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Er stieg die Stufen hinunter, das Heft fest in der Hand. Felsen-Dall wartete. Als Par ihm nahe genug war, streckte er die Hand aus und berührte mit der Klinge den Körper des anderen.

Nichts geschah.

»Jetzt weißt du es. Ich trage keine Lüge in mir«, sagte Felsen-Dall. »Die Lüge liegt in dem, was man dir erzählt hat.«

Par stellte fest, daß er zitterte. »Aber warum sollte Allanon lügen? Welchen Sinn könnte das haben?«

»Denk doch einfach daran, was man von dir verlangt hat.« Der große Mann schien entspannt. »Man hat von dir verlangt, daß du die Druiden zurückbringst, daß du ihnen ihren Talisman wiedergibst, daß du uns vernichtest. Die Druiden sollen das zurückgewinnen, was ihnen verloren gegangen ist, die Macht der Magie. Unterscheidet sich das in irgendeiner Weise von dem, Par, was der Dämonenlord vor zehn Jahrhunderten angestrebt hat?«

»Aber du hast uns verfolgt!«

»Um mit dir zu reden.«

»Du hast meine Eltern gefangengenommen!«

»Ich habe sie vor größerem Unglück bewahrt. Die Föderation wußte von dir und hätte sie benutzt, um dich zu finden, wenn ich ihr nicht zuvorgekommen wäre.«

All seiner Gegengründe beraubt, rang Par nach Luft. War das, was er hörte, wirklich wahr? War alles eine Lüge, wie Felsen-Dall behauptete? Er konnte es nicht glauben. »Ich muß nachdenken«, sagte er erschöpft.

»Dann komm mit mir und denke nach«, antwortete der andere sofort. »Komm mit mir, und wir werden uns ausführlicher darüber unterhalten. Du hast viele Fragen, die einer Antwort bedürfen, und ich kann sie dir geben. Es gibt viel, was du über den Gebrauch der Magie wissen solltest. Komm, Par. Vergiß deine Ängste und Zweifel. Dir wird nichts geschehen – wie keinem, dessen Magie so vielversprechend ist.«

Seine Stimme klang unwiderstehlich, und Par schwankte. Es war so einfach, ja zu sagen. Er war müde, und es wäre tröstlich, mit jemand über die Enttäuschungen, die mit dem Besitz der Magie verbunden waren, zu reden. Felsen-Dall würde ihn sicherlich verstehen, nachdem er sie selbst erfahren hatte. Par fühlte sich von diesem Mann nicht mehr bedroht. Es schien keinen Grund zu geben, ihm seine Bitte abzuschlagen.

Er tat es trotzdem. Er tat es, ohne den Grund dafür nennen zu können. »Nein«, sagte er leise.

»Denk daran, was wir uns erzählen könnten, wenn du mitkämst«, beharrte der andere. »Wir haben so vieles gemeinsam! Sicherlich hast auch du dich danach gesehnt, über deine Magie zu sprechen, die Magie, die du verbergen mußt. Es gab niemanden vor mir, mit dem du das hättest tun können. Ich fühle, daß du es nötig hast, ich spüre es! Komm mit mir! Du hast…«

»Nein.« Par trat zurück. Etwas Häßliches flüsterte plötzlich in seinem Kopf, irgendeine Erinnerung, die noch kein Gesicht hatte, deren Stimme er jedoch klar erkannte.

Felsen-Dall beobachtete ihn, und seine schroffen Züge verhärteten sich. »Das ist töricht.«

»Ich gehe«, sagte Par leise. »Und ich nehme das Schwert mit.«

Felsen-Dall wurde zu einem Schatten. »Bleib, Par Ohmsford! Du kennst die schwarzen Geheimnisse nicht, Dinge, die du besser von mir erfährst. Bleib und höre!«

Par wandte sich dem Korridor zu, durch den er gekommen war.

»Die Tür ist hinter dir«, sagte Felsen-Dall plötzlich mit schneidender Stimme. »Es gibt keine Korridore, keine Stufen. Das war eine Illusion, die meine Magie heraufbeschworen hat, die dich hier festhalten sollte, damit ich mit dir reden konnte.

Aber wenn du jetzt gehst, wird etwas Wertvolles zerstört. Die Wahrheit wartet auf dich – und sie kündet von Entsetzen. Du kannst ihr nicht widerstehen. Bleib und hör mich an! Du brauchst mich!«

Par schüttelte den Kopf. »Felsen-Dall, du klangst einen Augenblick wie die anderen, jene Schattenwesen, die äußerlich nichts mit dir gemein haben, die jedoch mit dem gleichen Drängen sprechen. Genau wie sie, würdest auch du mich besitzen.«

Felsen-Dall stand schweigend vor ihm und beobachtete regungslos, wie er immer weiter zurückwich. Das Licht, das der Erste Sucher heraufbeschworen hatte, wurde schwächer, und Dunkelheit breitete sich aus.

