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»Soll ich sie vielleicht entführen?«

»Unsinn! Versuchen Sie doch zur Abwechslung mal ernsthaft zu sein, Ronnie! Ich halte es für möglich, dass Shanda bald im Mittelpunkt des Interesses stehen wird, und ich möchte, dass Sie die Entwicklungen in Meadowbank aus unmittelbarer Nähe beobachten. Genauere Anweisungen kann ich Ihnen vorläufig nicht geben. Ich weiß nicht, was geschehen wird oder wer dort auftauchen mag. Sollten sich verdächtige Gestalten zeigen, bitte ich Sie, uns umgehend zu verständigen.«

Der junge Mann nickte.

»Unter welchem Vorwand soll ich mir Zutritt verschaffen? Vielleicht als Zeichenlehrer?«

»In Meadowbank gibt es nur Lehrerinnen… wie wäre es, wenn wir Sie zum Gärtner ernennen würden?«

»Zum Gärtner?«

»Warum nicht? Wenn ich mich nicht irre, verstehen Sie sogar etwas davon.«

»Allerdings. Ich habe in jungen Jahren eine Artikelserie über ›Freuden und Leiden des Gärtners‹ für die Sunday Mail geschrieben.«

»Das beweist noch nicht, dass Sie praktische Kenntnisse besitzen – und darauf kommt es hier an… in die Hände spucken, den Spaten fest anpacken, umgraben, düngen, rechen, jäten, tiefe Gräben für die Wicken ziehen, schwer arbeiten – können Sie das?«

»Natürlich, das habe ich von Jugend auf getan.«

»Das wollte ich nur hören, Ronnie, denn ich kannte Ihre Mutter und bin überzeugt, dass sie ihre Kinder zu praktischen Menschen erzogen hat. Gut, das wäre erledigt.«

»Wissen Sie, ob in dem Internat ein Gärtner gebraucht wird?«

»Es gibt kein englisches Landhaus, dessen Besitzer nicht verzweifelt nach Gärtnern sucht. Die Nachfrage ist viel größer als das Angebot. Nein, darüber brauchen Sie sich nicht den Kopf zu zerbrechen. Wir werden Ihnen erstklassige Zeugnisse mitgeben, und man wird Sie mit Begeisterung anstellen. Sie haben übrigens keine Zeit zu verlieren, da der Unterricht am 29. beginnt.«

»Ich soll also mit weit offenen Augen und gespitzten Ohren im Garten arbeiten…«

»Stimmt. Und vermeiden Sie möglichst, sich von einem temperamentvollen Teenager verführen zu lassen. Wir wollen nicht riskieren, dass Sie Ihre Stellung zu schnell wieder verlieren.«

Colonel Pikeaway nahm einen Bleistift und ein Notizbuch zur Hand.

»Wie wollen Sie sich nennen?«

›»Adam‹ wäre vielleicht nicht unangebracht.«

»Familienname?«

»Was halten Sie von ›Eden‹?«

»Lassen Sie die Witze… Sagen wir: ›Adam Goodman‹. Legen Sie mit Jenson alle notwendigen Einzelheiten im Hinblick auf Ihre Vergangenheit fest. Danach bewerben Sie sich unverzüglich um den Posten eines Gärtners.« Pikeaway sah auf die Uhr. »Ich muss unsere Unterredung jetzt abbrechen, denn ich möchte Mr Robinson nicht warten lassen.«

Adam – um ihn bei seinem neuen Namen zu nennen – blieb an der Tür stehen.

»Sie erwarten Mr Robinson?«, fragte er neugierig.

»Das haben Sie doch gehört.« Auf dem Schreibtisch surrte eine Klingel. »Das ist er – pünktlich wie immer.«

Adam konnte seine Neugier nicht bezähmen.

»Wer ist dieser Robinson? Wie heißt er wirklich?«

»Er heißt Robinson, mehr kann ich Ihnen im Augenblick nicht sagen.«

Der Mann, der jetzt ins Zimmer trat, sah tatsächlich nicht wie ein Mr Robinson aus. Viel eher hätte er Demetrius, Isaaksohn oder Perenna heißen können; er mochte ein Grieche, ein Jude, ein Spanier oder ein Südamerikaner sein – es war schwer, ihn herkunftsmäßig einzuordnen. Nur wie ein durchschnittlicher Engländer mit dem weit verbreiteten Namen Robinson wirkte er nicht.

Er war korpulent, elegant gekleidet, und sein Teint schien gelblich. Er hatte melancholische dunkle Augen, eine hohe Stirn, einen großzügigen Mund und übertrieben weiße Zähne. Seine gut geformten Hände waren sorgfältig manikürt. Er sprach ein akzentfreies Englisch.

Colonel Pikeaway und Mr Robinson begrüßten sich mit der Höflichkeit regierender Fürsten.

