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»Ist das immer so?«, fragte Diego.

»Mehr oder weniger, das heißt, sie betrinken sich entweder mehr oder weniger.« Harry lächelte.

»Ah, ja.« Er lächelte zurück, und es war offensichtlich, dass sie ihm gefiel. In der Botschaft gab es nicht viele Frauen wie Harry. Sie faszinierte ihn. »Bei uns sind die Jahreszeiten anders herum. Frühlingsgefühle stellen sich Ende Oktober und Anfang November ein.«

»Ich stelle es mir schön vor in Südamerika.«

»Ja - nicht jeder Zentimeter, aber - ja.«

»Hat BoomBoom Ihnen den Zeitplan für heute gegeben?«

»Wir gehen auf eine Teeparty. BoomBoom wollte, dass ich Sie im Garten treffe. Sie hatte vorgeschlagen, dass ich mir die Parade anschaue und Sie anschließend treffe, aber ich wollte Sie so bald wie möglich kennen lernen, und ich bin froh, dass ich es getan habe.«

»Ich auch. Ich vermute, BoomBoom wollte, dass wir uns im Garten treffen, weil ich dann ein Kleid angehabt hätte. Das kommt selten vor.« Harry errötete kurz. »Offen gesagt, ich bin fast immer in Jeans.«

»Senorita, Sie sind schön, ganz egal, was Sie anhaben.« Er neigte leicht den Kopf.

»»Oh, das ist gut.« Tucker war begeistert.

Harry brach in Lachen aus. »Mr. Aybar ...«

»Diego.«

»Diego, Sie sind sehr liebenswürdig.« Sie holte tief Luft.

»Wir haben noch ein paar Stunden, bevor wir uns für die Party umziehen müssen. Wenn Sie wollen, kann ich Sie herumfahren, Ihnen ein bisschen die Gegend zeigen. Allerdings glaube ich nicht, dass wir es rechtzeitig bis Monticello und zurück schaffen können.«

Er hob die Hand. »Ich bin dort gewesen. Mr. Jefferson besitzt meine volle Bewunderung.«

»Rumkreuzen?«

»Rumkreuzen.« Er sprach ihr Wort nach. Diego lernte schnell.

Und sie kreuzten herum und plauderten die ganze Zeit. Sie fuhr an Landsitzen, Apfelhainen, Rinderfarmen vorbei. Zu ihrer Freude erfuhr sie, dass die Aybars einen Wohnsitz in Montevideo unterhielten, aber auch eine Estancia hatten, wo sie Vieh züchteten.

Diego hatte an der Duke-Universität und an der Yale- Universität und abschließend in seiner Heimat Uruguay Jura studiert. Sein Vater hatte ihn zum diplomatischen Dienst getrieben, doch sein Herz gehörte der Landwirtschaft.

»Ich bin an einem Scheideweg.«

»Und Ihr Vater wird verstimmt sein?«

»Er wird an die Decke gehen.« Diego lächelte matt. »Die Familie ist in meiner Heimat, oh, ich kann nicht sagen wichtiger, aber enger, tiefer verpflichtet vielleicht. Hier kommt die Arbeit zuerst - so scheint es mir zumindest. Heimat heißt Familie. Und wie alles ist das gut und schlecht. Sehen Sie, wir haben herrschende Familien, und sie fragen nicht, was ist das Beste für Uruguay, sondern was ist das Beste für die Familie.«

»Ich glaube, ich verstehe. Und Sie kommen aus einer solchen Familie.«

»Mein Vater und mein Großvater würden das gerne glauben.« »Vielleicht kann dieses Wochenende Ihre Gedanken von Ihrem Scheideweg abbringen.«

»Oder mir helfen, zu einem Entschluss zu kommen. Man möchte seine Familie ja ungern enttäuschen, nicht? - aber man möchte auch ungern dem eigenen Ich Gewalt antun.«

»Darüber sind ganze Romane geschrieben worden.« Harry bog ab in Richtung Berge. »Wo ist Thomas Steinmetz?«

»Er musste noch ein paar Verpflichtungen nachkommen, aber er wird zum Tee da sein. Sie müssen wissen, dass Ihr Bezirk überquillt von pensionierten Botschaftern, Diplomaten, ranghohen Beamten und höheren Militär­Offizieren«, erwiderte Diego.

Als Harry Diego vor BoomBooms Gästehaus absetzte, hatten sie eine Menge über einander erfahren. Das Wichtigste war vielleicht, dass sie beide Sinn für Humor hatten.

Das Telefon klingelte, als Harry sich mit ihrer Strumpfhose abmühte.

»Wie findest du Diego?«, fragte BoomBoom.

»Er sieht gut aus und ist charmant.«

»Ich dachte mir, dass er dir gefällt. Landwirtschaft ist seine Leidenschaft.«

»Ja, das haben wir festgestellt. Rufst du nur an, um dich zu erkundigen, wie ich ihn finde?« Harry blieb BoomBoom gegenüber misstrauisch.

