»Es war nur ein Witz, du Arschloch«, sagte Meb, als er wieder sprechen konnte.
»Verschwende meine Zeit nicht mit deinen Entschuldigungen«, sagte Elemak. »Nicht, wenn wir Vas’ Tod den Leuten erklären müssen, die jetzt schon die Leiter hinaufkommen, wie ich höre.«
»Was gibt es da zu erklären?« fragte Meb. »Ich habe dir das Leben gerettet.«
»Ah, aber warum hat Vas versucht, es mir zu nehmen? Und warum hast du mir deine freundliche Hilfe zukommen lassen?«
»Er wollte dich umbringen, weil du seine Frau bestiegen hast«, sagte Meb. »Ich ich habe ihn aufgehalten, weil du mein älterer Bruder bist und ich dich liebe.«
»War das deine beste Leistung, Meb?« fragte Eiadh, die durch den Korridor zu ihnen ging. »Es war dein Glück, daß wir Basilika verlassen haben, bevor du dich erniedrigen konntest, in der Öffentlichkeit aufzutreten.« Volemak, Ojkib und Padarok kamen mit ihr durch die Tür. Sie alle trugen Werkzeuge, die ziemlich überzeugende Waffen abgegeben hätten, hätten sie sich nicht in den Händen so sanfter, friedliebender Seelen befunden. »Was hat dieses Durcheinander zu bedeuten? Wo ist Vas?« Dann sah sie die Leiche auf dem Boden, deren zerschmetterter Kopf noch gekrümmt mit den Schultern verbunden war. Sie prallte zurück. »Was habt ihr getan?« flüsterte sie Elemak zu.
»Eigentlich habe ich es getan«, sagte Meb. »Gerade, als er Elemaks Knöchel abschlagen wollte.«
Doch Eiadh schenkte Meb keine Beachtung. Sie schaute Elemak kalt in die Augen. »Dieser Mann ist tot, weil du nicht einen Monat lang leben konntest, ohne irgendeine Frau ins Bett zu bekommen.«
Elemak lächelte sie an. »Das stimmt nicht. Solange ich mit dir verheiratet war, mein Schatz, war niemals eine Frau in meinem Bett.«
»Du bist wirklich schlecht«, sagte Eiadh. »Du liebst es wirklich, etwas zu vernichten. Und es ist nicht mal das große Böse, das spektakuläre, das weltenzerstörende Böse, über das die großen Epen geschrieben werden. Nein, in deinem Herzen ist nur ein armseliges, kleines, wurmähnliches Böses.«
»Sag ruhig, was dir auf dem Herzen liegt«, entgegnete Elemak. »Ich weiß, daß du dich in Wirklichkeit nur freust, daß ich noch lebe.«
»Daß ich es zugelassen habe, daß du der Vater meiner armen, unschuldigen Kinder wirst, war das Zweitschrecklichste, das ich je im Leben getan habe.«
»Und das Schlimmste?« fragte Elemak. »Nur zu, sag es — ich bin tapfer, ich bin zäh. Ich habe Vas’ Blut und Körper überall auf mir. Ich kann alles verkraften.«
Eiadh lächelte ihn an, denn sie wußte, sie würde das Schrecklichste sagen, das er jemals hören würde. »Das Schlimmste, das ich je getan habe? Nafai nicht zu heiraten, als ich damals in Rasas Haus merkte, daß er mich liebte. Ich erkannte meinen Fehler schon lange, bevor ich dich geheiratet habe, Elemak. Ich habe dich nur zum Mann genommen, um in Nafais Nähe bleiben zu können. Ich habe gebetet, daß alle meine Söhne so wie er sein mögen und nicht wie du. Und jedesmal, wenn du mit mir geschlafen hast, habe ich mir vorgestellt, er wäre es gewesen. Nur so konnte ich verhindern, seinen Namen zu rufen.«
»Genug davon«, sagte Volemak. »Schreckliche Dinge sind heute hier geschehen, und ihr verschwendet eure Zeit mit einem Ehestreit.«
Elemak ließ das Thema gehorsam fallen und beantwortete Volemaks Fragen. Doch er hatte gehört, was Eiadh zu ihm gesagt hatte. Er hatte es gehört, und er würde sich daran erinnern.
Ojkib bekam den Auftrag, die Schlucht hinaufzureisen und von den Morden zu berichten. Schedemei hätte die Schiffscomputer benutzen können, um es Issib durch den Index zu sagen, doch Volemak bestand darauf, daß die Nachricht persönlich überbracht werden mußte. Sein erster Gedanke war es gewesen, Chveja zu schicken, damit sie es ihren Eltern mitteilte, doch sie stand kurz vor der Entbindung von ihrem ersten Kind, und so wurde statt dessen ihr Gatte ausgewählt. Er war dafür nicht dankbar. »Mir gefällt es nicht, im Augenblick von hier wegzugehen«, sagte er. »Nicht, während Gewalt in der Luft liegt.«
»Ich glaube, das Morden ist vorbei«, sagte Volemak.
