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»Lottie, zwei Männer sind ermordet worden. Ich meine doch, dass das Vorrang hat. Ob jemand von uns nervös oder verärgert ist, ist nicht so wichtig.«

»Ja, und Lottie hat vielleicht einen vergiftet«, erklärte Pewter kratzbürstig.

»Sei still, Pewter. Wir wollen doch nicht auffallen. Außerdem glauben die Menschen, dass Roger eines natürlichen Todes starb, und dass wir in den Ritzen von Tante Tallys Fußboden was gerochen haben, das wir für Gift halten, ist kein schlüssiger Beweis. Es hätte auch Ameisengift sein können.«

»War's aber nicht«, knurrte Tucker.

»So oder so, lasst uns still sein.« Mrs. Murphy machte die Augen halb zu und stellte sich schlafend.

Pewter folgte ihrem Beispiel, worauf Tucker ein kleines Stück von Lotties Stuhl abrückte und sich hinfläzte, mit dem Kopf auf den Pfoten. Sie ließ Lottie aber nicht aus den Augen.

»Es ist grausig. Ich weiß.« Sie seufzte. »Ich habe den Erhängten nie gesehen. Er hat mein Auto nicht geparkt. Und das mit Donald, also das ist zu absonderlich, einfach zu absonderlich.«

»Okay, ich hab Ihre erste Frage beantwortet.«

»Danke. Ich fühle mich schon besser. Ich war schrecklich beunruhigt, als Coop in Uniform kam und alles.«

»Lottie, ich vermute, Sie haben ihre Anwesenheit den Leuten um Sie herum erklärt. Sie nehmen es zu wichtig.«

»Sie arbeiten im Postamt. Das ist was anderes. Ich werde nach einem anderen Maßstab beurteilt, und ich sage Ihnen, die Menschen sind nicht fair, nicht einen Augenblick. Zudem werden Frauen strenger beurteilt als Männer.«

»O Lottie, das glaube ich nicht.«

»Aber ich. Wir werden mit einem höheren moralischen Maßstab gemessen.«

Harry dachte darüber nach. »Richten die Zehn Gebote sich an das eine oder andere Geschlecht?«

»Nein.« Lottie runzelte die Stirn.

»Dann gelten sie für alle, männlich oder weiblich. Wenn die Menschen das Geschlecht als Vorwand für ihr Verhalten verwenden wollen, meinetwegen. Die Regeln sind für alle gleich.«

»Harry, Sie waren zu lange mit Miranda Hogendobber zusammen. Die wirkliche Welt funktioniert nicht so. Die wirkliche Welt wird immer noch von reichen weißen Männern beherrscht, und es liegt in ihrem eigenen Interesse, alles auf einmal haben zu wollen. Als Bill Clinton mit jeder Schnepfe schlief, die ihm über den Weg lief, gab es erhobene Zeigefinger und Getue, aber am Ende dachten sich die Leute einfach, so sind die Männer nun mal.«

»Lottie, soweit ich mich erinnere, wäre er um ein Haar unter Amtsanklage gestellt worden.«

»Ich behaupte trotzdem, dass die Maßstäbe verschieden sind. Wenn ich mit diesem und jenem schlafe, ist das eine Sache. Wenn Fair mit dieser und jener schläft, dann ist das was anderes.«

»Das hat ihn seine Frau gekostet«, erwiderte Harry kühl, dann lachte sie.

»Äh - Verzeihung. Schlechtes Beispiel.« Lottie wurde rot.

Harry beugte sich vor. »Lottie, wie lautet die zweite Frage?«

»Ach ja.« Sie zögerte. »Was dagegen, wenn ich rauche?«

»Nein.«

Sie nahm das Päckchen Salem extra lang mit Filter vom Schoß, schob das Streichholzbriefchen aus dem Zellophan, klopfte eine Zigarette heraus und zündete sie an, legte dann Päckchen und Streichhölzer auf den Tisch.

Harry stand auf, um einen Aschenbecher zu holen, und stellte ihn rechts von Lotties Becher hin. »Hübsch.« Sie nahm das Streichholzbriefchen in die Hand. »Wie ein kleines Kunstwerk. Roy and Nadine's.« Sie stutzte. »Roy and Nadine's.« Das Streichholzbriefchen, von dem Cooper gesprochen hatte. »Lottie, woher haben Sie das?«

»Das? Ach, keine Ahnung.«

Harry drehte es um. »Sind Sie mal in Lexington, Kentucky gewesen?«

»Nein. Mal überlegen. Ich war bei Tante Tally, brauchte Feuer. Ah - Roger. Er wollte mir die Zigarette anzünden; seine Hand war so zittrig, dass ich sein Handgelenk festhalten musste. Er hat mir die Streichhölzer geschenkt.« Sie machte eine Pause. »Armer Roger. Er war eine Nervensäge, aber den Tod habe ich ihm nicht gewünscht.«

