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Er hatte sie bestimmt falsch verstanden.

»Heirate mich«, wiederholte sie. »Von jetzt an bis zu meinem Tode will ich nur deine Kinder haben.«

»Ja«, sagte er.

Seit tausend Jahren war kein anderer Mann mehr so sehr geehrt worden. Bei der ersten Skulptur bereits ein Eheangebot, und das auch noch von einer Dame von solchem Ansehen? Viele der anderen — Damen wie auch Männer — waren außer sich. »Unsinn, Dame Upua«, sagte eine andere der führenden Damen. »Du setzt die Institution der Ehe herab, indem du sie einem so jungen Mann anbietest, und das auch noch für eine so lächerliche Skulptur.«

»Die Götter haben ihm das Antlitz eines Alten gegeben. Kommt alle her und betrachtet diese Skulptur noch einmal. Wir werden erst nach zwei Liedern von hier aufbrechen, damit wir alle uns an das Antlitz des Alten erinnern und unseren Kindern erzählen können, was wir an diesem Tag gesehen haben.«

Und da Upua die Dame war, welche die Ehe angeboten hatte, und die an diesem Ort akzeptiert worden war, mußten die anderen ihr für den Zeitraum von zwei Liedern zu Willen sein. Sie betrachteten den Kopf des Alten, und Kiti und Upua gingen gemeinsam auf ewig in den Legendenschatz des Dorfes Da’aqebla ein. Sie gingen auch die Ehe ein, und Kiti, der vor kurzem noch bei dem Gedanken, der Gatte einer so angsteinflößenden Dame zu sein, gezittert hätte, sollte bald erfahren, daß Upua eine freundliche und liebevolle Frau war und daß es ihm nur Freude bringen würde, ihr ein aufmerksamer und beschützender Gatte zu sein. Danach vermißte er kTi zwar noch gelegentlich, aber nie wieder würde er denken, daß Wind ihn bestraft habe, indem er ihn nicht mit kTi in den Himmel getragen hatte.

Doch an diesem Tag wußten sie noch nicht, was die Zukunft bringen würde. Sie wußten nur, daß Kiti der kühnste Bildhauer war, der je gelebt hatte, und da seine Kühnheit ihm eine Dame zur Frau gewonnen hatte, stieg er sofort in der Achtung der anderen. Er war fürwahr kTis Ander-Ich, und obwohl man kTi von ihnen genommen hatte, würden sein Mut und seine Klugheit in Kiti weiterleben, bis sie sich im Alter zu Stärke und Weisheit wandeln würden.

Als die beiden Lieder verstrichen waren, und als die Schar der Damen und Männer sich erhob und zum nächsten Mann weiterflog, tauchten dunkle Gestalten aus den Schatten der Bäume auf. Auch sie gingen um die seltsame Skulptur herum, hoben sie schließlich auf und trugen sie davon, obwohl die Skulptur außergewöhnlich groß und schwer war und die Fremden sie nicht verstanden.

3

Geheimnisse

Es rutschte einfach so heraus. Chveja hatte nicht vor, irgend jemandem zu sagen, was sie am vergangenen Abend hinter Mutters Tür gehört hatte. Sie konnte ein Geheimnis bewahren. Selbst ein so schlimmes Geheimnis wie die Tatsache, daß Mutter die Absicht hatte, Dazja während der Reise erwachsen werden und Rokja heiraten zu lassen. Was hatte das zu bedeuten? Daß Chveja Proja oder sonstwen heiraten mußte? Das wäre doch schön, oder nicht? Er sollte Dazja heiraten; dann konnten die beiden herrischsten Kinder sich gegenseitig nach Herzenslust herumkommandieren. Warum wollte Chvejas eigene Mutter, daß Dazja den besten Jungen bekam, der kein doppelter Vetter ersten Grades war?

Chveja dachte noch immer darüber nach, als Dazja sie wegen irgendeiner blöden Sache anschrie — weil sie eine Tür offenstehen gelassen hatte, die Dazja geschlossen haben wollte, oder sie geschlossen hatte, obwohl Dazja wollte, daß sie offen blieb — und Chveja einfach damit herausplatzte. »Ach, halt doch die Klappe, Dazja. Du wirst während der Reise sowieso erwachsen und heiratest Rokja. Da kannst du mir doch wenigstens die Entscheidung über Türen überlassen.«

Und es war nicht Chvejas Schuld, daß Rokja in diesem Augenblick zufällig mit seinem Vater hereinkam. Sie trugen Körbe mit Brot, das für die Reise gefroren werden sollte.

»Was redest du da?« fragte Rokja. »Ich würde keine von euch beiden heiraten.«

Es war nicht Rokjas Reaktion, die Chveja Sorgen bereitete, sondern die des kleinen Zdorab, Rokjas Vater. »Warum denkst du darüber nach, wer Padarok heiraten wird?« fragte Zdorab.

