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»Das Buch der Sünden und das Buch der Träume«, sagte Ojkib. »Ich werde damit anfangen. Und du schreibst Das Buch Nafai.«

»Und inzwischen«, sagte Nafai, »werde ich über irgendeine Waffe nachdenken, die die Engel beim Fliegen benutzen können. Irgend etwas, das einen Wühler trotz dessen beträchtlich größerer Kraft töten kann.«

Ojkib nickte. »Also bist du der Ansicht, daß deine Träume von einem Krieg zwischen Wühlern und Engeln vom Hüter der Erde kommen.«

»Ob sie vom Hüter kommen oder meinen eigenen Ängsten entspringen … ich muß darauf vorbereitet sein, meinst du nicht auch? Und ich muß mein Volk vorbereiten, nur für alle Fälle.«

Ojkib nickte. »Ich liebe die Wühler, Nafai. Ich will mich nicht zwischen ihnen und den Engeln entscheiden müssen.«

»Das wird nicht deine Entscheidung sein, Ojkib. Du wirst die Entscheidung treffen müssen, die dir von Anfang an bekannt war. Die zwischen Elemak und mir, sobald Vater tot ist.«

»Noch immer? So gebrochen, wie Elemak ist?«

»Elemak ist nicht gebrochen, Ojkib. Er hat einfach gelernt, Geduld zu haben und abzuwarten. Aber Huschidh hat mir gesagt, daß seine Verbindung mit Fusum stark sei, obwohl sie auf beiden Seiten von Abscheu gefärbt ist. Chveja ist es bestimmt ebenfalls aufgefallen. Schließlich lebt ihr beide ja schon all die Jahre unter den Wühlern.«

»Sie hat es bemerkt«, sagte Ojkib. »Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie er diesen Umstand zu seinem Vorteil nutzen könnte.«

»Wieso nicht?« sagte Nafai. »Die Wühler werden Elemak folgen, wenn er sie dorthin führt, wohin sie sowieso gehen wollen.«

»Und wohin wollen sie gehen?« fragte Ojkib.

»Sie wollen die Engel abschlachten. Da sie sich jetzt ohne die Statuen fortpflanzen können, brauchen sie die Engel nicht mehr am Leben zu lassen.«

Ojkib runzelte die Stirn. »Dann haben wir einen Fehler begangen, indem wir die prophylaktische Drüse ausgemerzt haben?«

»Nein«, sagte Nafai. »Es war richtig, beide Völker zu befreien. Aber jetzt müssen wir ihnen dabei helfen, ein neues Gleichgewicht zu finden. Eins, das auf Respekt und Toleranz beruht.«

»Ich würde nicht darauf wetten, daß sie dieses Gleichgewicht allzu schnell finden«, sagte Ojkib. »Nicht, solange die Wühler die Engel für Fleisch und die Engel die Wühler für Teufel halten.«

»Ich weiß«, sagte Nafai. »Deshalb muß unsere Arbeit für uns stehen. Vor uns und vor denen, die dem Hüter der Erde dienen wollen, wenn wir nicht mehr sind, liegen viele Lebenszeiten der Unterweisung. Und bis dahin werde ich mir ein paar Waffen einfallen lassen müssen, die den Kampf zwischen den Engeln und den Wühlern ausgleichen können. Etwas, das die Wühler in ihre Löcher zurücktreibt, wenn sie es wagen sollten, gegen die Engel Krieg zu führen.«

»Dann werden die Engel die Herren sein. Wie sollte uns das weiterhelfen?«

»Die Engel jagen die Wühler nicht, um sie zu verzehren«, sagte Nafai. »Sie wollen überhaupt nicht mit den Wühlern kämpfen. Sie wollen nur in Ruhe gelassen werden. Wie ich es sehe, kippt dies das moralische Gleichgewicht stark zugunsten der Engel.«

»Die Wühler sind keine Ungeheuer«, sagte Ojkib. »Sie sind Kinder ihres genetischen und kulturellen Erbes. Sie verdienen es nicht, vom Himmel aus abgeschlachtet zu werden.«

»Das weiß ich«, sagte Nafai. »Deshalb müssen wir auch sie so gut unterweisen, wie es uns möglich ist. Und wir müssen versuchen, ein Gleichgewicht zwischen ihnen zu bewahren.«

»Ich will nicht wählen müssen«, sagte Ojkib.

»Du wirst gar keine andere Wahl haben, als zu wählen«, sagte Nafai. »Wenn Elemak die Wühler in den Krieg führt, wirst du einer derjenigen sein, die er töten will. Du wirst auf der Seite der Engel stehen, weil dir gar nichts anderes übrig bleibt.«

»Weißt du das aus Träumen?« fragte Ojkib.

»Der Hüter muß mir keine Träume schicken, damit ich etwas herausfinde, worauf ich selbst kommen kann.«

Ojkib wischte wütend eine Träne beiseite, die seine Wange hinabgekullert war. »Nichts davon wäre nötig gewesen«, sagte er. »Warum hast du Elemak nicht einfach getötet, als du die Gelegenheit dazu gehabt hast?«

»Weil ich ihn liebe«, sagte Nafai.

