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»Er wird euch aufspüren und töten, falls er es kann«, sagte Sevet. »Du weißt nicht, wieviel Haß in ihm ist.«

»Doch, das weiß ich«, sagte Nafai. »Möchtest du mich begleiten?«

Sie fing an zu weinen. »Willst du mich mitnehmen? Nach allem, was ich getan habe?«

»Möchtest du wirklich mitkommen?« fragte er. »Willst du jetzt wirklich zu mir stehen?«

»Ich habe solche Angst vor ihm«, sagte sie. »Und meine Vasnaminanja und meine Umja — sie glauben, mit ihm geht die Sonne auf und unter.«

»Aber Panimanja begleitet uns«, sagte Nafai.

»Und ich auch«, sagte Sevet.

Sie gingen zu Kokors Tür. Sie stand zwar offen, doch Kokor wartete nicht auf der Schwelle, wie Sevet es getan hatte. Sie gingen leise hinein und stellten fest, daß sie nicht allein in ihrem Bett war. Mebbekew lag neben ihr, nackt und in der feuchten Hitze der Nacht schwitzend. Doch Mebbekew schlief, während Kokors Augen bereits weit geöffnet waren, als sie das Zimmer betraten.

Sie sagten nichts, aus Angst, Meb könne erwachen. Kokor schaute sie blinzelnd in der Dunkelheit an. Nafai nickte ihr zu, winkte ihr und führte Sevet dann hinaus. Sie warteten einige Schritte vom Haus entfernt. Kurz darauf kam sie hinaus, noch ihre Kleidung richtend. »Ihr geht«, sagte sie leise. »Ich habe es geträumt.«

»Willst du uns begleiten?« fragte Nafai.

Kokor blickte Sevet an, und ihre Augen wurden groß. »Uns?« fragte sie.

»Wenn du willst, kannst du bei ihm bleiben, Kokor«, sagte Sevet. »Ich glaube, er liebt dich.«

»Er liebt keinen mehr«, sagte Kokor.

»Ich habe nicht Meb gemeint«, sagte Sevet.

»Ich weiß«, erwiderte Kokor. »Aber könnte ich euch denn begleiten, wenn ich es möchte?«

»Es gibt keine Rückkehr«, sagte Nafai. »Und in unserer neuen Stadt respektieren wir die Gesetze.«

Sie begriffen, was er ihnen sagte. »Vielleicht haben wir mittlerweile genug davon bekommen«, sagte Sevet.

Kokor verdrehte die Augen. »Ich werde nie genug davon bekommen«, sagte sie. »Aber ich weiß, daß es nicht Basilika sein wird. Ich werde brav sein.«

»Bist du sicher, daß du hier nicht glücklicher wärest?« fragte Nafai.

»Willst du denn nicht, daß wir dich begleiten?« fragte Kokor.

»Natürlich will ich das«, antwortete er.

»Bring uns ein bißchen Vertrauen entgegen, Nafai«, sagte Kokor. »Wir kennen den Unterschied zwischen dir und Elemak. Wir können Stahl von billigem Blech unterscheiden, wenn wir ihn sehen.«

»Dann gehen wir«, sagte Nafai. »Uns erwartet diese Nacht noch eine lange Reise.«

Ojkib führte die lange Prozession bereits auf den Waldweg, so daß nur noch wenige dort waren, als Nafai zurückkam, unter ihnen Rasa und Zdorab an Bord des Beibootes. Schedemei war auch noch da.

»Versiegele das Schiff«, sagte Nafai. »Sie können nicht hinein, wenn du sie nicht läßt.«

»Ich weiß«, antwortete sie. »Dem Schiff wird nichts geschehen.«

»Versuche nicht, den Helden zu spielen«, sagte Nafai. »Wir werden schon klarkommen.«

»Ihr braucht mehr als nur eine Nacht Vorsprung«, sagte Schedemei.

Nafai schüttelte den Kopf und wollte ihr offensichtlich widersprechen. Doch sie streckte eine Hand aus und legte die Finger auf seine Lippen, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Njef, mein lieber Freund, ich bin jetzt die Herrin der Sterne. Führe du deine Kolonie in die Wildnis. Ich werde mich um das Schiff kümmern und entscheiden, wie die Macht des Mantels eingesetzt wird.«

Schedemei umarmte Rasa und Zdorab und winkte dann, als das Beiboot sich in den Himmel erhob, über die Wipfel der Bäume raste und dabei alle anderen Reisenden überholte, die den Pfad entlang trotteten. Dann umarmte sie Nafai und kehrte zum Schiff zurück.

Nafai betrat den Weg als letzter. Er glaubte, allein zu sein, als er sich plötzlich von einem Dutzend Wühler umgeben sah. Sein erster Gedanke war, daß der Hüter versagt hatte, daß die Überseele zwar seine menschlichen Feinde in den Schlaf versetzt hatte, die Wühler aber aufgewacht waren. Also werde ich sterben, dachte er.

