»Es freut mich, daß der Geist der Versöhnung dich erfüllt.«
Er lächelte sie an. Dann trat er von ihr zurück und wandte sich an die Wühler, die Fusum festhielten. »Schafft den Gefangenen in mein Haus. Und dann bringt mir diejenigen, die glauben, von Verbrechen zu wissen, die dieser Mann begangen hat.« Er schaute wieder Schedemei an. »Damit müßte ich den ersten Tag beschäftigt sein.«
Schedemei wandte sich von ihm zu Protschnu, dessen Wangen naß vor Tränen waren. »Das hättest du mir nicht antun sollen«, flüsterte er. »Das war falsch.«
»Du warst ein so vielversprechender Junge«, antwortete sie freundlich. »Von all den Tragödien, die dieser lebenslange Krieg zwischen Brüdern verursacht hat, ist deine die traurigste.«
Er wurde fuchsteufelswild. »Ich werde ihn töten, Schedja. Ich werde sie alle töten. Jeden einzelnen von ihnen.«
»Du willst damit also sagen, du bist überzeugt, daß dein Vater scheitern wird?«
»Ich habe gemeint, daß ich alle töten werde, die er übrigläßt.«
»Du kennst die Wahrheit, Protschnu. Hör auf, dir den Kopf über Rache zu zerbrechen, und lerne, ein Anführer zu sein. Diese Leute brauchen viel dringender einen König, als dein Vater gerächt werden muß. Alles, was er je getan hat, hat er der Macht willen getan. Jetzt hat er sie bekommen. Du wirst es sehen. Er wird kriegerische Anstrengungen unternehmen. Aber er wird unterliegen, weil seine Gier bereits befriedigt wurde.«
»Du kennst Vater nicht«, sagte Protschnu stolz. »Und du kennst mich nicht.«
»Niemand kennt dich«, sagte Schedemei. »Vielleicht wirst du uns alle überraschen.«
Acht Tage später kehrte Zdorab in dem Beiboot zum Schiff zurück. Er traf noch rechtzeitig ein, um zusehen zu können, wie Fusum für seine Verbrechen hingerichtet wurde. Einer seiner eigenen Soldaten schnitt ihm die Kehle durch. Dann wurde seine Leiche an den Ast eines Baums gehängt, so daß kein Teil davon die heilige Erde berührte. Daraufhin trat Schedemei mit leuchtender Haut vor und vollzog das Ritual, mit dem sie Elemak zum Kriegskönig ernannte. Das Volk grüßte ihn und jubelte ihm zu, und dann beobachteten alle schweigend, wie Schedemei und Zdorab in dem Beiboot hinaufflogen, bis sie den Turm durch die hohe, weite Öffnung betraten, in der das Beiboot aufbewahrt wurde.
Die Tür schloß sich hinter ihnen, und Elemak brach sofort mit zweihundert Soldaten auf und ließ Muzhestvo zurück — Mebbekews jüngsten Sohn, nun ein Mann von dreiundzwanzig Jahren —, damit er während seiner Abwesenheit über das Volk herrschte. Elemaks Heer befand sich auf halber Höhe der Schlucht, als das Raumschiff zum Leben erwachte und in den Himmel stieg.
Es wurde zu einem weiteren Lichtpunkt im Nachthimmel, der die Erde unentwegt umkreiste und gelegentlich seine Position änderte. Es trug den Namen Basilika; aber mit der Zeit erinnerte sich fast niemand mehr daran, wieso oder was es war, oder daß es einmal ein Turm gewesen war, der im ersten menschlichen Dorf auf der Erde seit vierzig Millionen Jahren gestanden hatte.
Elemaks Heer folgte dem breiten Weg, auf dem die Nafari ausgewandert waren, doch als es die steinige Klippe erreichte, welche die Südpassage in das breite, hohe Tal blockierte, das das Land der Nafari war, griffen Engel das Heer aus der Luft an und schossen Pfeile in die freiliegenden Rücken der Soldaten. Zwanzig Wühler starben an dieser Stelle, und vierzig weitere wurden verletzt. Sie schlugen sich nach Hause durch, und Elemak lehrte sie, Rüstungen anzufertigen, damit sie es ein Jahr später noch einmal versuchen konnten.
Und so ging es Jahr um Jahr. Doch zwischen den zwecklosen Kriegen wuchsen und gediehen beide Nationen, und beide schickten Händler und Lehrer aus, um in jeder anderen Wühlerstadt und jedem anderen Engeldorf die neue Landwirtschaft zu verbreiten, und die neuen Methoden der Kriegsführung, und die neuen Mythen und Legenden und Religionen.
Generationen zogen vorbei, und die Zahl der Menschen erreichte die Hundert, dann die Tausend, dann die Zehntausend, und es gab keine Wühlerstadt, die keine Menschenhäuser über sich hatte, und kein Engeldorf, in dem nicht die Menschen in den Abendgesang einfielen. In beiden Gesellschaften setzte sich für die Menschen der Ausdruck Mittelvolk durch; denn sie standen zwischen den Engeln im Himmel und den Wühlern in der Erde.
Im Himmel kreiste und kreiste das Raumschiff, doch es war voller Leben. Schedemei und Zdorab schliefen lange und oft, aber dann tauchten sie wieder auf und benutzten das Beiboot, um den Planeten zu erkunden, Proben zu sammeln, neue Varianten einzuführen, den Gärten der Erde Form und Kraft und Mannigfaltigkeit zu geben. Mit der Zeit nutzte Zdorabs Körper sich ab, und Schedemei bettete ihn in einem Feld mit Blumen zur Ruhe, die sie von Harmonie mitgebracht hatte. Als sie dann allein war, wachte sie nicht mehr so oft auf. Doch von Zeit zu Zeit besuchte sie die Welt unter sich noch, sammelte Proben, hegte sie und beobachtete schweigend, wie die Menschen, Wühler und Engel sich über das Antlitz der Erde ausbreiteten, jedesmal klüger, wenn sie sie sah, aber auch zorniger, und stets im Krieg.
Was sonst hätte geschehen können? Die menschliche Rasse war wieder zu Hause.