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Und am Ende fanden sie diese Worte: »Diese Sünden waren die Folge einer Rebellion, denn die menschliche Rasse ignorierte die guten Träume, die vom Hüter der Erde kamen, bis der Hüter ihrer Sünden schließlich überdrüssig war und sie abschüttelte. Da erbebten die großen treibenden Kontinente, und die Erde erzitterte, und an tausend Orten brachen die Vulkane auf. Der Himmel war mit Rauch erfüllt, und die Pflanzen starben; die Erde wurde kalt, und Eis bedeckte ihr Antlitz während der tiefsten Eiszeit, die man je gekannt hatte. Die wenigen überlebenden Menschen begriffen, daß der Hüter der Erde mit ihnen fertig war. Die Erde hatte keinen Platz mehr für Menschen, und wenn sie überleben wollten, mußten sie gehen. Sieben Flotten wurden zusammengestellt, um sieben Kolonien zu gründen, und von den anderen haben wir nie wieder etwas gehört. Wir wissen nur dies: daß wir auf unserer neuen Welt, Harmonie, eine Überseele bauen werden, welche die Dienerin des Hüters der Erde sein wird, und daß die menschliche Rasse sich unter dem wachsamen Auge der Überseele nicht mehr daran erinnern wird, wie man in so schrecklichem Ausmaß sündigen kann. Was die Erde betrifft, so gehört sie nun dem Hüter, und menschliche Wesen werden dort nie wieder leben, bis der Hüter uns verzeiht und nach Hause ruft.«

Sowohl Nafai als auch Ojkib übertrugen diesen letzten Absatz; dann verglichen sie ihre Übersetzungen. »Wer hat das geschrieben?« fragte Ojkib. »Woher konnte er wissen, welche Macht der Hüter hatte? Um Erdbeben und Vulkanausbrüche zu verursachen, den Fluß der Kontinentaldrift zu verändern …«

»Vielleicht hat der Hüter etwas mit den Konvektionsströmen in dem fließenden Magma zu tun, auf dem die Erdkruste treibt. Wer weiß schon, wie schnell diese Strömungen sich verändern können?« sagte Nafai.

»Ich weiß nur eins«, sagte Ojkib. »Wir müssen unseren Leuten den Inhalt dieses Buches nahebringen, sie über die Warnungen in diesem Buch aufklären. Wir müssen sie lehren, was der Hüter von uns erwartet, auch wenn wir nicht genau verstehen, was der Hüter der Erde überhaupt ist.«

»Meinst du mit ›unsere Leute‹ nur die Menschen?« fragte Nafai.

»Natürlich nicht«, sagte Ojkib. »Vielleicht hat der Hüter uns nur aus dem Grund zur Erde zurückgeholt, damit wir einerseits die Engel und Wühler von ihrer uralten Knechtschaft befreien und sie andererseits lehren, so zu leben, daß der Hüter nicht noch einmal das Bedürfnis verspürt, die Erde unbewohnbar zu machen.«

»Du könntest recht haben«, sagte Nafai. »Aber ganz gleich, was wir tun oder wie wir es lehren, es wird zu einer Religion werden. Den anderen werden selbst unsere naturwissenschaftlich sichersten Erklärungen mystisch vorkommen. Schließlich klingt das, was unsere Vorfahren im Buch der Sünden geschrieben haben, für uns auch mystisch.«

»Ist das schlimm?« fragte Ojkib.

»An sich nicht. Aber Religionen haben es nun mal an sich, das Körnchen Wahrheit in ihrem Kern zu verlieren. Die Wühler hatten eine Religion, die sie veranlaßte, sich mit dem Ton zu reiben, der die Chemikalie enthielt, die aus den Eierschalen der Plattwürmer und dem Speichel der Engel gewonnen wird — aber sie hatten keine Ahnung, warum sie es ta ten, und wurden daher davon versklavt. Wir werden unsere Kinder und deren Kinder also nur willkürliche Regeln lehren. Die wahren Gründe gehen verloren oder verwandeln sich in Mythen.«

»Was können wir dagegen tun?« fragte Ojkib.

»Wir können ein Buch schreiben«, sagte Nafai.

»Du meinst, so eins wie das, das du bereits schreibst?« fragte er.

