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»Komm, wir fläzen uns vor unsere Futternäpfe. Da wirken wir nicht so neugierig«, flüsterte Mrs. Murphy Pewter zu.

»Gute Idee.« Pewter duckte sich, sammelte sich, schwang sich dann auf die Anrichte. Am Futternapf sitzen war ihre natürliche Position.

Lottie atmete durch die Nase aus. »Kriegen Sie den Wetterkanal rein?«

»Ja.«

»Die tun bei jedem Pieps, als handelte es sich um einen Jahrtausendtrend. Zuerst ist es ein Erwärmungstrend. Dann ist es El Nino, gefolgt von La Nina. Mehr oder weniger Siebzehn-Jahres-Zyklen. Wie kann man einen Trend voraussagen? Unsere akkuraten Aufzeichnungen reichen nicht weit genug zurück.«

»Das frage ich mich auch.«

Die Milch im Tiegel wurde heiß. Harry goss den Katzen etwas kalte Milch ein und gab Tucker einen Leckerbissen. Als die Temperatur der Milch genau richtig war, kurz vorm Kochen, goss sie die Milch über das Kakaopulver, rührte um, holte eine Dose Schlagsahne aus dem Kühlschrank und spritzte einen Sahneberg obendrauf. Dann nahm sie eine Orange aus dem Obstkorb und hobelte einen dünnen Streifen Schale ab. Die legte sie auf die Schlagsahne und stellte den Trank vor Lottie hin.

»Hübsch sieht das aus.«

»Warten Sie lieber ein bisschen, ist noch heiß.« Harry setzte sich ihr mit ihrem extra großen Becher Kakao gegenüber.

»Die Glasur auf Ihren Bechern gefällt mir. Sie sind so groß, dass man sie fast als Suppenschalen benutzen könnte.«

»Die hab ich in dem Küchenladen in Middleburg gekauft.«

»Eine schöne Stadt. Ich frage mich, wie lange noch.« Lottie tauchte ihren Löffel in die Schlagsahne. »Hm-m- m.« Sie wurde wieder ernst. »Washington dehnt sich aus. Wir werden es noch erleben, dass die Großstädte die ganze Ostküste schlucken.«

»Gott, das will ich nicht hoffen.«

»Die Westküste auch.« Lottie führte ihre pessimistische Überzeugung weiter aus. »Alle ziehen in die Stadt, dann verlassen sie die Stadt, und aus irgendwelchen Gründen wollen alle in der schönen ländlichen Gegend leben, die sie sogleich verschandeln. Wenn wir schlau wären, würden wir wieder Personenzüge einsetzen. Strecken in Betrieb nehmen. Das würde die Umweltverschmutzung um die Hälfte reduzieren, wenn nicht mehr. Züge verschmutzen die Luft achtmal weniger als Flugzeuge und viermal weniger als Autos. Und beim Pendelverkehr im Zug kann man Zeitung lesen. Beim Autofahren kann ich keine Zeitung lesen. Beim Autofahren kann ich überhaupt nichts tun außer fahren. Ich hab solche Angst, dass mir jemand reinkracht oder ein Geisterfahrer entgegenkommt. Heutzutage kann man niemandem trauen.«

»Schon möglich.« Harry fragte sich, wie lange Lottie brauchen würde, um zum Anlass ihres unangekündigten Besuchs zu kommen.

Lottie spielte mit dem Zigarettenpäckchen, das sie in ihren Schoß hatte fallen lassen. Sie konnte sich keine anzünden, bevor sie den Kakao ausgetrunken hatte, so gern sie es auch wollte - es gehörte sich nicht, gleichzeitig zu rauchen und etwas zu verzehren.

»Wir haben vom Wetter und von der Ausdehnung der Städte gehört.« Pewter leckte sich die Milch vom Mund. »Was kommt jetzt?«

Wie zur Antwort auf die graue Katze stützte Lottie den rechten Ellbogen auf den Tisch. Das entsprach zwar nicht der Etikette, aber sie dachte, dass Harry es unter den gegebenen Umständen nicht übel nehmen würde. Man konnte es auch übertreiben mit den Manieren. »Harry, Sie wissen, dass meine Stellung an der Universität eine Menge gesellschaftliche Kontakte erfordert. Ich genieße das. Ich genieße es, Menschen zu begegnen und Beziehungen zu pflegen. Und«, fügte sie schnell an, »nicht alle Beziehungen führen zu großen Spenden für die Universität. Big Mim wird uns nie einen Scheck ausstellen. Ihr Geld geht an ihre Alma Mater, und das respektiere ich. Als sie jung war, waren an der Universität ja nur Männer zugelassen. Ihr Sohn hat die Cornell- Universität besucht. Wie gesagt, nicht alle meine gesellschaftlichen Kontakte drehen sich um Spenden.«

»Das ist gut zu wissen.« Harry trank die Hälfte von ihrem Kakao. Sie hatte gar nicht gewusst, dass sie durstig war.

