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Fertig. Der Tennisschläger sah genauso aus wie vorher, und obwohl er etwas leichter geworden war, fühlte er sich auch kaum anders an als zuvor. Sie betrachtete ihn noch einmal kritisch, dann legte sie ihn achtlos auf einen Stuhl.

Sie warf einen Blick auf ihr Bett mit der säuberlich zurückgeschlagenen Bettdecke, aber sie zog sich nicht aus. Statt dessen lauschte sie angestrengt. Hörte sie Schritte im Korridor?

Plötzlich bemächtigte sich ihrer eine furchtbare Angst. Zwei Menschen waren ermordet worden. Wenn jemand wusste, was sie gefunden hatte, würde sie das nächste Opfer des Mörders werden…

Es gelang ihr mit Mühe, die schwere eichene Kommode vor die Tür zu schieben. Sie wünschte nichts sehnlicher, als einen Schlüssel zu besitzen. Nach kurzem Überlegen ging sie zum Fenster; glücklicherweise konnte man das altmodische Schiebefenster von innen verriegeln. Sie tat es, obwohl kein Baum in der Nähe stand und es kaum möglich gewesen wäre, von außen in ihr Zimmer einzusteigen. Aber sie wollte ganz sichergehen…

Es war genau halb elf. Julia holte tief Atem und knipste das Licht aus. Sie wollte in keiner Weise auffallen. Dann schob sie die Vorhänge ein wenig zur Seite. Im Licht des Vollmonds konnte sie die Tür deutlich sehen. Schließlich setzte sie sich auf den Bettrand, einen ihrer schwersten Schuhe in der Hand.

Wenn jemand versucht einzudringen, werde ich mit dem Schuh an die Wand klopfen, dachte Julia, und laut um Hilfe rufen. Mary King, im Nebenzimmer, wird davon bestimmt aufwachen. Sollten noch andere angelaufen kommen, werde ich behaupten, einen Albtraum gehabt zu haben…

Nachdem sie einige Zeit auf ihrem Bettrand gesessen hatte, hörte sie leise Schritte im Gang… jemand blieb vor ihrem Zimmer stehen… eine lange Pause, dann wurde die Türklinke vorsichtig hinuntergedrückt.

Sollte sie schreien? Nein, noch nicht.

Die Tür öffnete sich, aber nur einen Spalt, die Kommode gab nicht nach. Das schien die Person im Gang zu überraschen.

Nach einer weiteren Pause wurde leise und vorsichtig angeklopft. Julia hielt den Atem an… noch eine Pause… noch ein schwaches Klopfen…

Ich schlafe, ich höre nichts, sagte sich Julia.

Wer würde mitten in der Nacht leise an ihre Tür pochen? Wenn er ein Recht dazu hätte, würde er lauter klopfen und rufen, aber diese Person konnte es sich anscheinend nicht leisten, Lärm zu machen…

Julia blieb lange regungslos sitzen. Es wurde nicht noch einmal geklopft, und die Türklinke wurde nicht wieder heruntergedrückt. Wie lange sie still und aufmerksam lauschend auf dem Bettrand gesessen hatte, wusste Julia selbst nicht, aber schließlich war sie eingeschlafen.

Als die Schulglocke sie aufweckte, lag sie in einer verkrampften, unbequemen Stellung quer über dem Bett.

Nach dem Frühstück gingen die jungen Mädchen in ihre Zimmer, um die Betten zu machen. Dann fand unten in der Aula die Morgenandacht statt. Danach verteilten sich die Schülerinnen auf die verschiedenen Klassenzimmer.

Diesen Augenblick benutzte Julia, um sich einer Gruppe anzuschließen, mit der sie ein Klassenzimmer betrat, das sie jedoch unbeobachtet durch eine andere Tür wieder verließ. Es gelang ihr, das Schulhaus durch eine Seitentür unbemerkt zu verlassen. Sie versteckte sich einige Minuten hinter der Rhododendronhecke, dann schlich sie zu der Steinmauer, die das Grundstück umgab, und kletterte geschickt auf eine knorrige alte Linde, in deren dicht belaubten Zweigen sie sich eine Zeit lang verborgen hielt. Sie sah auf die Uhr und überdachte nochmals die Lage. Die Schule war im Augenblick nicht so gut organisiert wie sonst. Die Hälfte der Schülerinnen war fort, zwei Lehrerinnen fehlten, und daher waren die Stundenpläne umgeändert worden.