Dann sah er, daß sie nicht bewaffnet und die Hälfte von ihnen Frauen waren.

»Nimm uns mit«, sagte eine von ihnen in der Wühlersprache.

Nafai sprach sie nicht so fließend wie Ojkib, verstand sie aber. »Und ihr wollt bei den Engeln leben?« fragte er. »Sie werden euch niemals vertrauen.«

»Wir möchten lieber Diener der … Engel sein«, sagte die Frau, die für sie alle sprach. Nafai bemerkte, daß sie nicht Himmelsfleisch gesagt hatte, sich aber beträchtlich abmühen mußte, um mit ihren Lippen und der Zunge die seltsamen Laute aussprechen zu können, die das Engelwort für Volk bildeten. »Fusum ist ein schrecklicher Gott.«

Nafai nickte. »Es wird unter den Engeln schwer für euch sein«, sagte er, »aber ihr steht unter meinem Schutz, und ich werde euch vertrauen, bis ihr mir zeigt, daß ich es nicht kann. Legt ihr alle einen Eid ab, mir zu gehorchen und keinem von meinem Volk, ob nun Mensch oder Engel, Schaden zuzufügen?«

Sie leisteten den Eid, und er gestattete, daß sie ihm folgten. Als sie bei den Engeln eintrafen, herrschte Bestürzung unter ihnen, doch Nafais Versicherungen und die bescheidenen Bitten der Wühler selbst bewirkten, daß die Engel sie widerwillig akzeptierten. Es war noch dunkel, als sie das leere Engeldorf verließen und in ein neues Land aufbrachen, um eine neue Stadt, eine ganz neue Gemeinschaft zu errichten.

Als sie nach vielen Tagen des Marsches den Ort erreichten, den Nafai Jahre zuvor in dem Wissen ausgesucht hatte, daß dieser Tag kommen würde, hielten pTo und Poto eine kleine Feier ab. »Ein Ort muß einen Namen haben«, sagten sie. »Und da wir immer als die Nafari bekannt sein werden« — das Wort, das über ihre Lippen kam, klang eher wie Dapati, aber man verstand sie — »und du derjenige bist, den wir zu unserem Anführer gewählt haben, sind wir der Ansicht, daß dieses Land Nafai« — Dapai — »heißen sollte.«

Die anderen bekundeten so laut ihre Zustimmung, daß Nafai nur lächeln konnte. »Niemand könnte ein höheres Lob bekommen als das«, sagte er schließlich, »daß seine Freunde ihre Heimat nach ihm benennen.« Doch trotz der Bescheidenheit seiner Worte wußten alle, was die Namensgebung bedeutete. Nafai war ihr König. Ihr Kriegskönig. Und sie würden gern für ihn sterben.

16

Herrin der Sterne

Schedemei hörte, was Issib durch den Index zu ihr sagte. »Es dämmert bereits, und wir sind ein gutes Stück vom Dorf entfernt, aber wir kommen nur langsam voran, Schedja, und ein Heer der Wühler könnte uns bis Mittag eingeholt haben.«

»Heute oder morgen wird kein Heer losziehen«, erwiderte Schedemei.

»Vergiß eins nicht, Schedja«, fuhr Issib fort. »Nur du kannst uns alle schützen. Sei nicht edelmütig. Sei nicht fair. Setze dich durch.«

»Ein guter Ratschlag, Issja. Jetzt wollen wir das Gespräch beenden, damit ich ihn befolgen kann.«

Trotz all ihrer Zuversicht verließ Schedemei den Schutz des Sternenschiffs nur zögernd. Sie versiegelte hinter sich die Tür. Daß sie den Mantel trug, gab ihr ein Gefühl der Nähe, der Zusammengehörigkeit mit jedem einzelnen Teil des Schiffes, doch in Wirklichkeit hatte sie sich zuvor auch nicht anders gefühlt. Das Schiff war, wo ihre Werkzeuge waren, ihre Bibliothek, ihre Arbeit, ihre Karriere, sie selbst. Als sie ins Dorf trat — die Überreste des Dorfes, die zumeist verlassenen, von Menschen erbauten Häuser —, wurde sie zu einer anderen Person. Nafai muß dies genossen haben, dachte Schedemei, dieses Gefühl der Macht, der Kontrolle. Aber ich genieße es nicht. Es interessiert mich nicht besonders, herauszufinden, wieviel Macht durch meinen Körper konzentriert werden kann. Ich habe nicht den Wunsch zu erfahren, wie stark ein elektrischer Schlag sein darf, den ich jemandem verpassen kann, ohne ihn damit zu töten.