen der ermordeten Lehrerinnen. Aber das hat doch nichts mit uns zu tun. Uns will bestimmt keiner ermorden. Und in drei Wochen ist das Sportfest, und ich habe auch gute Chancen, den Weitsprung zu gewinnen…«

»Widersprich mir nicht, Jennifer. Du musst nachhause kommen, dein Vater besteht darauf.«

Mrs Sutcliffe packte ihre Tochter energisch am Arm und ging mit ihr auf das Haus zu.

Plötzlich riss sich Jennifer von ihr los und rannte zurück zum Tennisplatz.

»Auf Wiedersehen, Julia. Meine Eltern sind mal wieder überängstlich. Zu ärgerlich! Aber was kann ich tun? Lass es dir gut gehen. Ich werde dir sofort schreiben.«

»Und ich werde dir sofort antworten und dir alles berichten«, erwiderte Julia.

»Hoffentlich wird Chaddy nicht als nächste ermordet. Dann schon lieber Mademoiselle Blanche, findest du nicht auch?«

»Ja, ohne die könnten wir ganz gut auskommen«, kicherte Julia. »Sag mal, ist dir nicht auch aufgefallen, wie verbissen Miss Rich aussieht?«

»Sie scheint wütend darüber zu sein, dass Mum mich abholt. Warum eigentlich? Eine sonderbare Person. Ich zerbrech mir übrigens schon lange den Kopf, an wen sie mich erinnert.«

»Mich erinnert sie bestimmt an niemanden«, erklärte Julia.

»Jetzt fällt es mir plötzlich ein – aber die Frau, der sie ähnlich sieht, war sehr dick«, sagte Jennifer.

»Wo bleibst du, Jennifer?«, rief Mrs Sutcliffe.

»Ich komm schon«, rief Jennifer gereizt zurück.

Julia schlenderte langsam auf die Turnhalle zu.

Ihre Schritte wurden immer langsamer, bis sie, in Gedanken versunken, auf dem Kiesweg stehen blieb.

Es wurde zum Mittagessen geläutet, aber sie hörte es kaum. Sie starrte auf den Tennisschläger in ihrer Hand, dann drehte sie sich plötzlich um und marschierte entschlossen aufs Haus zu. Sie ging durch den Haupteingang, der von den Schülerinnen eigentlich nicht benutzt werden durfte, ins Haus, weil sie vermeiden wollte, die anderen Mädchen zu treffen. Die Vorhalle war leer. Sie rannte hinauf in ihr Schlafzimmer, sah sich kurz um und verstaute den Tennisschläger unter der Matratze ihres Bettes. Dann strich sie sich das Haar glatt und begab sich mit harmloser Miene in den Speisesaal. 

17

Als die Mädchen an diesem Abend zu Bett gingen, war es wesentlich ruhiger als sonst. Mehr als dreißig Schülerinnen waren nachhause gefahren. Die Zurückgebliebenen benahmen sich ihrem Temperament entsprechend: Einige zeigten Zeichen der Erregung, andere kicherten nervös, wieder andere waren still und in sich gekehrt.

Julia Upjohn ging als eine der ersten hinauf in ihr Zimmer. Sie schloss die Tür und lauschte den Schritten, dem Kichern und dem Flüstern auf dem Gang. Endlich wurde es ruhig.

Die Tür ließ sich nicht abschließen. Julia stellte einen Stuhl dagegen, dessen Lehne sie unter die Türklinke klemmte. Auf diese Weise würde sie rechtzeitig gewarnt werden, falls jemand in ihr Zimmer kommen wollte. Aber es würde niemand kommen. Es war den Schülerinnen streng verboten, sich gegenseitig in ihren Zimmern zu besuchen, und auch die Lehrerinnen betraten die Schlafzimmer nicht. Nur Miss Johnson, die Hausmutter, kam manchmal, wenn eines der Mädchen sich nicht wohlfühlte.

Julia ging zum Bett und holte den Tennisschläger unter der Matratze hervor. Sie hatte sich entschlossen, ihn jetzt gleich und nicht erst später zu untersuchen. Bis halb elf durfte man Licht haben, danach könnte ein Lichtspalt unter der Tür auffallen.

Julia betrachtete den Tennisschläger von allen Seiten. Wo konnte man darin etwas verstecken? Denn irgendetwas musste darin verborgen sein. Alles deutete darauf hin – der Einbruch in Jennifers Haus, der Besuch der fremden Dame, die ihr einen neuen Schläger brachte… Niemand außer Jennifer wäre auf diese alberne Geschichte hereingefallen, dachte Julia verächtlich.

»Neue Lampen für alte!« Das bedeutete, dass es mit diesem Schläger eine besondere Bewandtnis haben musste – wie mit Aladins Wunderlampe. Jennifer und Julia hatten mit keinem Menschen über den Tausch ihrer Tennisschläger gesprochen; Julia selbst jedenfalls bestimmt nicht.

Dieser Tennisschläger war es also, nach dem in der Turnhalle so eifrig gesucht worden war, und sie musste den Grund dafür herausfinden. Äußerlich war ihm bestimmt nichts anzumerken; der Schläger war nicht mehr neu, aber noch immer in gutem Zustand. Allerdings hatte Jennifer über die Gleichgewichtsverteilung geklagt.

Wo konnte man etwas verstecken? Höchstens im Griff. Das klang ziemlich ausgefallen, war aber nicht unmöglich. Und hätte man den Griff wirklich ausgehöhlt und etwas Schweres hineingetan, dann würde das Gleichgewicht empfindlich gestört sein.

Auf dem Griff klebte ein rundes Stück Leder mit einem fast unleserlichen Monogramm. Julia setzte sich an ihren Frisiertisch. Es gelang ihr, das Leder mithilfe ihres Taschenmessers zu entfernen. Darunter war eine kleine, runde Holzscheibe, die merkwürdig aussah. Julia brachte es nicht fertig, sie mit dem Taschenmesser herauszubekommen. Schließlich gelang es ihr mit der Nagelschere. Jetzt zeigte sich eine marmorierte, blau-rote Masse. Plötzlich ging Julia ein Licht auf. Plastilin! Aber wie kam Plastilin in den Griff eines Tennisschlägers? Sie entfernte die Knetmasse energisch mit ihrer Nagelschere. Ja, es war etwas darunter verborgen… es rollte auf den Tisch… herrliche, runde, schimmernde Steine… feuerrot, grün, tiefblau und schneeweiß…

Julia stockte der Atem. Sie starrte und starrte auf den funkelnden Haufen kostbarer Edelsteine.

Fantastische Gedanken jagten ihr durch den Kopf. Aladins Höhle… der Hope-Diamant… Edelsteine, deren Besitzer vom Unglück verfolgt wurden… romantische Gedanken… sie selbst in einem schwarzen Samtkleid, mit einem leuchtenden Diadem auf dem Kopf, einer herrlichen Perlenkette um den Hals…

Sie erwachte mit einem Ruck aus ihren Träumen.

War da nicht ein Geräusch?

Sie lauschte einen Augenblick, dann dachte sie angestrengt nach. Schließlich stand sie auf, holte ihren Schwammbeutel vom Waschtisch, fegte die Steine vom Tisch in den Beutel und presste ihren Schwamm und ihre Nagelbürste darauf. Dann füllte sie den Tennisschläger wieder mit dem Plastilin; darüber legte sie die kleine runde Holzscheibe und klebte das Stück Leder drauf.