Выбрать главу

Rasa ging zum Schiff, zu Schedemei. »Elemak weiß wahrscheinlich nicht, daß du jetzt den Mantel hast, Schedemei. Du könntest ihn benutzen, um ihn aufzuhalten, ihn niederzuschlagen.«

Schedemei schüttelte den Kopf. »Ich beherrsche ihn noch nicht so gut. Ich lerne noch. Dieser Mantel ist eine schreckliche Last. Ich weiß nicht, wie Nafai sie ertragen konnte.«

»Siehst du denn nicht, daß er völlig hilflos ist? Elemak wird ihn töten, wahrscheinlich noch heute nacht. Er wird Nafai nicht bis zum Morgen leben lassen.«

»Ich weiß«, sagte Schedemei. »Ich habe eine Nachricht von Issib erhalten, durch den Index. Jetzt, da ich den Mantel trage, höre ich ihn nämlich direkt. Er sagt, daß Luet letzte Nacht einen wahren Traum geträumt hat. In dem Traum sah sie, daß alle Wühlersoldaten schliefen, und all jene, die Elemak folgen. Sie schliefen, während du und Nafai und alle getreuen Männer und Frauen und Kinder die Schlucht hinaufzogen, und dann weiter, höher und immer weiter, in ein neues Land.«

»Und was soll das bedeuten?«

»Ich glaube — sie glaubt es, und Issib ebenfalls, und die Überseele sagt es auch —, daß es ein wahrer Traum war. Die Überseele hat genug Macht, um die Menschen schlafen zu lassen. Aber da der Traum vom Hüter kam, müssen wir vielleicht darauf vertrauen, daß auch er die Macht hat, Leute schlafen zu lassen.« Schedemei wandte den Blick ab. »Ich kenne mich mit solchen Dingen nicht aus. Ich hatte nie Visionen. Eigentlich hatte ich nur einen einzigen Traum, einen von einem Garten.«

Zdorab saß verdrossen in einer Ecke. »Sie will mich nicht mitnehmen«, sagte er. »Verdammt, sie beharrt darauf, daß ich Nafai begleite und ihm helfe, eine neue Kolonie zu errichten.«

»Du mußt es nicht«, sagte Schedemei.

»Oder daß ich bei Elemak bleibe — ist das die Wahl, die du mir läßt?« sagte Zdorab. »Rede mit ihr, Rasa. Ich bin Bibliothekar.«

»Ich tue nur, was die Überseele rät«, sagte Schedemei. »Sie sagt, daß Zdorab gebraucht wird.«

»Aber was ist damit, was ich will?« fragte Zdorab. »Herrin Rasa, habe ich nicht all diese Jahre lang den Eid gehalten, den ich Nafai geleistet habe? Habe ich ihm nicht zur Seite gestanden?«

»Vielleicht«, sagte Rasa, »hast du jetzt Gelegenheit, ihm zu vergelten, daß er dir deinen Fehler während der Reise verziehen hat.«

Zdorab wandte den Blick ab.

»Kannst du ihn nicht mitnehmen?« fragte Rasa.

»Ich will es ja«, flüsterte Schedemei. »Aber die Überseele sagt, jetzt nicht.«

»Dann sag es ihm. Sag ihm, daß es nur jetzt nicht geht«, erwiderte Rasa. »Er glaubt, es sei für immer.«

Zdorab ergriff erneut das Wort, und nun weinte er. »Weißt du nicht, daß ich dich liebe, Schedemei? Weißt du nicht, daß ich ohne dich nicht leben will?«

Auch in Schedemeis Augen traten Tränen. »Ich hätte nie gedacht«, flüsterte sie Rasa zu, »daß er …«

»Dich liebt?« fragte Rasa. »Du hast nie geglaubt, daß dich jemand liebt, aber wir lieben dich tatsächlich. Laß ihn dich begleiten, Schedemei. Die Überseele weiß nicht alles. Sie ist nämlich nur ein Computer.«

Schedemei nickte ernst. Sie wußte ganz genau, daß Rasa keinen Augenblick lang glaubte, die Überseele sei nichts weiter als eine Maschine. »Zdorab«, sagte Schedemei, »wirst du das Beiboot des Schiffes nehmen und Herrin Rasa und die schwersten Lasten die Schlucht hinauf bringen? Und dann Issib, seinen Stuhl und Herrin Rasa zu dem neuen Ort bringen, an dem die Nafari ihre Kolonie gründen werden?«

»Ja«, sagte Zdorab.

»Und wärest du dann so freundlich, wenn Nafai dir sagt, daß er keine weitere Verwendung für das Beiboot mehr hat, es zu mir zum Schiff zurückzubringen, damit wir beide dann in die Erdumlaufbahn starten können?«

Er lächelte. Er umarmte sie.