»Hm, nein. Ich brauche deine Hilfe. Roger O'Bannon hat Lottie Pearson beleidigt, und sie ist sowieso schon wütend auf mich - umso mehr, als sie ein Auge auf Diego geworfen hat. Ich habe Tante Tally gebeten, Roger wieder auszuladen, aber sie will nichts davon hören, du weißt ja, Tante Tally liebt Szenen über alles. Ich dachte, du könntest vielleicht mit ihr sprechen. Sie kann dich besser leiden als mich.«

»BoomBoom, seit wann bist du um Lottie Pearson besorgt? Da steckt doch mehr dahinter, als du mir erzählst.«

»Nein, wirklich nicht. Ich hatte gehofft Tante Tally mit einer Szene zu verschonen.«

»Um Gottes willen, BoomBoom, Tante Tally lebt bei Szenen auf.« Harry fing an zu lachen.

»Du hast Recht, ich hab mir selbst widersprochen.« Boom-Boom seufzte tief. »Ich hatte gehofft, mich selbst zu verschonen.«

Tante Tally sollte ihre Szene bekommen, aber eine andere als die, die BoomBoom vorausgesehen hatte.

9

Damit eine Party in Virginia ein Erfolg wird, sind bestimmte Vorkommnisse unerlässlich. Erstens muss jemand in Tränen aufgelöst fortgehen. Zweitens muss jemand infolge maßlosen Sauf ens ohnmächtig werden. Drittens muß es eine Schlägerei geben, und schließlich muss sich jemand verlieben.

Nach diesen Begebenheiten gefragt, würden die meisten Virginier die Schlägerei, die Tränen und die Trunkenheit verurteilen, aber nicht so Tante Tally. Freimütig bekennend, dass das Leben Theater sei oder zumindest ihre Partys Theater seien, mischte sie ihre Gäste wie Wasser und Schwefelsäure und wartete dann auf die Explosion.

Mit zunehmendem Alter wurde ihr Appetit auf dramatische Ereignisse nur noch mehr angeregt. Ihre geliebte, wenngleich bekrittelte Nichte Big Mim meinte, das komme daher, weil Tante Tally kein Sexualleben habe. Sie bringe anderer Leute Hormone in Wallung.

Als sie dies hörte, fauchte Tally: »Natürlich hab ich kein Sexualleben. Es gibt keine Männer über neunzig und die unter neunzig wollen nichts von mir wissen. Finde mir einen Liebhaber und ich sorge dafür, dass ihm die Puste ausgeht. Ich bin immer noch scharf im Bett, Marilyn, merk dir das!«

»Lieber Gott, verschone mich«, murmelte Big Mim durch ihre mattbronzefarben geschminkten Lippen.

Dies spielte sich vor Reverend Jones, Miranda, Susan und Ned Tucker ab sowie Lottie Pearson, die zeitig gekommen war, um sich unter die älteren Herrschaften zu mischen, stets auf der Jagd nach großzügigen Spendern für die Universität. Big Mim konnte auf keinen Fall verschont werden.

»Worauf starrt ihr alle mit offenem Mund? Auf diese Weise fangt ihr Fliegen.« Tally schnippte ihren Stock mit dem silbernen Hundekopf zu den Anwesenden hin. Ehe sie die Versammelten noch mehr schelten konnte, flog die Tür auf, und alle Übrigen schienen zugleich einzutreffen. Die O'Bannons stürmten äußerst aufgekratzt herein. Roger trug aus Gründen, die nur ihm und Jim Beam bekannt waren, einen Minzezweig an seinem Sportsakko. Sean küsste Tante Tally mehrmals. Sie ließ ihn nur ungern los.

Ned Tucker merkte, dass Tante Tallys Personal, fast so alt wie die große Dame selbst, nie und nimmer imstande sein würde, die Hors d'reuvres und Getränke fix genug herumzureichen. Flugs dirigierte er die Leute an die Bar, eine vorläufige Maßnahme. Dann rief er den Kapellmeister der Crozet Highschool an, einen alten Freund, er möge ein paar Schüler schicken, damit sie das Essen herumreichten. Er werde der Crozet Highschool eine Spende zukommen lassen.

Kaum hatte er aufgelegt, als BoomBoom hereingewirbelt kam, der durchsichtige Rock ihres Frühjahrskleids in duftigem Lavendelblau fing das Licht und die Brise ein. Neben BoomBoom reihte sich Thomas Steinmetz, blond, mittelalt, tadellos gekleidet, in die Schlange, um Tante Tally seine Aufwartung zu machen. Er war ein Mann, der nach London flog, wenn ihn die Lust überkam, um sich bei Trunbull & Asser für Hemden, in Geschäften in der Jermyn Street für Anzüge und bei Lobb's oder Maxwells für Schuhe Maß nehmen zu lassen. Hinter Thomas stand Diego, ebenfalls tadellos in Schale, ein leuchtend türkisfarbenes Tuch in der Brusttasche seines Seiden­Leinen-Jacketts.