»Lottie, das könnte wichtig sein. Ich rufe Coop an.«

»Das Streichholzbriefchen?«

»Ja.« Harry sprang auf, nahm den Telefonhörer von der Wand und wählte Coops Privatnummer. Zum Glück war sie zu Hause. »Coop, hi.«

»Was tut sich? Oder tut sich nicht?«

»Ich sitze mit Lottie Pearson hier in meiner Küche. Sie hat sich gerade ihre Zigarette mit einem Roy-and- Nadine's-Streichholz angezündet.«

»Gib sie mir mal.«

Harry ging zu Lottie hinüber, das Telefonkabel war lang.

»Hier.«

Während Lottie ihre Geschichte für Coop wiederholte, trank Harry ihren Kakao. So dürftig der Hinweis war, es war immerhin etwas. Das andere Briefchen, das in der Cowboys-Windjacke gefunden worden war, hätte Wesley gehören können oder Don, da sich nicht feststellen ließ, wer genau der Besitzer der Windjacke war. Identische Streichholzbriefchen aus Lexington, Kentucky schwirrten nicht einfach so in Crozet, Virginia herum. Die Verbindung konnte etwas so Simples und Ungebührliches sein wie die Tatsache, dass Wesley Roger gestohlene Radkappen verkauft hatte. Sie fand die Tatsache, dass Roger und Wesley sich gekannt haben mussten, zutiefst beunruhigend. Aber was, wenn das Streichholzbriefchen Don gehört hatte? Was wussten sie sonst noch? Und was wusste Sean?

Lotties Stimme durchdrang ihre Gedanken. »Sie will Sie noch mal sprechen.«

Harry nahm den Hörer. »Und?«

»Interessant. Danke, dass du mich gleich angerufen hast. Ich komm irgendwann vorbei, wenn ich kurz Zeit habe.«

»Okay.« Sie stand auf, um den Hörer einzuhängen, dann schloss sie die Schranktür, die Pewter aufgemacht hatte, als die Menschen beschäftigt waren. »Pewter, du kriegst die Katzenminze nicht, bevor ich es sage.«

»Gemein.«

»Jetzt schmollt sie.«

»Katzen sind schon komisch.« Lottie seufzte. »Alles ist im Moment so seltsam. Ich bringe die Streichhölzer auf dem Heimweg beim Sheriffbüro vorbei. Eigenartig.« Sie schob das Streichholzbriefchen mit dem Zeigefinger umher.

»Lottie, die zweite Frage.«

»Ach ja. Ich brauche einen präsentablen Begleiter für das große Ehemaligen-Essen in zwei Wochen. Einen, der großen Eindruck macht, und ich habe mich gefragt, ob es Sie schrecklich stören würde, wenn ich Diego frage. Er wäre ideal für so eine Veranstaltung.«

»Ja, das wäre er. Ich hab keinen Anspruch auf ihn. Wenn er mitgehen möchte, ist das seine Entscheidung, nicht meine.«

»Ja, aber Sie mögen ihn. Ich möchte niemandem auf die Zehen treten.«

»Sie treten mir nicht auf die Zehen. Es ist nett von Ihnen, mich zu fragen, aber mir scheint, wenn ein Mann und eine Frau nicht verheiratet sind, können sie kommen und gehen wie es ihnen passt, stimmt's?«

»So einfach ist das nicht. Sie sehen die Dinge in Schwarzweiß.«

»Nein, aber ich denke, die Dinge sind einfacher als wir sie machen.«

»Aber Sie mögen ihn. Sie sind von ihm hingerissen.«

»Ich möchte wetten, so gut wie jede Frau, die diesen Mann zu sehen kriegt, ist von ihm hingerissen.« Harry lächelte. »Es lohnt sich, für ihn zu sterben, wie man so schön sagt.«

Lottie schürzte die Lippen, atmete tief ein und aus. »Hier wurde schon genug gestorben.«

37

»Ich habe rumgefragt, ob jemand ein neueres Foto von Don hat«, sagte Cooper.

»Und, Glück gehabt?« Rick sah auf die Uhr. Er musste in einer halben Stunde bei einer Versammlung der Bezirksbeauftragten sein.

»BoomBoom hatte eins von der Parade. Hier.« Sie gab ihm das Polaroid-Foto von Don, das Gesicht halb der Kamera zugewandt, und Roger O'Bannon, der neben dem Festwagen stand. Reifrock-Schönheiten waren keine zu sehen, da sie in der Sekunde, als die Parade stoppte, von dem Wagen geflohen waren.