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»Eure Geschichte ist voll von ›möglicherweise‹«, bemerkte der Hochländer, als sie ihre Erzählung beendet hatten. »Seid ihr sicher, daß ihr das alles nicht nur erfunden habt?«

»Ich wünschte, es wäre so«, antwortete Coll wehmütig.

»Wie dem auch sei«, erklärte Par, »wir hielten es für eine gute Idee, hier zu übernachten und uns morgen auf den Weg ins Tal zu machen.«

Morgan schüttelte den Kopf. »Ich würde das an eurer Stelle lieber bleiben lassen.«

Par und Coll warfen einander fragende Blicke zu.

»Wenn die Föderation so sehr hinter euch her war, daß sie Felsen-Dall sogar bis nach Varfleet geschickt hat«, fuhr Morgan fort, der ihren Blick erwiderte, »haltet ihr es dann nicht für wahrscheinlich, daß sie ihn auch nach Shady Vale schicken?«

Erst nach langem Schweigen sagte Par schließlich: »Ich gebe zu, daran habe ich noch gar nicht gedacht.«

Morgan stieg aus dem Wasser und begann sich abzutrocknen. »Ich weiß, mein Junge, Denken war noch nie deine Stärke. Bloß gut, daß du mich zum Freund hast. Kommt, laßt uns zur Hütte hinaufgehen, und ich mache euch etwas zu essen – zur Abwechslung mal was anderes als Fisch –, und dann können wir die Sache bereden.«

Sie trockneten sich ab, wuschen ihre Kleider und kehrten zur Hütte zurück, wo sich Morgan sogleich anschickte, das Abendessen zuzubereiten. Er kochte einen wunderbaren Eintopf aus Fleisch, Karotten, Kartoffeln und Zwiebeln und stellte ihn mit warmem Brot und kaltem Bier auf den Tisch vor dem Haus. Sie saßen auf einer Bank unter den Kiefern und aßen und tranken, bis fast alles verzehrt war. Die hereinbrechende Nacht brachte endlich eine kühle Brise aus den Bergen. Zum Nachtisch hatten sie Birnen und Käse, und während sie zufrieden mit sich und der Welt aßen, verfärbte sich der Himmel zuerst rot, dann lila, bis es schließlich dunkel wurde und Sterne am Himmel aufzogen.

»Ich liebe das Hochland«, sagte Morgan, nachdem sie lange schweigend auf den Steinstufen der Hütte nebeneinandergesessen hatten. »Ich glaube, ich könnte die Stadt genauso lieben lernen, aber nicht, solange die Föderation dort herrscht. Manchmal denke ich darüber nach, wie es wohl gewesen wäre, in der alten Welt zu leben, damals, als sie noch uns gehört hat. Das ist natürlich schon lange her – sechs Generationen. Heute weiß niemand mehr, wie es damals war. Mein Vater weigert sich, überhaupt darüber zu sprechen. Aber hier, dieses Land, das gehört noch immer uns. Die Föderation hat es noch nicht geschafft, es uns wegzunehmen. Es ist einfach zu groß. Vielleicht hänge ich deshalb so an diesem Land – weil es das einzige ist, was meiner Familie geblieben ist.«

»Außer dem Schwert«, erinnerte ihn Par.

»Trägst du dieses schäbige alte Ding immer noch mit dir herum?« fragte Coll. »Ich würde mir wünschen, daß du es eines Tages durch ein neues und besseres ersetzest.«

Morgan warf ihm einen Blick zu. »Erinnert ihr euch an die Geschichten, in denen es heißt, daß das Schwert von Leah einst Zauberkräfte besaß?«

»Allanon selbst soll ihm die Zauberkräfte verliehen haben«, bestätigte Par.

»Ja, zu Rone Leahs Zeit.« Morgan runzelte die Stirn. »Manchmal glaube ich, daß es immer noch Zauberkräfte besitzt. Natürlich nicht so wie damals, als es selbst den Mordgeistern widerstehen konnte, aber auf andere Weise. Die Scheide ist in all den Jahren mindestens ein halbes dutzendmal ersetzt worden, der Griff wenigstens ein- oder zweimal, und auch jetzt wär’s schon wieder nötig. Aber die Klinge – ja, die Klinge! Sie ist immer noch so scharf und zuverlässig wie eh und je, es ist fast so, als könne ihr das Alter nichts anhaben. Ist das nicht auch Zauberkraft?«

Die Brüder nickten ernst. »Mitunter verändert sich die Zauberkraft«, sagte Par. »Sie wächst und entwickelt sich. Vielleicht ist das auch mit dem Schwert von Leah passiert.« Als er das sagte, dachte er an den alten Mann und fragte sich, ob dieser wohl recht gehabt hatte mit seiner Behauptung, daß er nichts von Magie verstehe.