»Du weißt, daß der Mantel mein Leben bewahrt«, sagte sie. »Über die natürliche Spanne hinaus. Und ich habe vor, viel Zeit im Tiefschlaf zu verbringen, damit ich viele Generationen des Lebens studieren und sehr viele Daten zusammentragen kann.«

»Ich habe nichts dagegen, vor dir zu sterben«, sagte Zdorab. »Ich würde es sogar vorziehen.«

»Wir werden die ganze Zeit arbeiten müssen«, sagte Schedemei.

»Also brauchst du um so mehr einen Sekretär und Bibliothekar.«

»Und das Gehalt ist schlecht.«

»Ich bin bereits bezahlt worden«, antwortete er.

Als die Dunkelheit sich senkte, schliefen die Wühlersoldaten vor der Tür von Volemaks Haus ein. Nafai trat kurz darauf hinaus, ging von Tür zu Tür, sprach leise mit seinen treuen Anhängern und versammelte sie am Waldrand. Obwohl sie es versuchten, waren sie nicht still; es war unmöglich, die kleinen Kinder daran zu hindern, etwas zu sagen oder — gelegentlich — zu weinen oder sich zu beschweren. Aber niemand gab Alarm.

Chveja stand neben Nafai und betrachtete die Fesseln, die ihn noch immer mit den Leuten verbanden, die er zurückließ. »Falls sie schlafen«, sagte sie, »heißt das doch, die Überseele will nicht, daß sie dich begleiten.«

»Diesmal spielt es keine Rolle, was die Überseele will«, sagte Nafai. »Ich nehme jeden mit, der mich begleiten möchte.«

Chveja nickte. »Tja, dann muß ich dir sagen, daß du noch mit Eiadh und dreien ihrer Kinder verbunden bist.«

Nafai nickte. »Aber ich muß nicht mit ihr sprechen«, sagte er. »Siehst du? Da kommt sie.«

Und es stimmte. Sie wurde von den jungen Männern Yistina und Peremenja und der jungen Frau Zhivoja begleitet, derjenigen, die vor zwanzig Jahren entführt worden war. Yistina und Peremenja hatten ihre Frauen mitgebracht, doch Zhivojas Gatte Muzhestvo war nicht dabei. »Er schläft, und ich kann ihn nicht wecken«, erklärte sie mit Tränen in den Augen.

»Du kannst bei ihm bleiben«, sagte Nafai. »Niemand wird dir deshalb Vorwürfe machen.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß, was er ist«, sagte sie. »Als ich ihn geheiratet habe, habe ich es nicht gewußt, aber jetzt weiß ich es. Er ist einer von ihnen. In seinem Herzen und seiner Seele ist er einer von ihnen.« Sie legte die Hände auf den Bauch. »Aber das Baby gehört mir.«

Eiadh berührte Nafais Arm. »Du mußt uns nicht mitnehmen, Nafai. Ich weiß, in welche Gefahr dich das bringt. Er wird es dir niemals verzeihen. Er wird glauben, daß du und ich …«

»Er wird glauben, daß wir beide getan haben, was er und Kokor und er und Sevet und wahrscheinlich auch er und Dol schon längst getan haben.« Nafai nickte. »Aber wir beide wissen, daß wir es nicht getan haben und niemals tun werden.«

Eiadh lächelte blaß, als er ihr so sanft klarmachte, daß sie als Mitbürgerin und nicht als seine Geliebte mitkam.

»Dann sind alle da«, sagte Chveja.

»Nein, noch nicht«, sagte Nafai. »Ich muß meine Schwestern einladen.«

»Sie schlafen mit ihm, Vater«, sagte Chveja. »Ganz zu schweigen davon, daß sie nicht gerade die vertrauenswürdigsten Personen auf der Welt sind.«

»Nehmen wir nur die Starken und Tugendhaften mit?« fragte er. »Ihre Gatten sind tot, und wie du gesagt hast, war Moral noch nie ihre Stärke. Aber sie sind meine Schwestern.« Er ging davon, zurück ins Dorf.

Es war eine Geisterstadt. Die Türen standen offen; die Leute waren fort oder schliefen in einigen wenigen Häusern tief und fest. Doch als Nafai zur Tür von Sevets Haus kam, stand sie schon auf der Schwelle. Sie schaute verschlafen und überrascht drein. »Ich hatte einen Traum«, sagte sie, als Nafai zu ihr trat. »Ich erinnere mich nicht mal mehr an ihn, aber er befahl mir aufzustehen, und da bist du.«

»Wir gehen«, sagte Nafai. »Bevor Elemak die Gelegenheit bekommt, mich zu töten, gehen wir. Alle, die nicht unter seiner Herrschaft leben wollen. Wir nehmen sämtliche Engel mit und ziehen zu einem fernen Ort.«