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Auch darüber hatte es Meinungsverschiedenheiten gegeben. Die Engel wußten nichts vom Hüter der Erde, doch Nafai hatte darauf bestanden, daß man ihnen den Namen von Anfang an vorstellte. »Sie werden früh genug herausfinden, daß wir keine Götter sind«, hatte Nafai gesagt. »Es soll nie gesagt werden können, wir hätten sie angelogen.«

»Wie wir die Wühler belogen haben?« fragte Luet nachsichtig.

»Wir versuchen nicht, den Engeln ein entführtes Kind abzujagen«, stellte Nafai klar. »Wir versuchen, Freundschaft mit Leuten zu schließen, die uns lediglich bei einer sinnlosen, grausamen Tat beobachtet haben. Wir werden uns ihnen gegenüber nicht als Götter ausgeben, selbst wenn wir ihre Aufmerksamkeit bekommen, indem Issib seinen kleinen Schwebetrick aufführt.«

Also nannte Issib jetzt den Namen des Hüters der Erde und benutzte dabei die Übersetzung, die pTo und Poto ihnen nannten, als sie endlich begriffen hatten, was und wer der Hüter war. Oder, besser gesagt, als sie genauso viel verstanden wie die Menschen, oder zumindest soviel, wie diese ihnen mit ihren rudimentären Kenntnissen der schwierigen Sprache der Engel erklären konnten.

»Die Alten bitten euch, uns unseren Irrtum zu verzeihen. Wir haben euch damals nicht gekannt, aber wie kennen euch jetzt. Durch diese beiden tapferen und rechtschaffenen Männer kennen wir euch. Und ihr kennt uns durch die Heilung von pTos Schwinge. Wir vier möchten bei euch wohnen. Doch zuvor laßt Iguo zu ihrem Gatten vortreten. Komm und sieh, Iguo, daß sein Körper unversehrt ist und daß wir dir wirklich pTo zurückgebracht haben.«

Dann warteten sie, taten nichts, sagten nichts. Lediglich pTo und Poto murmelten gelegentlich beruhigend. Geduld. Habt Geduld. Die Entscheidung, ob Iguo zu uns kommen darf, fällt ihnen bestimmt nicht leicht.

Sie kam, flatterte unbeholfen unter den Ästen der näheren Blätter, bis sie die Lichtung erreichte. Schon bald sahen sie, daß ihre Unbeholfenheit daher rührte, weil zwei Säuglinge sich an das Fell ihrer Brust klammerten und sie beim Fliegen aus dem Gleichgewicht brachte.

pTo schnappte überrascht nach Luft, während Poto vor Freude sang. »Söhne«, jubelte er. »Die Frau des Gebrochenen hat ihm Söhne geschenkt, während er sich erholte. Nun ist seine Freude doppelt und noch einmal doppelt so groß, denn er kehrt zu der Frau heim, die er als Weib zurückgelassen hat, und stellt nun fest, daß sie Mutter ist.«

pTo sprang von Luets Kopf und landete vor seiner Frau. Die beiden unterhielten sich leise und schnell, und die Musik ihrer Stimmen klang wunderschön miteinander, obwohl keiner der Menschen verstehen konnte, was sie sagten. Als Iguo pTos Körper untersuchte, besonders die Schwinge, die einmal zerrissen gewesen war, untersuchte pTo seinerseits die beiden Babys, die sie in das Gras zu seinen Füßen gelegt hatte. Sie konnten stehen, wenn auch noch nicht fliegen, und obwohl sie stockend und kleinkinderhaft sprachen, konnten sie ihn schon Vater nennen, und pTo weinte schamlos, weil er sie mit seinen Fingerspitzen und der Zunge berühren konnte und sie seinen Körper hinaufkletterten und unter dem Baldachin seiner Schwingen herumtollten.

Schließlich wandte Iguo sich wieder den wartenden Engeln zu. »Was nicht geheilt werden kann, ist geheilt worden«, sagte sie. »Was für ewig verloren war, wurde gefunden. Daher kann auch das verziehen werden, was nicht verziehen werden kann. Möge uns Freundschaft mit den Gästen verbinden, die zu uns gekommen sind, mögen wir sie in unsere Herzen und Familien aufnehmen, in unsere Nester und Bäume.«

Das war der formelle Vorschlag, auf den zu warten pTo und Poto ihnen eingeschärft hatten. Und nun kam die Abstimmung. Nur ein paar fielen aus den Bäumen zu Boden, um ihr Mißfallen oder ihre Befürchtungen zum Ausdruck zu bringen. Und als die Abstimmung beendet war, flogen all jene los, die zugestimmt hatten, indem sie in den Bäumen geblieben waren, erhoben sich über die Lichtung, schwärmten aus und tollten herum und sangen. Dann schossen sie hinab, immer nur ein paar, um die Menschen zu berühren, sie nicht nur mit ihren Augen, sondern auch mit den Händen und Füßen zu sehen, und um ihre Stimmen zu hören, während sie mit der schwierigen Sprache kämpften.

