»Das ist ja widerlich«, sagte eine der jüngeren Frauen.
»Nur, wenn du einen gebrauchten Tupfer nimmst«, sagte Protschnu.
»Ich sorge mich lediglich darum«, sagte Mebbekew, »was mit den armen Plattwürmern geschehen wird. Niemand scheint sich für sie zu interessieren. Ich glaube, wir haben die Neigung, große Tiere viel zu sehr zu begünstigen. Haben mikroskopische Geschöpfe keine Rechte?« Er grinste, und die anderen lachten mit ihm.
Doch während das Treffen fortgesetzt wurde, traf sich auch Elemak mit jemandem. Er suchte Fusum, der nach dem Tod seines Vaters vor kurzem zum Blutkönig gewählt worden war.
»Ich habe ein Geschenk für dich«, sagte Elemak.
»Was könntest du schon haben, was ich will?« fragte Fusum.
»Oh, jetzt, da wir der König sind, sind wir aber sehr von uns eingenommen.«
Fusum knurrte leise. »Ich führe ein eigenes Leben, Elemak. Ich bin keine Geisel mehr. Ich habe Verantwortung.«
»Du hast auch Macht«, sagte Elemak, »und ich glaube, du hast nichts dagegen, etwas mehr davon zu bekommen. Das ist mein Geschenk — mehr Macht.«
»Ach was«, sagte Fusum. »Ich wußte gar nicht, daß du Macht zu vergeben hast.«
»Wissen ist Macht«, sagte Elemak. »Das habe ich zumindest mal gehört. Aber es gibt eine Bedingung. Du mußt versprechen, deinem Volk zu sagen, daß ich dich auf die Idee gebracht habe.«
»Auf welche Idee?« fragte Fusum.
»Zuerst das Versprechen.«
»Ich verspreche es«, sagte Fusum.
»Aber meinst du es auch wirklich ernst?« fragte Elemak.
»Wenn du mich verspotten willst, kannst du dein Geschenk behalten«, sagte Fusum.
»Ah, jetzt, da wir der Blutkönig sind, sind wir zu wichtig, um eine kleine Hänselei von einem Freund hinzunehmen.«
»Du bist niemals ein Freund gewesen, Elemak«, sagte Fusum. »Du warst eine nützliche Wissensquelle.«
»Vielleicht können wir jetzt Freunde sein«, sagte Elemak.
»Sag mir, was für eine Idee du hast, oder sage es mir nicht.«
»Geh sofort zur Statue des Unberührten Gottes«, sagte Elemak.
»Du meinst diejenige, die wie dein leuchtender Bruder Nafai aussieht?«
Elemak ließ sich nicht erzürnen. »Genau die. Geh zu ihr und erkläre vor so vielen Zeugen wie möglich, es würden so wenig Kinder geboren, weil diese Statue nicht angemessen verehrt worden sei. Dann tue damit, was immer ihr damit tut. Reibe sie über deinen Körper.«
»Dafür wird man mich vielleicht umbringen.«
»Nicht den Blutkönig. Nicht sofort. Und nicht, wenn du den Leuten versprichst, daß nun, da du den Unberührten Gott verehrt und das Antlitz dieses Betrügers Nafai ausgelöscht hast, der wahre Gott eine leichte Krankheit schicken wird, um die letzten Spuren des Bösen in eurem Volk auszulöschen. Vielleicht werden ein paar männliche Embryos abgehen, weil sie nicht rein waren. All jene, die jetzt leben, werden die Götter bis zu dem Tag ihres Todes auf die alte Art und Weise verehren müssen. Aber die neuen Kinder, die nach dieser Zeit zur Welt kommen, werden überhaupt keine Götter mehr verehren müssen. Sie werden in Reinheit geboren und sind gesegnet.«
»Was für einen Pilz willst du mir da zu essen geben?« fragte Fusum. »Du hast mir doch selbst gesagt, daß dieses religiöse Zeug Unsinn ist.«
»Aber das Volk glaubt daran, nicht wahr? Also sag ihnen — ganz gleich, was Ojkib oder Chveja oder irgendeiner sonst ihnen erzählt —, daß ich dir die Wahrheit gesagt habe und daß deine Tat dein Volk davon befreien wird, die Schlucht hinaufgehen und vom Himmelsfleisch eure Götter holen zu müssen. Ihr werdet das Himmelsfleisch nicht mehr brauchen. Eure neuen Kinder und Enkelkinder können dann alle töten. Es spielt keine Rolle mehr, weil sie rein sind und die Götter nicht mehr verlangen werden, daß ihr euch erniedrigt, indem ihr Gegenstände anbetet, die das Himmelsfleisch geschaffen hat.«
»Warum sollte ich glauben, daß irgend etwas davon geschehen wird?«
