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»Ja. Die Verabredungen wurden nicht eingehalten.«

»Shanda muss also aus einem anderen Grund entführt worden sein. Aus welchem Grund?«

»Vielleicht wollte man von ihr erfahren, wo die Wertgegenstände verborgen sind?«, meinte Adam unsicher.

Poirot schüttelte den Kopf.

»Davon wusste sie nichts, das steht fest. Nein, es muss einen anderen Grund gehabt haben…«

Er schwieg einen Augenblick mit gerunzelter Stirn. Plötzlich stellte er eine Frage:

»Ihre Knie! Haben Sie jemals ihre Knie bemerkt?«

Adam sah ihn erstaunt an.

»Nein. Warum sollte ich?«

»Es gibt viele Gründe, warum ein Mann die Knie eines Mädchens bemerkt. Leider haben Sie es nicht getan«, erwiderte Poirot.

»Hatte sie vielleicht eine Narbe am Knie? Oder etwas Ähnliches?«, fragte Adam. »Ich habe jedenfalls nichts gesehen, da die Röcke der jungen Mädchen vorschriftsmäßig die Knie bedecken.«

»Haben Sie sie niemals im Schwimmbad gesehen?«, fragte Poirot hoffnungsvoll.

»Bestimmt nicht. Sie ist nie ins Wasser gegangen; war ihr zu kalt, nehme ich an. Sie war an ein wärmeres Klima gewöhnt. Denken Sie an eine Narbe?«

»Nein, nein. Durchaus nicht… jammerschade.«

Poirot wandte sich zum Polizeichef.

»Wenn Sie gestatten, werde ich mich mit meinem alten Freund, dem Polizeipräsidenten von Genf, in Verbindung setzen. Er wird uns vielleicht helfen können.«

»Handelt es sich um etwas, das sich während ihrer dortigen Schulzeit ereignet hat?«

»Schon möglich. Sie haben nichts dagegen? Gut. Es ist nur so eine meiner Ideen…« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Die Presse hat die Entführung doch bisher nicht erwähnt?«

»Nein, auf ausdrücklichen Wunsch des Emirs Ibrahim.«

»Aber ich habe in einem Feuilleton etwas über eine junge Ausländerin gelesen, die plötzlich aus ihrem Internat verschwand. Der Journalist deutete an, dass es sich um eine Liebesgeschichte handeln würde, nicht wahr?«

»Das war meine Idee«, erklärte Adam. »Ich hielt es für eine gute fälsche Fährte.«

»Hervorragend!«, lobte Poirot. »Und nun wenden wir uns von der Entführung ab und dem Mord zu. Zwei Morde in Meadowbank.«

19

»Zwei Morde in Meadowbank«, wiederholte Poirot nachdenklich.

»Wir haben Ihnen die Tatsachen berichtet«, sagte Kelsey. »Was halten Sie davon?«

»Warum in der Turnhalle? Das war die Frage, nicht wahr?«, sagte Poirot zu Adam. »Die Antwort darauf ist uns jetzt bekannt. Weil dort ein Tennisschläger war, in dessen ausgehöhltem Griff sich ein Vermögen befand. Aber wer hat davon gewusst? Möglicherweise Miss Springer, die, wie Sie mir gesagt haben, es nicht mochte, dass Leute, die dort nichts zu suchen hatten, in die Turnhalle kamen. Das bezog sich ganz besonders auf Mademoiselle Blanche.«

»Mademoiselle Blanche«, wiederholte Kelsey stirnrunzelnd.

Poirot wandte sich an Adam.

»Auch Sie schöpften Verdacht, als Sie Mademoiselle Blanche in der Turnhalle antrafen, nicht wahr?«

»Sie gab sich übertrieben große Mühe, ihre Anwesenheit zu erklären. Nur das hat mich stutzig gemacht.« Poirot nickte.

»Das ist nur zu verständlich.« Er wandte sich an Kelsey. »Wo war Miss Springer, bevor sie nach Meadowbank kam?«

»Das ist uns nicht bekannt. Sie hat bis zum vorigen Sommer an einer anderen Mädchenschule gearbeitet, aber was sie danach tat, wissen wir nicht.« Er fügte trocken hinzu: »Bevor sie ermordet wurde, hatten wir keine Gelegenheit, sie zu fragen, und sie hat weder nahe Verwandte noch enge Freunde besessen.«

»Sie könnte also schon in Ramat gewesen sein«, stellte Poirot fest.

»Ich glaube, dass zurzeit der Revolution eine Gruppe von Lehrerinnen dort war«, bemerkte Adam.