»Dapai«, nannten sie Nafai, weil sie den Nasal- und Reibelaut seines Namens nicht aussprechen konnten. »Quet«, nannten sie Luet und benutzten den tiefen, gutturalen Verschlußlaut als Ersatz für das unaussprechbare L. »Ittib« war Issib, und »Kuschied« Huschidh. pTo hatte sich beklagt, daß die Alten ihre Namen anscheinend so gewählt hatten, daß das Volk sie nicht aussprechen konnte.

Doch Dapai, Quet, Ittib und Kuschied kamen der Sache ziemlich nahe. Die Engel hatten ihre Namen ausgesprochen und sie willkommen geheißen. Während der Stuhl hinter ihnen herzockelte, folgten sie den segelnden und ausschwärmenden Engeln in das Tal hinab, das ihre Heimat war.

13

Morde

Vas wollte nichts Böses. Er war lediglich ein aufmerksamer Mann, und ein leidenschaftlicher. In den Monaten, die vergangen waren, seit Elemak den fliegenden Alptraum zusammengeschlagen hatte, den sie Engel nannten, und Eiadh ihn vor allen zurückgewiesen hatte, schien das eisige Verhältnis zwischen Elemak und Eiadh nicht aufgetaut zu sein. Soweit Vas es sagen konnte, sprachen die beiden nicht miteinander, und Elemak schaffte es irgendwie, sich fast nie in seinem Haus aufzuhalten, wenn Eiadh sich darin befand. Nicht, daß Vas stets auf das Kommen und Gehen der Leute geachtet hätte. Ihm fiel einfach zufällig auf, daß Elemak mit der Wühlergeisel in dem Schiff blieb und lernte, dessen Sprache zu summen und zischen, und daß die arme Eiadh ohne männlichen Gefährten auskommen mußte.

Nun ja, Vas war nicht ganz so allein. Sevet, seine liebe Frau, die ihn in Basilika regelmäßig betrogen hatte, hatte ihn nun erneut hintergangen, indem sie durch die Geburt sehr vieler Kinder einen fetten Bauch bekommen hatte. Noch schlimmer war, daß sie nichts mehr von dem fröhlichen Charme zeigte, den er damals so geschätzt hatte, als er den ersten mehrjährigen Ehevertrag mit ihr schloß. Zu jener Zeit war sie eine Berühmtheit gewesen, eine bekannte und geschätzte Sängerin. Vas hatte damals wirklich einen tollen Fang mit ihr gemacht.

Aber sie hatte seit Jahren nicht mehr gesungen. Nicht mehr seit dem Abend, an dem Kokor nach Hause gekommen war und ihren Gatten Obring überrascht hatte, wie er zwischen Sevets einladende Hüften stieß. Koja handelte eher impulsiv als aus einem Gerechtigkeitsgefühl heraus und hatte auf die Person eingeschlagen, die sie am meisten auf der Welt haßte, auf ihre Schwester Sevet. Der Schlag hatte ihren Kehlkopf getroffen, und Sevet hatte seitdem keinen Ton mehr gesungen. Aber es lag kein körperlicher Schaden vor. Sie konnte sprechen, und nicht nur eintönig. Und sie summte den kleinen Kindern Schlaflieder vor. Aber mit voller und starker Stimme zu singen — das war vorbei. Und das galt natürlich auch für den Ruhm, in dessen hellem Schatten Vas so geschwelgt hatte. Also war nichts mehr an Sevet sonderlich attraktiv. Doch leider war sie Rasas Tochter, und sie alle hatten sich auf den Unsinn eingelassen, der dazu geführt hatte, daß sie in die Wüste hinausgezogen waren, und so hatte die Ehe kein Ende gefunden, obwohl der letzte Funke der Liebe, die einst zwischen ihnen gewesen war, in der Nacht erlosch, als sie ihn mit dem bemitleidenswerten, elenden, dummen, verabscheuungswürdigen Wurm von Gatten Obring betrogen hatte.

Also war Vas genauso einsam wie Eiadh, und aus ähnlichen Gründen — beide hatten herausgefunden, daß ihre Ehepartner moralische Kretins waren, die nicht mal zu einem Funken menschlichen Anstands fähig waren. Vas hatte seine lieblose Ehe ertragen und der Hure sogar drei Kinder gemacht, obwohl niemand ahnte, wie sehr er es haßte, sie auch nur zu berühren. Und es war nicht nur ihre immer fetter werdende Taille oder der Verlust ihres von Ruhm umgebenen Lebens in Basilika. Es war das Bild, wie sie ihre Beine um Obrings nackte, schlaffe, weiße, haarige Schenkel geschlungen hatte, und das Wissen, daß sie dies nicht mal getan hatte, um Vas zu betrügen, sondern um ihre boshafte, untalentierte kleine Schwester Kokor zu ärgern. Sevet hatte zweifellos nicht mal an Vas gedacht, während sie ihn …