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»Verzeihen Sie, aber ich kann nicht ganz folgen«, unterbrach Poirot. »Wo hat sich das alles abgespielt?«

»In meiner Schule – in Meadowbank.«

»Meadowbank – tatsächlich«, sagte Poirot. Er streckte seine Hand aus, um eine sorgfältig zusammengefaltete Zeitung zu öffnen. Er überflog die erste Seite, dann nickte er.

»Ich beginne zu begreifen. Darf ich Sie bitten, mir nun alles der Reihe nach zu schildern, mein Kind?«

Julia erzählte ihm alles. Es war ein ausführlicher Bericht, aus dem Poirot den Gang der Ereignisse klar und deutlich ersehen konnte.

Ihre letzten Worte waren:

»Als die Steine gestern Abend aus meinem Tennisschläger auf den Tisch rollten, kam ich mir vor wie Aladin, und nun werde ich sie Ihnen zeigen.«

Julia hob ihren Rock ohne falsche Scham bis zum Schenkel auf.

Jetzt wurde etwas sichtbar, das wie ein grauer Breiumschlag aussah und mit Heftpflasterstreifen auf ihren Oberschenkel geklebt war.

Sie riss die Pflasterstreifen mit einem Ruck ab, wobei sie laut »au« sagte, und legte den Umschlag, den Poirot jetzt als einen grauen Schwammbeutel erkannte, auf den Tisch. Julia öffnete den Beutel resolut, und ein Häufchen glitzernder Juwelen rollte heraus.

»Nom d’un nom d’un nom!«, flüsterte Poirot erregt.

Er ließ die Steine durch seine Finger gleiten. »Nom d’un nom! Sie sind tatsächlich echt!«

Julia nickte.

»Sie müssen echt sein, sonst wäre ihretwegen niemand ermordet worden, nicht wahr? Aber ich kann verstehen, dass man dafür ein Verbrechen begeht«, sagte sie, plötzlich ganz Frau.

Poirot betrachtete sie aufmerksam.

»Ja, der alte Zauber übt auch auf Sie seine Wirkung aus. Leider… leider…«

»Juwelen – kostbare Juwelen«, murmelte Julia hingerissen:

»Die haben Sie also im Griff Ihres Tennisschlägers gefunden. Phantastique!«, sagte Poirot. »Haben Sie mir jetzt alles erzählt?«

»Ich glaube, ja. Vielleicht habe ich gelegentlich ein bisschen übertrieben, denn dazu neige ich leider – im Gegensatz zu meiner Freundin Jennifer.« Julia warf noch einmal einen bewundernden Blick auf die funkelnden Steine. »Wem gehören sie nun wirklich, Monsieur Poirot?«

»Das wird sich wahrscheinlich schwer feststellen lassen. Jedenfalls gehören sie weder Ihnen noch mir. Wir müssen zunächst einmal überlegen, was wir unternehmen wollen.«

Julia sah ihn erwartungsvoll an.

»Sie überlassen mir alles Weitere. Gut.«

Hercule Poirot schloss die Augen.

Nach kurzem Schweigen öffnete er sie wieder und sagte lebhaft: »In diesem Fall wird mir leider nichts anderes übrig bleiben, als selbst einzugreifen. Bei mir muss immer alles seine Ordnung haben, aber die Ereignisse, die Sie mir beschrieben haben, scheinen völlig zusammenhanglos zu sein. Zu viele verschiedene Fäden… verschiedene Menschen mit verschiedenen Zielen und Interessen. Nur eines steht fest: Das Zentrum der Ereignisse ist Meadowbank. Und deshalb muss auch ich unbedingt nach Meadowbank fahren. Und Sie, mein Kind? Wo ist eigentlich Ihre Mutter?«

»Mummy ist mit einem Autobus in Anatolien unterwegs.«

»Anatolien! Il ne manquait que ça! Kein Wunder, dass sie mit Mrs Summerhayes befreundet ist. Hat es Ihnen bei ihr gefallen?«

»Ja, sehr gut. Sie hat prachtvolle Hunde.«

»Die Hunde… ja, ich erinnere mich. Und wie war das Essen?«

»Das Essen war manchmal etwas eigentümlich«, gab Julia zu.

»Eigentümlich ist das richtige Wort.«

»Aber Tante Maureen macht wundervolle Omeletts.«

»Wenn sie wundervolle Omeletts macht, hat Hercule Poirot nicht umsonst gelebt. Ich habe es ihr beigebracht«, erklärte Poirot strahlend. Dann griff er zum Telefonhörer. »Jetzt müssen wir der Schulleiterin mitteilen, dass Ihnen nichts zugestoßen ist, und sie auf meine Ankunft in Meadowbank vorbereiten.«

»Sie weiß, dass mir nichts passiert ist. Ich habe ihr einen Brief hinterlassen mit der Mitteilung, ich sei nicht entführt worden.«

Nachdem die Verbindung mit der Schule hergestellt war, verlangte Poirot Miss Bulstrode zu sprechen.