»Nehmen wir einmal an, dass sie dort war und auf irgendeine Weise das Geheimnis des Tennisschlägers erfuhr. Dann hat sie sich mit den Gepflogenheiten in Meadowbank vertraut gemacht und ist eines Abends in die Turnhalle gegangen. Sie fand den Tennisschläger und war gerade dabei, den Inhalt aus dem Griff zu nehmen, als sie überrascht wurde… aber von wem? Wer hatte sie beobachtet? Wer war ihr an jenem Abend gefolgt? Wer immer es gewesen sein mag, er besaß einen Revolver und erschoss Miss Springer. Doch er hörte Schritte, die sich der Turnhalle näherten, und war gezwungen, die Flucht zu ergreifen, ohne die Juwelen oder den Tennisschläger in der Eile mitnehmen zu können.«

»Glauben Sie, dass es so war, Monsieur Poirot?«, fragte der Polizeichef.

»Es ist jedenfalls eine Möglichkeit. Die andere wäre, dass die Person mit dem Revolver zuerst in der Turnhalle war und von Miss Springer überrascht wurde. Vielleicht war es jemand, der Miss Springer schon lange verdächtig erschien…«

»Und die andere Frau?«, fragte Adam.

Poirot blickte langsam von ihm zu den beiden anderen Herren. »Ich weiß es ebenso wenig wie Sie. Glauben Sie, dass es jemand war, der nicht im Haus lebt?«

Kelsey schüttelte den Kopf.

»Kaum. Wir haben in der Nachbarschaft gründlich sondiert, vor allem haben wir uns nach Ausländern erkundigt. Eine Madame Kolinsky, die Adam bekannt ist, hat in der Nähe gewohnt, aber sie kann nichts mit den beiden Morden zu tun gehabt haben.«

»Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als unsere Aufmerksamkeit auf Meadowbank zu konzentrieren.«

»Ich fürchte, ja«, seufzte Kelsey. »Den ersten Mord hätten fast alle Bewohner der Schule begehen können – mit Ausnahme von Miss Chadwick, Miss Johnson und dem jungen Mädchen, das Ohrenschmerzen hatte. Für den zweiten Mord kommen weniger Leute infrage. Miss Rich war zwanzig Meilen von Meadowbank entfernt. Miss Blake war in Littleport, und Miss Shapland war in einem Londoner Nachtklub mit einem gewissen Mr Dennis Rathbone.«

»Miss Bulstrode war, wie ich hörte, ebenfalls fort, nicht wahr?« Adam grinste. Kelsey und der Polizeichef waren verblüfft.

»Miss Bulstrode war bei der Herzogin von Welsham zu Besuch«, beantwortete Kelsey die Frage.

»Damit hätten wir also auch Miss Bulstrode aus dem Kreis der Verdächtigen eliminiert«, stellte Poirot mit ernster Miene fest. »Wer käme sonst noch infrage?«

»Zwei Dienstboten, die im Hause leben: Mrs Gibbons, die Köchin, und Doris Hogg. Aber ich halte es praktisch für ausgeschlossen, dass sie etwas mit dem Verbrechen zu tun hatten. Bleiben also nur noch Miss Rowan und Mademoiselle Blanche.«

»Und die Schülerinnen.«

»Halten Sie das wirklich für möglich?«, fragte Kelsey erstaunt.

»Offen gestanden – nein. Aber man darf keine Möglichkeit außer Acht lassen.«

Doch Kelsey ging nicht weiter darauf ein. Er fuhr fort:

»Miss Rowan ist seit über einem Jahr hier. Sie hat einen guten Ruf. Soviel ich weiß, hat sie sich nie etwas zu Schulden kommenlassen.«

»Damit bleibt uns also nur noch Mademoiselle Blanche.«

Es folgte ein längeres Schweigen.

»Wir haben keine Beweise. Auch ihre Referenzen scheinen echt zu sein«, erklärte Kelsey.

»Sie hat sich in alles eingemischt, aber das ist noch kein Beweis dafür, dass sie ein Verbrechen begangen hat«, sagte Adam.

»Einen Augenblick«, bat Kelsey. »Mir fällt eben etwas ein. Die Sache mit dem Schlüssel. Ich glaube, der Schlüssel zur Turnhalle fiel aus dem Schloss, sie hob ihn auf und vergaß ihn wieder zurückzustecken. Daraufhin machte die Springer ihr eine Szene.«

»Die Person, die plant, nachts in die Turnhalle zu gehen, um nach dem Tennisschläger zu suchen, brauchte einen Schlüssel«, griff Poirot den Faden auf. »Also musste sie sich ein Schlüsselduplikat verschaffen.«

»In diesem Fall wäre es töricht gewesen von Mademoiselle Blanche, den Zwischenfall Ihnen gegenüber zu erwähnen«, bemerkte Adam.

»Durchaus nicht«, erwiderte Kelsey. »Die Springer mochte über die Schlüsselsache gesprochen haben, und daher hielt die Blanche es für besser, sie ebenfalls zu erwähnen.«