»Er ist nun mal der einzige, der kein Vetter oder so was ist«, sagte Chveja errötend.

»Veja denkt immer nur ans Heiraten«, sagte Dazja. Dann fügte sie hilfreich hinzu: »Sie ist krank im Kopf.«

»Du bist erst acht Jahre alt«, sagte Zdorab und lächelte vergnügt. »Wie kommst du darauf, daß während der Reise jemand heiratet?«

Chveja hielt die Klappe und zuckte mit den Achseln. Sie wußte, daß sie nichts von dem hätte wiederholen sollen, was sie hinter der Tür ihrer Mutter gehört hatte. Vielleicht würden Zdorab und Rokja und Dazja die Sache vergessen, wenn sie nichts mehr sagte, und dann würde Mutter nie erfahren, daß Chveja sie belauscht hatte und ein Plappermaul war.

Elemak hörte Zdorab teilnahmslos zu. Mebbekew war nicht so ruhig. »Ich hätte es wissen müssen. Er hat vor, uns unsere Kinder zu stehlen!«

»Das bezweifle ich«, sagte Elemak.

»Du hast ihn doch gehört!« rief Mebbekew. »Du glaubst doch nicht, daß Chveja sich diesen Plan ausgedacht hat, Kinder während der Reise wach zu halten, damit sie erwachsen werden, oder?«

»Du hast nicht verstanden«, sagte Elemak. »Ich bezweifle, daß Njef dafür unsere Kinder auswählen würde.«

»Warum denn nicht? Dann hätte er zehn Jahre Zeit, ihre Gedanken zu vergiften und sie gegen uns aufzuhetzen.«

»Würde er mir das antun, würde ich ihn töten«, sagte Elemak. »Und das weiß er.«

»Und er weiß, daß ich ihn nicht töten würde«, sagte Zdorab. »Stellt euch das vor — er erzählt seiner Tochter davon, läßt uns gegenüber aber nicht mal die leiseste Andeutung fallen.«

Elemak dachte kurz darüber nach. Solche Achtlosigkeit mochte bei Nafai vielleicht nicht ungewöhnlich sein, doch er bezweifelte es trotzdem. »Wißt ihr, vielleicht ist es ja gar nicht Nafais Plan. Es könnte der von Chvejas Mutter sein. Vielleicht vermißt die Wasserseherin den Einfluß, den sie in Basilika gehabt hat.«

»Vielleicht gefällt ihr die Vorstellung, eine Schule zu leiten, wie ihre Mutter es getan hat«, sagte Mebbekew.

»Aber können wir überhaupt etwas dagegen unternehmen?« fragte Zdorab. »Er hat den Mantel des Herrn der Sterne. Er hat den Index. Er beherrscht das Schiff. Ganz gleich, was er sagt — was soll ihn davon abhalten, während der Reise unsere Kinder aufzuwecken und zu tun, was immer er will?«

»Die Nahrungsvorräte sind nicht unerschöpflich«, sagte Elemak. »Er kann nicht alle aufwecken.«

»Denk doch mal darüber nach«, sagte Mebbekew. »Was ist, wenn wir aufwachen, und sein Sohn Zhatva ist ein siebzehnjähriger Bursche? Njef war in diesem Alter schon ziemlich groß. Während unsere Kinder noch klein sind. Und Vaters zwei Nachzöglinge Ojkib und Yasai. Und dein Padarok, Zdorab.«

Zdorab lächelte schwach. »Padarok wird nicht so groß.«

»Er wird zum Mann werden«, sagte Mebbekew. »Der Plan ist nicht dumm. Er wird die Kinder während der Reise beeinflussen, damit sie die Dinge auf seine Weise sehen.«

Elemak nickte. Daran hatte er auch schon gedacht. »Die Frage ist, was können wir dagegen tun?«

»Selbst wach bleiben.«

Elemak schüttelte den Kopf. »Er hat bereits gesagt, daß das Schiff nicht eher starten wird, bis alle außer ihm schlafen.«

»Dann fliegen wir eben nicht mit!« sagte Mebbekew. »Soll er doch zur Erde aufbrechen! Sobald er fort ist, können wir unsere Familien nach Basilika zurückbringen.«

»Meb«, sagte Elemak, »hast du vergessen, daß wir nicht mehr reich sind? Das Leben in Basilika wäre armselig. Falls sie uns nicht ins Gefängnis werfen. Oder töten, sobald sie uns sehen.«

»Und die Reise wäre mit kleinen Kindern erbärmlich«, fügte Zdorab hinzu. »Ganz zu schweigen davon, daß Schedemei und ich das überhaupt nicht wollen.«