»Wißt ihr, die Wahrheit ist, daß keiner das Schwert haben will.« Morgan seufzte. »Es scheint, als ob niemand etwas aus der alten Zeit haben möchte. Ich glaube, die Erinnerung ist zu schmerzlich. Mein Vater hat kein einziges Wort gesagt, als ich das Schwert haben wollte. Er hat es mir einfach gegeben.«

Coll gab dem anderen einen freundschaftlichen Schubs. »Ich glaube, dein Vater sollte etwas vorsichtiger damit sein, wem er seine Waffen gibt.«

Morgan machte ein gekränktes Gesicht. »Wurde etwa ich gebeten, mich der Bewegung anzuschließen?« fragte er. Sie lachten. »Aber Spaß beiseite. Du hast erzählt, daß der Fremde dir einen Ring gegeben hat. Hast du was dagegen, wenn ich ihn mir anschaue?«

Par holte den Ring mit dem Falkenzeichen aus seiner Tasche und reichte ihn Morgan.

Morgan nahm ihn und betrachtete ihn von allen Seiten, zuckte dann die Achseln und reichte ihn zurück. »Er kommt mir nicht bekannt vor. Aber das hat nicht unbedingt etwas zu bedeuten. Ich habe gehört, daß es in der Bewegung Banden von Geächteten gibt, die, um die Föderation hinters Licht zu führen, ihre Erkennungszeichen regelmäßig ändern.« Er nahm einen großen Schluck aus seinem Bierglas und lehnte sich wieder zurück. »Manchmal glaube ich, ich sollte nach Norden gehen und mich ihnen anschließen – und aufhören, hier Spielchen zu spielen mit diesen Narren, die mein Land regieren und dabei nicht einmal die Geschichte kennen.« Traurig schüttelte er den Kopf und sah einen Augenblick sehr alt aus. »Aber jetzt zu euch. Ihr könnt nicht zurückgehen, solange ihr nicht wißt, ob es wirklich ungefährlich ist. Ich schlage deshalb vor, daß ihr hier wartet und mich vorausgehen laßt. Ich werde feststellen, ob die Föderation nicht bereits dort ist. Ist das ein faires Angebot?«

»Mehr als fair«, sagte Par sogleich. »Danke, Morgan.

Aber du mußt versprechen, vorsichtig zu sein.«

»Vorsichtig? Wegen dieser Narren? Ha!« Der Hochländer grinste von einem Ohr zum anderen. »Ich könnte ihnen gegenübertreten und gleichzeitig in alle Gesichter spuken, und sie würden trotzdem noch Tage brauchen, um dahinterzukommen! Vor denen muß ich mich nicht fürchten!«

Par lachte nicht. »Vielleicht nicht in Leah. Aber möglicherweise sind die Sucher schon in Shady Vale.«

Morgan machte jetzt ein ernstes Gesicht. »Da magst du recht haben. Ich werde vorsichtig sein.«

Alle drei erhoben sich. Coll fragte: »Was hast du denn nun eigentlich mit der Frau des Gouverneurs gemacht?«

Morgan hob die Schultern. »Ach das? Irgend jemand hat mir erzählt, daß sie die Hochlandluft nicht mag, daß ihr davon übel wird. Ich habe ihr ein Parfüm geschickt, um ihre Nase zu erfreuen. Es befand sich in einem kleinen wunderschönen Glasfläschchen. Ich wollte sie überraschen und habe dafür gesorgt, daß es in ihr Bett gelegt wurde. Bedauerlicherweise ist es zerbrochen, als sie sich daraufgelegt hat.« Er zwinkerte. »Ich bin untröstlich, aber ich habe das Parfüm irgendwie mit Skunköl verwechselt.«

Die drei sahen einander in der Dunkelheit an und grins-ten wie Honigkuchenpferde.

In dieser Nacht schliefen die Brüder Ohmsford in der Behaglichkeit und Wärme richtiger Betten tief und fest. Sie hätten mühelos bis Mittag schlafen können, aber Morgan weckte sie bei Tagesanbruch, als er sich auf den Weg nach Shady Vale machte. Bevor er ging, zeigte er ihnen das Schwert von Leah; der Griff und die Scheide waren arg mitgenommen, aber die Klinge blitzte und sah so neu aus, wie der Hochländer es beschrieben hatte. Er lächelte voller Zufriedenheit, als er den Ausdruck ihrer Gesichter bemerkte. Er hängte sich die Waffe um die Schulter, steckte ein langes Messer in einen seiner Stiefel, ein Jagdmesser an seinen Gürtel und warf sich einen Bogen aus Eschenholz über den Rücken. Er zwinkerte ihnen zu. »Es kann nicht schaden, ein paar Vorkehrungen zu treffen.«