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Volemak seufzte und erhob sich ebenfalls. »Ihr werdet es sehen«, sagte er. »Die Überseele läßt sich nicht verhöhnen.«

»Aber die Überseele muß auch unsere Gefühle berücksichtigen«, sagte Nafai, »und …«

Doch Volemak blieb nicht, um seinen Satz bis zu Ende zu hören.

Luet legte die Arme um Nafai und hielt ihn fest. »Ich hätte es dir früher sagen müssen«, erklärte sie. »Aber ich hatte Angst, daß du einfach alles tun würdest, was die Überseele dir befiehlt.«

»Die Überseele kennt mich anscheinend besser als du«, sagte Nafai. »Deshalb hat sie es mir überhaupt nicht gesagt.«

»Komm zu Bett, Gatte«, sagte Luet.

»Ich muß noch ein bißchen arbeiten«, sagte er.

»Dann brechen wir eben einen Tag später auf«, sagte sie.

»Ich muß noch arbeiten.«

Sie seufzte, küßte ihn und ging.

Nafai schnitt sich eine Scheibe Brot ab, legte sie in eine leicht überreife Podoroschny und biß davon ab, als er das Wartungsgebäude verließ und zum Raumschiff zurückging.

›Was bist du aber klug.‹

Ich hoffe es, antwortete Nafai stumm.

›Alle glauben, ich hätte diese Angelegenheit nicht mit dir besprochen.‹

Das hast du auch nicht getan.

›Mich zu ignorieren ist nicht dasselbe, wie mich nicht zu hören.‹

Es war nie eine Diskussion. Es wird nicht dazu kommen.

›Es wird dazu kommen, weil es dazu kommen muß. Wenn du es nicht tust, wirst du getötet werden, und Luet ebenfalls.‹

Du kannst nicht in die Zukunft sehen.

›Elemak wird eure Kinder nehmen und zu Sklaven machen.‹

Er wird Kinder nicht für etwas bestrafen, das ihre Eltern getan haben.

›Er wird es Adoption nennen. Eiadh wird es in Sklaverei verwandeln.‹

Dazu wird es nicht kommen.

›Es wird dazu kommen, wenn du dich nicht mit sechs weiteren jungen Männern umgibst, die dir völlig ergeben sind.‹

Und ich sage dir erneut, zum tausendsten Mal, daß ich so etwas ohne die Zustimmung ihrer Eltern nicht einmal in Betracht ziehen werde. Und ich werde nicht einen Finger rühren, um sie zu überzeugen. Ich werde sogar dagegen sprechen.

›Das ist eine sehr kluge Strategie, Nafai. Dann werden sie dir nicht die Schuld geben können, wenn sie es bedauern, ihre Zustimmung erteilt zu haben.‹

Nafai schüttelte den Kopf. Sie werden dem nie zustimmen, sagte er stumm.

›Du unterschätzt meinen Einfluß.‹

4

Überzeugung

Schedemei sah erneut nach den Kindern. Zum drittenmal in dieser Nacht. Als sie wieder ins Bett zurückkam, war Zdorab wach.

»Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich hatte einen Traum.«

»Einen Alptraum, meinst du.«

Für einen Augenblick verstand sie ihn falsch. »Hattest du ihn auch?«

»Nein«, antwortete er ein wenig entrüstet. »War es einer von diesen?«

»Nein, nein«, sagte sie. »Nicht vom Hüter der Erde, wenn du das meinst.«

»Fledermäuse und Wiesel.«

»Riesige Ratten. Die sehe ich wirklich nicht. Wenn es so eine Art von Traum ist, träume ich von Gärten.«

»Aber davon hast du diese Nacht nicht geträumt.«

Sie schüttelte den Kopf.

»Und du willst es mir nicht sagen.«

»Wenn du möchtest, doch.«

Er wartete.

»Zdorab, ich habe wieder … uns gesehen, wie wir auf der Erde ankommen. Wir alle verlassen das Schiff. Du und ich unverändert, genau, wie wir jetzt sind. Aber dann sah ich diesen schönen jungen Mann und diese junge Frau, die ich nicht kannte. Er war stattlich und hatte ein kluges Gesicht, war fröhlich und stark. Sie war dunkelhaarig, aber ihr Lächeln war betörend, und sie lachte, und in ihren Augen war eine unglaubliche Intelligenz.«

»Und er war achtzehn, und sie war sechzehn.« Seine Stimme klang verbittert.

»Rokja und Dabja sind die einzigen Kinder, die ich je haben werde«, sagte sie.