»Es ist mir ganz egal«, sagte Elemak. »Du kannst meine Worte bezweifeln und zögern, und dann wird Ojkib kommen und eine Ankündigung machen, und alle Macht und aller Einfluß werden ihm zufallen und, durch ihn, Emeezem. Oder du kannst mir glauben und jetzt handeln, damit du es schon getan hast, bevor irgend jemand ein Wort darüber sagt. Dann werden du und ich die Befreier der Wühler sein. Es wird auf jeden Fall passieren. Das kleine Schauspiel, das du mit Nafais Statue aufführst, hat in Wirklichkeit gar keine Bedeutung. Abgesehen davon, daß es dein Volk glauben machen wird, du hättest religiöse Kräfte, die über die eines jeden Blutkönigs vor dir hinausgehen. Und es wird nichts schaden, daß du Emeezems Beharren lächerlich machen wirst, der Unberührte Gott müsse unberührt bleiben. Indem deine Prophezeiungen sich erfüllen, bringst du sie in Mißkredit. Aber du kannst die Gelegenheit auch verstreichen lassen, Fusum. Du kannst dir für den Rest deines Lebens wünschen, du hättest die Chance ergriffen, als ich sie dir gab. Das ist mir völlig gleichgültig.«
»Ja, das ist es«, sagte Fusum. »Und du kannst sicher sein, daß ich deinen Namen nennen und ihnen sagen werde, daß ich das alles von dir erfahren habe. Denn wenn es schiefgeht, kann ich mich vielleicht retten, indem ich dir die Schuld zuschiebe.«
»Und wenn es gelingt«, sagte Elemak, »wird dein Volk wissen, wer von den Menschen sein wahrer Freund ist.«
»Und ich werde wissen«, sagte Fusum, »daß du ein Lügner bist, der sein eigenes Volk offensichtlich verraten und die Wühler hinter sich haben will, wenn er zuschlägt.«
»Hast du ein Problem damit?« fragte Elemak.
»Nicht das geringste«, sagte Fusum. »Aber denk daran, wer der König der Wühler ist, wenn die Zeit kommt.«
»Ich werde mich daran erinnern«, sagte Elemak. »Ich erinnere mich an alles.«
Also ging Fusum zum Tempel des Unberührten Gottes, hielt seine Rede und vollzog seine blasphemische Verehrung. Emeezem ließ ihn fesseln und in eine Gefängniszelle werfen, doch seine Haft währte nur, bis Ojkib den Ältestenrat der Wühler zusammenrief und ihm erklärte, eine leichte Krankheit würde über ihr Volk kommen, doch alle Kinder, die danach empfangen werden würden, würden keine Statuen mehr anbeten müssen. »Der Hüter der Erde hat euch von euren alten Göttern befreit«, sagte er. Aber es gab viele, die zueinander sagten: Fusum hat uns befreit. Und Emeezem war nicht imstande, sie daran zu hindern, Fusum aus dem Gefängnis zu holen und wieder als Blutkönig einzusetzen.
Die Krankheit kam innerhalb von ein paar Tagen, wie Fusum es vorhergesagt hatte. Doch aus seiner Berührung des Unberührten Gottes erwuchsen keine anderen schädlichen Konsequenzen. Und nun sah der Unberührte Gott nicht mehr wie Nafai aus, und das Volk sagte: Elemak hat uns dieses Geheimnis verraten, und Nafai ist kein Gott und hat nicht einmal die Macht, sein Gesicht auf der Statue zu bewahren. Fusum ist ein wahrer Blutkönig, aber Emeezem als unsere tiefe Mutter hat die Wahrheit über den Unberührten Gott nicht gekannt.
Als Mufruzhuuzh nicht lange darauf starb, wählte das Volk Fusum zum neuen Blutkönig. Es sagte: Er war Nens wahrer Freund und hat den Panther erschlagen, der ihn getötet hat. Und er hat unsere Kinder von den Göttern des Himmelsfleisches befreit. Soll er Kriegskönig und Blutkönig sein, beides zugleich.
Dieser Tag war das Ende von Emeezems Herrschaft über die Wühlerstadt. Sie hatte noch immer großen Einfluß auf die Frauen, doch die Männer gehörten Fusum, und Fusum schickte sich an, sie für den Krieg auszubilden.
Monatelang brüteten Nafai und Ojkib über dem Buch der Sünden der menschlichen Rasse und lernten alles daraus, was sie in Erfahrung bringen konnten. Hier fanden sie die Geheimnisse der Evolution der menschlichen Rasse, der Entwicklung von Technologien, der grausamen Zwecke, für die die Menschen sie einsetzten. Hier befanden sich die Geschichten von Kriegen und Gemetzeln, von bedrückender Armut, die für den Reichtum einiger weniger bezahlte, von entkleidetem und zugrunde gerichtetem Land, von uralten Rohstoffquellen, die verbrannt oder weggeworfen wurden.