»Und wenn du dich irrst?«
»Denke logisch nach«, sagte Zdorab. »Wenn Elemak nichts unternommen hat, als er sich auf Obring und Vas verlassen konnte, wird er jetzt erst recht nichts unternehmen, wenn Meb ihm als einziger Erwachsener zur Seite stehen wird. Das Morden ist vorbei.«
»Das Morden wird nie vorbei sein«, sagte Rasa, »wenn der Ehebruch weitergeht und unbestraft bleibt.«
»Ich würde sagen«, erwiderte Volemak, »daß die Strafe für Ehebruch eindeutig aufgezeichnet wurde.«
»Der Ansicht bin ich nicht«, sagte Rasa. »Ich würde sagen, daß deine ältesten Söhne gestanden haben, Ehebrecher zu sein, und daß meine Töchter durch ihre Aussage ebenfalls belastet wurden.«
»Was soll ich denn tun?« fragte Volemak. »Sie zum Tode verurteilen? Sollen sechs der ursprünglich sechzehn Erwachsenen unserer Expedition sterben?«
»Was ist schlimmer, Volemak? Sechs sind tot, und das Gesetz wurde bestätigt? Oder zwei sind tot, und das Gesetz mit ihnen?«
»Du bist hart, Mutter«, sagte Ojkib. »Die Todesstrafe für Ehebruch war eine Maßnahme für die Wüste, nicht für die Erde.«
»Weil es hier Bäume und Bäche gibt, ist Ehebruch für unsere Gemeinschaft nicht mehr so verhängnisvoll?« fragte Rasa. »Ich dachte, ich hätte dich zu einem vernünftigeren Menschen erzogen, Ojkib.«
»Genug davon«, sagte Volemak. »Ojkib muß die Schlucht hinaufziehen, um die Nachricht zu überbringen.«
»Ich bin der Ansicht, er sollte Eiadh mitnehmen«, sagte Rasa.
Die anderen schauten sie an, als wäre sie verrückt geworden. »Nach dem, was sie zu Elemak gesagt hat?« fragte Ojkib. »Willst du, daß sie ihr Todesurteil unterschreibt?«
»Glaubst du etwa, es wäre besser, sie hier unten zu lassen?« fragte Rasa.
»Ja«, sagte Volemak. »Wenn sie zu Nafai ginge, würde Elemak das als Eingeständnis für irgendein Verhältnis zwischen ihnen betrachten, obwohl es das in Wirklichkeit nie gegeben hat. Rasa, willst du die Dinge unbedingt schlimmer machen?«
Rasa war wütend. »Ich will, daß die Dinge in fünf Jahren besser sind, während du entschlossen zu sein scheinst, sie im Augenblick besser zu machen und die Zukunft in der Schwebe zu lassen.« Sie stürmte aus der Bibliothek.
Volemak seufzte. »Jeder Anführer hat seine Kritiker«, sagte er. »Doch normalerweise muß er nicht des Abends zu ihnen nach Hause gehen.«
»Sie hat recht in allem, was sie sagte«, warf Schedemei ein. »Aber du hast auch recht in allem, was du beschlossen hast.«
Volemak lachte grimmig. »Manchmal, Schedemei, gibt es keinen Mittelweg.«
»Ich spreche nicht von einem Mittelweg. Du hast recht, daß du in diesem Augenblick keine andere Entscheidung hättest treffen können als die, die du getroffen hast. Aber Rasa hatte hinsichtlich der Konsequenzen recht. Sevet und Kokor werden weiterhin mit Elemak und Mebbekew und, soweit wir alle wissen, jedem geilen Wühler schlafen, der an ihren Häusern vorbeigeht. Elemak und Mebbekew werden ihre Gattinnen weiterhin betrügen und dann dieselben Frauen hassen, denen sie Schaden zufügen.«
»Und was soll ich dagegen tun?« fragte Volemak.
»Nichts«, sagte Schedemei. »Du kannst nichts dagegen tun. Nur zusehen, wie unsere soziale Ordnung zerfällt.«
»Manchmal bist du zu sehr Wissenschaftlerin, Tante Schedja«, sagte Ojkib.
»Unmöglich«, sagte Schedemei. »Und du vergißt, auch meine Kinder müssen in der neuen gesellschaftlichen Ordnung leben, die wir hier erschaffen. Wenn man darüber nachdenkt, kennzeichnet dieser Augenblick Elemaks Triumph über seinen Vater. Trotz des Eides, trotz seiner vielen Niederlagen ist es ihm endlich gelungen, alle Anstrengungen seines Vaters ungeschehen zu machen. Weil die anderen nicht die Herzenskälte haben, das Gesetz aufrechtzuerhalten und ihn zu töten, hat Elemak jetzt die Gesellschaft durchgesetzt, die er bevorzugt.«