Par Ohmsford ergriff das Schwert von Shannara mit beiden Händen und lief um sein Leben. Felsen-Dall hatte recht gehabt; es gab keine Korridore und Stufen. Es war alles eine Illusion, eine Magie, die Par hätte erkennen müssen. Aus der Finsternis des Kuppelbaus stürzte er in das graue Licht der Schlucht. Augenblicklich umfingen ihn Feuchtigkeit und Nebel. Er blinzelte, fuhr herum und suchte.

Wo war Coll?

Er legte den Mantel ab und wickelte hastig das Schwert von Shannara darin ein. Allanon hatte gesagt, er werde es brauchen – wenn er Allanon überhaupt noch glauben konnte. In diesem Augenblick wußte er es nicht. Aber das Schwert mußte er bewahren; es hatte einen Zweck zu erfüllen. Es sei denn, es hatte seine Magie verloren.

»Par.«

Die Stimme ließ ihn zusammenfahren. Sie war hinter ihm, so nah, daß sie sehr wohl hätte ein Flüstern in seinem Ohr sein können, hätte sie nicht den rauhen Klang gehabt. Er drehte sich um.

Und da stand Coll.

Oder das, was einst Coll gewesen war.

Das Gesicht seines Bruders war kaum wiederzuerkennen, zerstört durch eine innere Qual, die die so bekannten Züge verzerrt hatte. Sein Körper war gekrümmt und gebeugt, als wären seine Knochen neu zusammengefügt worden. Er hatte Flecken auf der Haut, Risse und andere Verletzungen, und seine Augen brannten in einem Fieber, das Par augenblicklich erkannte.

»Sie haben mich genommen«, flüsterte Coll verzweifelt. »Bitte, Par, ich brauche dich. Drück mich. Bitte.«

Par schrie auf, wünschte das Ding vor sich weit weg, wollte, daß es ihm aus den Augen und aus dem Sinn ging. Schauer ließen ihn erzittern. »Coll!« schluchzte er.

Sein Bruder stolperte mit ausgestreckten Armen auf ihn zu. Er war ein Schattenwesen geworden, eine Kreatur wie die anderen in der Schlucht, die laut Felsen-Dall von der Föderation zerstört worden waren. Wie? Par hatte sich, wie es schien, nur auf Minuten entfernt. Was hatte man seinem Bruder angetan?

Er stand da, betäubt und zitternd, als das Ding vor ihm ihn berührte, ihn mit den Armen umschlang und fortwährend flüsterte: »Drück mich, drück mich«, als wäre diese Litanei dazu angetan, ihn zu befreien. Par wünschte, er wäre tot, wäre nie geboren worden, er wünschte sich etwas, das ihn retten konnte. Das Schwert von Shannara entfiel ihm.

Colls Hände fingen an, an ihm zu zerren.

»Coll, nein!« schrie Par. Dann geschah etwas ganz tief drinnen, etwas, wogegen er nur kurz ankämpfte, bevor es ihn überwältigte. Ein Brennen wogte durch seine Brust und durchströmte bald seinen ganzen Körper gleich einem Feuer. Es war die Magie – nicht die Magie des Wunschliedes, die Magie der harmlosen Bilder und vorgetäuschten Dinge, sondern die andere. Es war die Magie, die einst in den Elfensteinen gewohnt hatte, die Magie, die Shea Ohmsford vor vielen Jahren von Allanon erhalten hatte, die in Wil Ohmsford und den Gliedern seiner Familie nach ihm weitergelebt und sich verändert hatte und immer ein Geheimnis geblieben war. Jetzt war sie in ihm lebendig, eine Magie, größer als das Wunschlied, mächtig und unbeugsam.

Sie durchströmte ihn und drängte heraus. Er schrie Coll zu, von ihm abzulassen, aber sein Bruder konnte ihn scheinbar nicht hören. Coll, eine zerstörte Kreatur, eine Karikatur des Menschen aus Fleisch und Blut, den Par geliebt hatte, verzehrte sich in seinem Wahnsinn; der Körper diente lediglich dazu, das Schattenwesen, zu dem er geworden war, am Leben zu erhalten. Die Magie ergriff von ihm Besitz und verwandelte ihn in einem einzigen Augenblick in ein Häufchen Asche.

Par beobachtete voll Entsetzen, wie sich sein Bruder vor seinen Augen auflöste. Bestürzt fiel er auf die Knie und spürte, wie sein eigenes Leben mit dem von Coll entwich.

Dann streckten sich andere Hände nach ihm aus, klammerten sich an ihm fest und drückten ihn zu Boden. Eine Flut von verzerrten, zerstörten Gesichtern und Körpern preßte sich an ihn. Die Schattenwesen der Schlucht waren gekommen, um sich auch seiner zu bemächtigen. Sie kamen in großer Zahl, ihre Hände rissen und zerrten an ihm, als wollten sie ihn in Stücke reißen. Er spürte, wie er sich auflöste, wie er unter dem Gewicht ihrer Körper zusammenbrach.