Nachdem sein Gast dankend eine Zigarre angenommen hatte, sagte der Coloneclass="underline" »Wir sind Ihnen sehr dankbar, dass Sie sich bereiterklärt haben, uns zu helfen.«

Mr Robinson machte mit sichtlichem Genuss ein paar Züge.

»Das ist doch selbstverständlich, lieber Pikeaway«, bemerkte er liebenswürdig. »Wie Sie wissen, komme ich viel herum und treffe die verschiedensten Leute. Merkwürdigerweise schenken sie mir oft ihr Vertrauen. Manchmal frage ich mich wirklich, warum.«

Colonel Pikeaway ging nicht weiter auf diese Bemerkung ein, sondern fragte ohne Umschweife: »Dann wissen Sie wohl auch, dass Prinz Ali Yusufs Flugzeug gefunden worden ist?«

»Vorigen Mittwoch«, erwiderte Mr Robinson. »Schwieriger Flug, aber das Unglück war nicht die Schuld des Piloten. Die Maschine ist kurz vor dem Abflug beschädigt worden, und zwar von einem gewissen Achmed, einem Flugzeugmechaniker, den Bob Rawlinson für äußerst zuverlässig hielt. Leider hat er sich geirrt. Achmed hat übrigens jetzt einen sehr einträglichen Posten unter dem neuen Regime.«

»Es war also tatsächlich ein Sabotageakt! Wir waren unserer Sache bisher noch nicht ganz sicher. Tragische Angelegenheit!«

»Der arme Prinz Ali war den Intrigen und der Korruption in Ramat nicht gewachsen. Wahrscheinlich war es ein Fehler, ihm eine englische Erziehung angedeihen zu lassen… Aber welchen Sinn hat es, über die Vergangenheit zu lamentieren? Ali Yusuf ist tot, und nichts ist so tot wie ein toter König. Wir, und auch Sie, Colonel, sind nun nur noch an Prinz Alis Hinterlassenschaft interessiert.«

»Worin besteht diese Hinterlassenschaft?«

Mr Robinson zuckte die Achseln.

»Aus einem ansehnlichen Bankguthaben in Genf, einem kleinen Konto in London, ausgedehnten Besitzungen in seiner Heimat, die natürlich von den Rebellen beschlagnahmt wurden, und – aus einer persönlichen Kleinigkeit.«

»Einer Kleinigkeit?«

»Ich spreche nicht vom Wert des Gegenstandes, sondern von seinem äußeren Umfang. Es handelt sich um etwas, das man in der Tasche mit sich tragen kann.«

»Soviel ich weiß, hat man bei der Leiche nichts gefunden.«

»Nein, weil er dem jungen Rawlinson seine… seine Juwelen anvertraut hatte.«

»Wissen Sie das genau?«, fragte Pikeaway erregt.

»Ganz genau weiß man es natürlich nicht«, erklärte Mr Robinson fast entschuldigend. »Natürlich kann man nicht alle Palastgerüchte für bare Münze nehmen, aber in diesem Fall bin ich meiner Sache ziemlich sicher.«

»Aber auch bei Rawlinson wurde nichts gefunden.«

»Dann müssen sie auf eine andere Art aus dem Land geschmuggelt worden sein.«

»Auf welche Art? Haben Sie einen bestimmten Verdacht?«

»Nachdem Rawlinson die Juwelen erhalten hatte, verließ er den Palast und ging in ein Café in der Stadt. Dort soll er mit niemandem gesprochen oder sonst wie Kontakt aufgenommen haben. Dann begab er sich ins ›Ritz Savoy‹, wo seine Schwester wohnte. Er ging in ihr Zimmer hinauf und hielt sich dort etwa zwanzig Minuten auf. Seine Schwester war nicht da. Nach Verlassen des Hotels ging Rawlinson zur Handelsbank, wo er sich einen Scheck auszahlen ließ. Als er das Bankgebäude verließ, hatte die Revolte bereits mit einem Aufstand der Studenten begonnen. Es verging einige Zeit, bis die Straße geräumt war. Danach machte Rawlinson sich auf den Weg zum Flugplatz, wo er die Maschine, im Beisein von Achmed, überprüfte.

Kurz darauf kam Ali Yusuf in seinem Auto auf dem Flugplatz an und erklärte, dass er den Bau des neuen Dammes von der Luft aus besichtigen wolle. Er und Rawlinson flogen ab und kehrten nicht mehr zurück.«

»Und zu welchem Schluss sind Sie gekommen?«

»Zum gleichen Schluss wie Sie, Colonel. Warum verbrachte Bob Rawlinson zwanzig Minuten im Zimmer seiner Schwester, wo er doch wusste, dass sie unterwegs war? Er schrieb ihr einen kurzen Brief; dazu brauchte er höchstens zwei Minuten. Was tat er in der übrigen Zeit?«