»Miss Bulstrode? Hier spricht Hercule Poirot. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass Ihre Schülerin Julia Upjohn bei mir ist und dass wir jetzt gemeinsam im Auto nach Meadowbank fahren werden. Würden Sie so freundlich sein, dem zuständigen Kommissar auszurichten, dass ein Päckchen mit Wertsachen in einem Banktresor deponiert worden ist?… Vielen Dank.«

Er legte den Hörer auf und bot Julia ein Glas Fruchtsaft an, das sie dankend annahm.

»Aber die Juwelen sind doch noch gar nicht auf der Bank«, bemerkte sie erstaunt.

»Sie werden in Kürze dort sein«, erwiderte Poirot. »Aber für den Fall, dass das Gespräch entweder hier oder in Meadowbank abgehört worden ist, hielt ich es für angebracht, den Anschein zu erwecken, dass die Edelsteine nicht mehr in unserem Besitz sind. Es erfordert viel Zeit und Überlegung, einen Bankraub zu organisieren. Ich will auf keinen Fall, dass Ihnen etwas zustößt, mein Kind. Sie haben überlegt und tapfer gehandelt, Ihre Mutter kann stolz auf Sie sein.«

Julias Gesicht war erfreut und verlegen zugleich. 

18

Hercule Poirot, innerlich darauf vorbereitet, dass eine Schulvorsteherin einem Ausländer mit spitzen Lackschuhen und einem großen Schnurrbart mit einem gewissen Misstrauen begegnen würde, war angenehm überrascht, als Miss Bulstrode ihn mit höflicher Zuvorkommenheit begrüßte. Er stellte mit Genugtuung fest, dass sie wusste, wer er war.

»Herzlichen Dank für Ihren prompten Anruf, Monsieur Poirot«, sagte sie. »Glücklicherweise hatten wir uns um Julia keine Sorgen gemacht, da ihre Abwesenheit noch gar nicht bemerkt worden war.« Sie wandte sich an Julia. »Heute Vormittag sind so viele Schülerinnen abgeholt worden, dass ein weiterer leerer Platz beim Mittagessen niemandem aufgefallen ist. Ich bin erst nach dem Telefongespräch in Ihr Zimmer gegangen, wo ich Ihr Briefchen vorfand.«

»Sie sollten nicht denken, dass ich entführt worden bin, Miss Bulstrode.«

»Das war eine gute Idee, Julia. Aber warum haben Sie mich nicht über Ihre Pläne informiert?«

»Weil ich es nicht für angebracht hielt«, erwiderte Julia. Sie fügte geheimnisvoll hinzu: »Les oreilles ennemies nous écoutent.«

»Eine besonders gute Aussprache hat Mademoiselle Blanche Ihnen aber noch nicht beigebracht«, bemerkte Miss Bulstrode kopfschüttelnd. »Doch ich will Ihnen keine Vorwürfe machen.« Sie blickte von Julia zu Poirot. »Würden Sie so gut sein, mir jetzt genau zu schildern, was sich ereignet hat, Julia?«

»Sie gestatten?«, sagte Hercule Poirot. Er ging schnell zur Tür, öffnete sie und sah hinaus. Dann schloss er sie mit einer übertriebenen Geste und kehrte lächelnd zurück.

»Wir sind allein«, bemerkte er. »Wir können fortfahren.«

Miss Bulstrode blickte von ihm zur Tür, dann wieder auf Poirot. Sie hob die Augenbrauen. Poirot erwiderte ihren Blick, und Miss Bulstrode senkte, fast unmerklich, den Kopf. Dann sagte sie mit ihrer üblichen forschen Stimme: »So, und jetzt können Sie mir alles berichten, Julia.«

Julia erzählte vom Austausch der Tennisschläger, von der fremden Dame und schließlich von den Edelsteinen, die sie im Griff des Tennisschlägers gefunden hatte.

Poirot bestätigte Julias Schilderung der Ereignisse.

»Mademoiselle Julia hat einen genauen Bericht abgegeben«, erklärte er. »Ich habe die Juwelen an mich genommen und sie in einer Bank deponiert. Daher glaube ich, dass Sie keine weiteren unangenehmen Zwischenfälle in Meadowbank zu befürchten haben.«

»Ich verstehe«, erwiderte Miss Bulstrode. »Ich verstehe…« Nach kurzem Zögern fuhr sie fort: »Halten Sie es für richtig, dass Julia hier bleibt? Wäre es nicht besser, wenn sie zu ihrer Tante nach London ginge?«