»Und wie viele meiner Freunde unter den Wühlern und deiner Freunde unter den Engeln müssen deshalb sterben?«

»Elemak hat die Hand im Spiel«, sagte Nafai, »aber wenn du glaubst, Fusum oder irgend jemand anders hätte die Wühler nicht zur Rebellion gegen uns oder zum Krieg gegen die Engel aufgestachelt, verstehst du die menschliche Natur nicht.«

»Die Wühler sind keine Menschen«, sagte Ojkib.

»Wenn es um Haß und Zorn und Neid geht, doch«, sagte Nafai.

»Und auch um Liebe und Großzügigkeit«, sagte Ojkib. »Und um Vertrauen, Weisheit, Würde und …«

»Ja«, sagte Nafai. »In all dieser Hinsicht sind sie Menschen. Wie auch die Engel.«

»Wie unterscheiden wir uns dann von unseren Vorfahren, die vor vierzig Millionen Jahren von diesem Planeten vertrieben wurden?«

»Ich weiß es nicht«, sagte Nafai. »Aber wenn man uns genug Zeit läßt, finden wir und die Wühler und die Engel vielleicht eine Möglichkeit zu einem friedlichen Zusammenleben.«

»Und bis dahin wirst du Waffen entwerfen«, sagte Ojkib.

»Ich denke an Blasrohre«, sagte Nafai. »Mit Pfeilen. Aber ich weiß nicht, ob sie vergiftet sein müssen oder nicht, um wirksam zu sein.«

»Du sprichst davon, meine Freunde zu töten«, sagte Ojkib.

»Versuche, deine Freunde zu lehren, den Krieg zu hassen und nicht daran teilzunehmen«, sagte Nafai. »Lehre sie, schon den Gedanken zu verabscheuen, die Kinder des Himmelsfleisches zu essen. Dann werden sie nie vom Pfeil eines Engels getötet.«

15

Spaltungen

Wenn der Friede vom Leben eines Mannes abhängt, wird jeder neuer Tag zu einer Totenwache. Jeder neue Plan muß den Gedanken einschließen: Kann dies zu Ende geführt werden, bevor er stirbt? Jedes neue Kind wird mit dem Gebet willkommen geheißen: Möge die Sicherheit noch ein Jahr andauern. Noch einen Monat, noch eine Woche.

Nicht, daß die Leute viel darüber sprachen — wie alt Volemak aussah, wie krumm sein Rücken war, wie er vor Arthritis zusammenzuckte, wenn er ging, wie er dazu neigte, schnell außer Atem zu sein, wenn er schwer arbeitete, wie er die Versammlungen nun im Schulhaus einberief, damit er nicht mehr die Leitern im Raumschiff hinaufsteigen mußte. Sie sahen, bedauerten und fürchteten es, behielten es jedoch für sich und taten so, als wäre es gar nicht so schlimm, als hätte er noch viel Zeit, als müsse man sich noch keine Sorgen machen.

Dann starb Emeezem, und Fusum ergriff endgültig die Macht unter den Wühlern. Sie hatte den Mut bereits verloren, als ihr Sohn Nen bei der Jagd von einem Panther getötet worden war. Später war die Entweihung des Unberührten Gottes ein schwerer Schlag gewesen, und ihr Mut erstarb vollends; der Tod ihres Gatten Mufruzhuuzh war im Vergleich dazu lediglich ein unbedeutendes Nachspiel gewesen. Die Welt ist am Ende angelangt, Emeezem, und, o ja, dein Gatte ist tot, und der brutale Junge, der behauptet, er habe deinen Sohn retten wollen, ist jetzt sowohl Blutkönig als auch Kriegskönig, und wenn du stirbst, wird er den Frieden unter deinem Volk zerstören, und du kannst nichts dagegen tun, lediglich die Frauen lehren, daß sie eines fernen Tages nach einem Tag des Friedens Ausschau halten sollen, aber die Frauen scheinen kaum noch auf dich zu hören, und der einzige, der dich ehrt, ist der Mensch Nafai, dessen Gesicht vor langer Zeit deine Erlösung war. Als der Tod endlich zu ihr kam und ihr die Lungen aushustete, während sie in der Dunkelheit ihrer tiefen Kammer lag, gepflegt von schweigenden Frauen und ein paar Männern, die auf den genauen Augenblick ihres Todes achteten, damit sie sogleich anfangen konnten, ihr Andenken zu zerstören — als der Tod endlich zu ihr kam, hieß sie ihn mit bitterer Erleichterung willkommen. Weshalb hast du so lange gebraucht? Und wo sind Nen und Mufruzhuuzh? Und was das betrifft — wo ist meine Mutter? Warum hat sich herausstellen müssen, daß mein Leben so wertlos war?