»Ich bin ein Leutemensch.« Lottie lächelte.

»Das müssen Sie sein, um Ihren Job gut zu machen.« Harry lächelte zurück und fragte sich, ob sie noch mal Milch heiß machen sollte.

»Ich begegne allen möglichen Leuten, und ich muss mit allen möglichen Leuten auskommen. Aber meistens umgarne ich die Reichen. Die sind mehr ähnlich als verschieden.« Sie leerte ihren Becher.

»Ich mache mir noch einen.«

»Oh, ich kann nicht mehr.«

»Ach was, Sie können bestimmt noch, und entschuldigen Sie, dass ich keine Plätzchen auf den Tisch gestellt habe. Ich weiß nicht, wo ich zurzeit meinen Kopf habe.« Sie öffnete den Schrank, legte Plätzchen auf einen Teller, dann erhitzte sie noch Milch.

Der Regen draußen trommelte gleichmäßig, die Nacht war schwärzer als schwarz.

»Danke. Also ich finde, dass die meisten Menschen, und ich sage die meisten, nicht alle, dass die meisten Menschen mit Geld auf visuelle Hinweise reagieren. Sie taxieren andere Leute ganz schnell, falls Sie verstehen, was ich meine. Was für Ohrringe trägt sie? Was für eine Armbanduhr hat er um, und was für ein Auto fährt sie oder er? Der Schnitt der Kleidung. Diese Hinweise sind sehr, sehr wichtig. Die Art, wie jemand spricht. Die Tischmanieren. Ich schwöre, deswegen sind Südstaatler beim Spendensammeln so erfolgreich. Wir können uns wenigstens benehmen.«

»Gute Manieren sind uns eingebläut.« Harry lachte; als Kind hatte sie von ihrer Mutter, ihren Tanten und anderen Erwachsenen einen ständigen Strom von Geboten zu hören bekommen.

»So kann man's auch ausdrücken.« Lottie drehte sich auf ihrem Stuhl zum Herd hin, wo die Milch siedete. »Sie würden staunen, wie viel Geld ich allein für Kleidung ausgebe. Dabei bin ich eigentlich gar nicht verrückt nach Kleidern, aber ich muss gut aussehen.«

»Sie gehören zu den bestangezogenen Frauen, die ich kenne. Sie, die zwei Mims und BoomBoom. Immer.«

»Boom ist zu protzig.« Mit einer abwertenden Handbewegung verbannte Lottie den bloßen Gedanken an BoomBoom Craycroft. »Es erfordert Zeit, Fantasie und Geld von meinem Etat. Ich wurde schließlich nicht mit einem silbernen Löffel im Mund geboren.«

»Ich frage mich oft, wie das Leben wäre, wenn ich einen im Mund gehabt hätte«, sinnierte Harry, während sie den nächsten Becher köstlichen Kakao zubereitete. Diesmal streute sie etwas Muskatpulver obendrauf und legte die Orangenschale darüber. Beim ersten Mal hatte sie den Muskat vergessen.

»Wir wären beide besser gestellt.« Lottie drehte sich wieder zum Tisch, als Harry sich hinsetzte. »Es ist zermürbend. Ich liebe meine Arbeit, aber es ist eine Strapaze, Rechnungen zu bezahlen, den äußeren Schein zu wahren, Steuern zu bezahlen. Mir bleibt so wenig übrig.«

»Ja, das Gefühl kenne ich, aber wir sind gesund, wir leben in einer der schönsten Gegenden der Welt.«

»Das ist wahr.« Lottie atmete ein, nahm ihren schweren Becher in die Hand, stellte ihn wieder hin. Noch zu heiß. Sie löffelte etwas Schlagsahne. »Abgesehen von Ihrer Gesellschaft bin ich vorbeigekommen, um Ihnen zwei Fragen zu stellen. Die erste lautet, haben Sie Cynthia Cooper veranlasst, mich zu befragen?«

»Nein«, sagte Harry schroff. »Ich wusste nicht, dass sie Sie befragt hat.«

»Sie beide verstehen sich gut. Sie sind, wie soll ich sagen, ein Amateur-Spürhund. Sie ist in mein Büro gekommen, und das hat mich richtig geärgert. Sie hätte einen anderen Ort wählen können.«

»Das hätte sie, aber wenn sie tatsächlich beunruhigt war oder einen Verdacht gehabt hätte, dann hätte sie sich woanders mit Ihnen getroffen oder Sie einfach eingebuchtet. Dass sie in Ihr Büro kam, bedeutet, dass sie Ihre Hilfe brauchte. Ich würde meinen, dass Ihre Vorgesetzten das wissen.«

»Vielleicht. Mich hat es ganz nervös gemacht.«