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Par kniff den Mund zusammen. Das ausdruckslose Gesicht seines Bruders war zum Verrücktwerden. »Ich kenne den Unterschied, Coll!« schnauzte er.

Coll schüttelte den Kopf. »Nein, das tust du nicht. Für dich ist alles eins. Stofftiere oder echte, für dich gibt es keinen Unterschied. Wichtig ist allein, wie du es siehst.«

»Das ist nicht wahr!«

»Nein? Dann erklär mir Folgendes. Was geschieht morgen, wenn du dich irrst? Was ist, wenn das Schwert von Shannara sich gar nicht dort befindet? Was ist, wenn die Schattenwesen schon auf uns warten? Was ist, wenn das Wunschlied nicht so funktioniert, wie du es dir vorstellst? Was geschieht, wenn die Stofftiere sich als echte Tiere entpuppen? Was gedenkst du dann zu tun? Das ist ein weiterer Grund, warum ich mitgehe.«

»Wenn sich herausstellen sollte, daß ich unrecht hatte, was macht es dann für einen Unterschied, ob du mitgehst oder nicht?« schrie Par zornig.

Coll antwortete nicht sofort. Dann wandte er seinen Blick Par zu. Ein ironisches Lächeln umspielte seinen Mund. »Kannst du dir das nicht denken?«

Par biß sich ärgerlich auf die Lippen. Er fühlte sich plötzlich klein und ängstlich; er wußte, daß sein Bruder recht hatte, daß er sich wie ein Narr benahm, daß er, indem er darauf beharrte, in die Schlucht zurückzukehren, das Leben aller in Gefahr brachte. Aber er mußte gehen. Coll hatte auch in diesem Punkt recht; die Entscheidung war nun einmal gefällt, und er würde sie nicht ändern.

Dann sagte Coll ruhig: »Ich mag dich, Par. Und ich würde sagen, daß ich, wenn man es genau nimmt, deshalb mitgehe.«

Ein Gefühl der Wärme durchströmte Par. Als er ansetzte, um zu sprechen, versagte seine Stimme. Mit einem Seufzer atmete er aus. »Ich brauche dich an meiner Seite, Coll«, brachte er schließlich heraus. »Wirklich.«

Coll nickte.

Keiner von beiden sprach danach.

28

Nach seiner Begegnung mit dem Finsterweiher kehrte Walker Boh zum Kamin zurück, wo er den größten Teil der Woche nichts anderes tat, als über das, was er vernommen hatte, nachzudenken. Es war schönes Wetter draußen, die Tage waren warm und sonnig, die Luft erfüllt mit den Düften der Bäume, Blumen und Bäche. Im Tal fühlte er sich beschützt; er war es zufrieden, sich hier aufzuhalten. Ondits Gesellschaft reichte ihm völlig aus. Die große Moorkatze trottete während der langen Spaziergänge, die er zum Zeitvertreib unternahm, hinter ihm her, auf einsamen Pfaden, entlang den moosbewachsenen Flußufern, zwischen uralten Baumriesen. Bei Nacht saßen die beiden auf der Veranda der Hütte; die Katze döste vor sich hin, der Mann starrte zum gestirnten Himmel empor.

Er war in Gedanken versunken. Die Erinnerung an die Worte des Finsterweihers verfolgten ihn selbst am Kamin, in seinem Heim, wo nichts ihn hätte bedrohen sollen. Die Worte trieben unangenehme Spiele mit ihm, zwangen ihn, sich mit ihnen zu beschäftigen und zu ergründen, wieviel von dem, was sie ihm zuflüsterten, der Wahrheit entsprach und wieviel Lüge war. Er hatte gewußt, daß es so kommen würde, noch bevor er sich auf den Weg zum Finsterweiher gemacht hatte – daß die Worte unbestimmt und beunruhigend sein, daß sie in Rätseln und Halbwahrheiten sprechen würden. Er hatte es gewußt und war trotzdem nicht auf die damit verbundene Anstrengung vorbereitet.