»Willst du’s mir vorwerfen? Nach all diesen Jahren?«

»Ich werfe niemandem etwas vor. Ich bin nur … Ich ging zu mir, um sie anzusehen. Um mich zu vergewissern, daß mit ihnen alles in Ordnung ist. Um mich zu vergewissern, daß sie nicht … denselben Traum hatten.«

»Und woher weißt du, daß sie nicht geträumt haben? Hast du sie geweckt und gefragt?«

»Ich weiß nicht, was sie träumen. Ich weiß nur, daß sie sehr jung sind. Und ich freue mich riesig darauf, was sie sein werden. Auf die nächste Woche und den nächsten Monat und das nächste Jahr und … aber dann habe ich auch gesehen …«

»Was?« fragte Zdorab.

»Ich erinnere mich daran, wie sie gewesen sind. Als kleine Babys. Als ich sie gestillt habe. Als sie ihre ersten Schritte machten. Als sie zum erstenmal sprachen, als sie zum erstenmal spielten, als sie lesen und schreiben lernten. Ich erinnere mich an alles, und diese Kinder sind nicht mehr da.«

»Sie sind nicht weg. Sie sind nur größer geworden.«

»Groß geworden, ich weiß. Aber dieses Lebensalter, das ist weg. Man verliert diese Jahre, ganz gleich, was man tut. Sie wachsen heraus, sie schieben ihre eigene Kindheit zur Seite, sie danken dir nicht, daß du dich daran erinnerst.«

Zdorab schüttelte den Kopf. »Ich habe gesehen, wie dieser übergroße Computer die Menschen bearbeitet, Schedemei. Du weißt, du willst deine Kinder nicht Nafai und Luet übergeben, damit sie sie großziehen. Sie sind selbst noch Kinder.«

»Ich weiß, daß ich es nicht will. Aber was ist für sie am besten? Was ist für sie alle am besten? Menschen haben ihre Kinder in den Krieg geschickt. Sie haben heldenhafte Dinge getan.«

»Und nachdem sie die Kinder verloren hatten, haben sie getrauert und nie damit aufgehört.«

»Aber verstehst du nicht? Wir werden sie nicht verlieren. Es ist, als … als hätten wir sie auf die Schule geschickt. In Basilika tun die Leute das ständig. Sie schicken ihre Kinder in das Haus einer anderen, damit sie dort erzogen werden. Wären wir dort geblieben, hätte ich das auch getan. Sie wären bereits fort, beide. Eigentlich würden wir nur auf die Ferien verzichten.«

Zdorab richtete sich auf einen Ellbogen auf. »Wie du gesagt hast, Schedemei, es sind unsere einzigen Kinder. Ich hätte nie gedacht, daß ich welche bekommen werde. Ich habe es nur dir zu Gefallen getan, weil du meine … Freundin bist. Und du sie so sehr gewollt hast. Und hättest du mich damals gefragt, als du schwanger warst, ob du sie aufgeben könntest, hätte ich gesagt, na schön, tu, was du willst, es sind deine Kinder. Aber jetzt sind es nicht nur deine. Ich habe sie gezeugt, so unglaublich das auch für mich ist, und ich habe sie erzogen und für sie gesorgt und sie geliebt, und ich will dir etwas sagen. Ich will keinen einzigen Tag mit ihnen verlieren.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich auch nicht.«

»Dann vergiß diese Träume, Schedja. Soll der große Computer im Himmel planen, was immer er will. Wir sind nicht Teil seines Plans.«

Sie legte sich neben ihm im Bett auf den Rücken. »Oh, ich bin durchaus Teil davon.«

»Und wieso?« fragte er.

Sie nahm seine Hand und hielt sie. »Dieser Unsinn, den ich gesagt habe. Über Gene. Rezessive Gene, die zum Vorschein kommen, und so weiter.«

Das Bett erzitterte. Zdorab lachte.

»Das ist nicht komisch.«

»Nichts davon stimmte?«

»Ich habe keine Ahnung, ob es stimmt oder nicht. Sie wissen, daß ich Expertin für Genetik bin. Sie glauben, ich wüßte, wovon ich spreche. Aber ich weiß es nicht. Niemand weiß es. Ich meine, wir können die Genome verzeichnen, aber der größte Teil eines jeden genetischen Moleküls ist noch nicht entziffert worden. Das hielt man früher für bedeutungslosen Blödsinn. Aber das ist es nicht. Soviel habe ich von meiner Arbeit mit Pflanzen gelernt. Es ist alles nur … ruhig. Wartet. Wer weiß, was passieren wird, wenn sie diese Kusinen und Vettern untereinander heiraten lassen?«