Bis zum Mittagessen würde sie höchstwahrscheinlich nicht vermisst werden, und dann…

Sie blickte wiederum auf die Uhr, kletterte vom Baum auf die Mauer und landete auf der anderen Seite mit einem mehr oder weniger eleganten Sprung. In etwa hundert Meter Entfernung befand sich eine Haltestelle, wo jeden Augenblick ein Autobus ankommen musste. Julia zog einen etwas schäbigen Filzhut aus der Tasche ihres Baumwollkleides, stülpte ihn über ihre wirren Locken und fuhr mit dem Bus zum Bahnhof, wo sie den nächsten Zug nach London nahm.

Auf dem Waschtisch in ihrem Zimmer hatte Julia einen an Miss Bulstrode adressierten Brief hinterlassen.

Liebe Miss Bulstrode,

ich bin nicht entführt worden, und ich habe auch nicht die Absicht durchzubrennen. Bitte machen Sie sich keine Sorgen um mich. Ich komme so bald wie möglich zurück.

Mit den besten Grüßen,

Ihre Julia Upjohn.

George, Hercule Poirots untadeliger Diener, öffnete die Tür von Whitehouse Mansions 228. Zu seinem Erstaunen stand ein Schulmädchen mit einem ziemlich schmutzigen Gesicht davor.

»Könnte ich bitte Monsieur Hercule Poirot sprechen?«

George zögerte einen Augenblick, bevor er erwiderte:

»Monsieur Poirot empfängt nur Besucher, die sich vorher bei ihm angemeldet haben.«

»Ich hatte leider keine Zeit, eine Verabredung zu treffen. Ich muss Monsieur Poirot sofort sehen. Es ist sehr dringend!… Es handelt sich um zwei Raubmorde.«

»Ich werde mit Monsieur Poirot sprechen«, erwiderte George kopfschüttelnd.

Er führte sie in die Diele und ging zu seinem Herrn.

»Eine junge Dame wünscht Sie dringend zu sprechen, Monsieur.«

»Tatsächlich? Sie scheint sich das etwas zu einfach vorzustellen.«

»Ebendas habe ich ihr bereits mitgeteilt, Monsieur.«

»Was für eine junge Dame?«

»Eigentlich ist es noch ein Mädchen, Monsieur.«

»Ein Mädchen? Eine junge Dame? Was soll das heißen? Können Sie sich nicht etwas präziser ausdrücken, George?«

»Entschuldigen Sie, dass ich mich unklar ausgedrückt habe, Monsieur. Sie geht sicher noch zur Schule, aber trotzdem ist sie eine junge Dame.«

»Ihre Charakterisierung bezieht sich also auf ihre gesellschaftliche Herkunft – ich verstehe.«

»Sie wünscht mit Ihnen über zwei Raubmorde zu sprechen.«

Poirot runzelte die Stirn.

»Raubmorde? Wie originell! Führen Sie die junge Dame herein, George.«

Julia kam ins Zimmer, ohne sich ihre leichte Scheu anmerken zu lassen. Sie sprach höflich und natürlich.

»Guten Tag, Monsieur Poirot, ich heiße Julia Upjohn. Ich glaube, Sie kennen eine sehr gute Freundin meiner Mutter – Mrs Summerhayes. Wir waren im vergangenen Sommer bei ihr zu Besuch, und sie hat viel von Ihnen gesprochen.«

»Mrs Summerhayes…« Poirots Gedanken kehrten zu dem Dorf am Fuß jenes Hügels zurück und zu dem Haus auf jenem Hügel. Er erinnerte sich an ein reizendes Gesicht mit vielen Sommersprossen, an ein Sofa mit einer gesprungenen Feder, an eine Meute von Hunden, an Angenehmes und Unangenehmes…

»Natürlich kenne ich Maureen Summerhayes«, sagte er.

»Ich nenne sie Tante Maureen, obwohl sie gar nicht mit mir verwandt ist. Sie erzählte uns, wie wundervoll Sie seien – dass es Ihnen gelungen sei, einen Mann zu retten, der unter Mordverdacht im Gefängnis war, und… und als ich nicht mehr wusste, was ich tun sollte, bin ich zu Ihnen gekommen.«

»Ich fühle mich sehr geehrt«, versicherte Poirot feierlich.

Er brachte Julia einen Stuhl.

»So, und jetzt möchte ich Sie bitten, mir zu erzählen, was Sie auf dem Herzen haben. Mein Diener George hat mir gesagt, dass es sich um einen, sogar um zwei Morde handelt. Stimmt das?«

»Ja. Miss Springer und Miss Vansittart sind ermordet worden, dazu noch die Entführung…«