Nafai schaute ihn düster an. »Ich hätte wissen müssen, daß ich vor dir nichts geheim halten kann.«

»Ja, hättest du«, sagte Ojkib. »Besonders, da du wochenlang fast ununterbrochen mit der Überseele darüber gesprochen hast, nachdem du auf die Idee gekommen bist. Ich dachte, du würdest es mir sagen, wenn du dich danach fühlst.«

»Na ja, ich fühle mich jetzt danach«, sagte Nafai. »Denn ich glaube, unsere Nachkommen werden keinen Zugriff auf den Schiffscomputer haben. Die meisten von ihnen werden des Lesens und Schreibens nicht mehr mächtig sein. Aber einigen von ihnen werden wir das Lesen und Schreiben beibringen, damit wir eine Aufzeichnung all dessen bewahren können, was wir gelernt haben. Wir werden es so klar und deutlich niederschreiben, wie es uns möglich ist, eine wahre Geschichte unserer Reise und all unserer Kenntnisse und Taten. Wir werden sie von den Eltern an die Kinder weitergeben, und weil die Geschichte niedergeschrieben wurde, kann sie nicht verzerrt werden.«

»Die Menschen können alles verzerren«, sagte Ojkib.

»Aber solange der ursprüngliche Text erhalten bleibt, kann die nächste oder übernächste Generation wieder auf das Original zurückgreifen und die Wahrheit in Erfahrung bringen. Auf diese Weise haben wir sehr viel von dem Buch der Sünden gelernt.«

»Gut und schön«, sagte Ojkib. »Du führst bereits eine Aufzeichnung.«

»Ich führe eine Aufzeichnung. Aber wir sollten noch eine zweite führen. In dieser ersten läßt sich alles finden, alle Einzelheiten, alles, woran ich mich erinnern kann. Aber ich hatte gestern nacht einen Traum …«

»Ah, einen weiteren Traum …«

»Ich weiß, daß du auch gern Träume hättest, Ojkib, aber …«

»Ich brauche keine eigenen Träume zu haben«, sagte Ojkib. »Nicht, wenn ich deine habe. Du hast davon geträumt, ein Buch zu schreiben, das du mir und Chveja statt Zhjat und Netsja geben kannst.«

»Ein Buch«, sagte Nafai, »das alles aus dem Buch der Sünden einschließt und auf Gold geschrieben ist, damit wir keinen Computer brauchen, um es zu lesen, und damit es nicht verwittern kann. Wir können diesen Teil versiegeln, damit niemand etwas hinzufügen oder verändern kann. Aber der Rest des Buches wird eine Aufzeichnung sein, nicht über die gesamte Geschichte unseres Volkes, sondern nur über unsere Beziehungen zur Überseele und dem Hüter der Erde. Nur die …«

»Nur die Theologie«, sagte Ojkib.

»Den Wühlern und Engeln wird es wie Theologie vorkommen«, sagte Nafai.

»Und unseren Kindern und Enkelkindern ebenfalls«, sagte Ojkib. »Sie haben nicht mehr im Raumschiff gelebt. Sie haben die große Bibliothek nicht mehr benutzt. Sie werden keine Ahnung haben, was ein Computer ist.«

Nafai nickte. »Also bist du zur selben Schlußfolgerung gelangt.«

»Nein. Ich habe einfach nur gesehen, daß du und Luet und Chveja alle denselben Traum hattet. Das Schiff muß verschwinden. Wir müssen uns von der Maschinerie der Vergangenheit lösen und in der Technologie der Gegenwart leben. Das Schiff muß in die Erdumlaufbahn hinaufsteigen .«

»Wir haben nicht mehr die Technik, um es auf der Planetenoberfläche zu verstecken, wie unsere Vorfahren es auf Harmonie getan haben«, sagte Nafai.

»Ich werde dir bei deinem zweiten Buch helfen«, sagte Ojkib. »Du kannst am Anfang schreiben, was du willst. Du mußt sowieso jene Teile übernehmen, die vor meiner Geburt geschehen sind. Ich setze dann ein, wenn du es mir sagst. Aber bis dahin kann ich das Buch der Sünden kopieren.«

»Das Buch der Sünden, ja«, sagte Nafai. »Und vielleicht solltest du auch mit einer Aufzeichnung der Träume anfangen, die der Hüter uns schickt. Besonders mit jenen, die sich noch nicht vollständig erfüllt zu haben scheinen. Das ist der einzige Führer zu dem, was der Hüter vielleicht für uns vorgesehen hat.«