Es gelang ihm, die Stelle, an der sich der schwarze El- fenstein befand, fast unverzüglich zu bestimmen. Es gab nur einen Ort, an dem Augen einen Mann zu Stein werden ließen und ihn durch Stimmen um den Verstand bringen konnten, einen Ort, an dem die Toten in vollkommener Dunkelheit bestattet waren – die Halle der Könige, tief in den Drachenzähnen. Es hieß, daß die Halle der Könige noch vor der Zeit der Druiden erbaut worden war, ein riesiges und unzugängliches Höhlenlabyrinth, in dem die Herrscher der Vier Länder ruhten; sie ruhten in einer gewaltigen Kammer, zu der die Lebenden keinen Zugang hatten, beschützt von der Dunkelheit und Statuen, genannt Sphinxe, halb Mensch, halb Tier, die die Fähigkeit besaßen, einen Lebenden in Stein zu verwandeln, und ferner bewohnt von unsichtbaren Wesen, Banshies genannt, die einen Teil der Höhlen, nämlich den Gang der Winde, bewohnten und deren Wehklagen jeden Sterblichen zum Wahnsinn treiben konnte.

Das Grabmal selbst, wo in dem mit Runen verzierten Behälter der schwarze Elfenstein aufbewahrt wurde, wurde von einem Drachen namens Valg bewacht, zumindest dann, wenn der Drache noch am Leben war. Irgendwann hatte ein grausamer Kampf stattgefunden zwischen dem Drachen und der unter Allanons Führung dort versammelten kleinen Gruppe, die zu Zeiten Shea Ohmsfords die Höhlen auf der Suche nach dem Schwert von Shannara betreten hatte.

Die Schwierigkeit lag jedoch nicht darin, den geheimnisvollen Aufenthaltsort des Elfensteins zu finden, sondern sich zu entscheiden, ob man ihn überhaupt aufsuchen wollte. Die Halle der Könige war ein äußerst gefährlicher Ort, selbst für jemand wie Walker Boh, der weniger befürchten mußte als ein normaler Mensch. Die Magie, selbst die Magie eines Druiden, bot möglicherweise nicht genügend Schutz – und Walker Bohs Magie war weitaus schwächer, als Allanons Magie es jemals gewesen war. Walker Boh machte sich jedoch genauso viele Sorgen über das, was der Finsterweiher nicht ausgesprochen hatte. Sicherlich steckte mehr dahinter, als er enthüllt hatte; er gab niemals alle seine Geheimnisse preis. Irgend etwas hatte er verschwiegen, und dabei handelte es sich wahrscheinlich um etwas, das Walker Boh töten konnte.

Außerdem war da noch die Sache mit den Visionen. Es waren drei Visionen gewesen, von denen eine beunruhigender war als die andere. Die erste hatte Walker Boh gezeigt, wie er über den anderen der kleinen Gruppe, die zum Hadeshorn und dem Geist von Allanon gekommen waren, mit abgehackter Hand auf Wolken schwebte. Die Vision hatte seine Behauptung verhöhnt, derzufolge er eher eine Hand verlieren wollte, als den Druiden zu gestatten zurückzukehren. Die zweite hatte ihn gezeigt, wie er eine Frau mit silbernem Haar zu Tode gebracht hatte, eine Gestalt von außerordentlicher Schönheit. Die dritte hatte ihm vor Augen geführt, wie Allanon ihn festhielt, während der Tod seine Hand nach ihm ausstreckte.

Jede dieser Visionen enthielt eine Spur von Wahrheit, das wußte Walker Boh – die Wahrheit, daß er sich vorsehen mußte und sie nicht einfach als Spott und Hohn des Finsterweihers abtun konnte. Die Visionen enthielten eine Bedeutung; der Finsterweiher hatte es ihm überlassen, diese Bedeutung zu ergründen.

Walker Boh ging also mit sich zu Rate. Aber die Tage vergingen, ohne daß die Antworten, die er brauchte, sich einstellten. Das einzig Sichere war der Aufenthaltsort des schwarzen Elfensteins. Die Anziehungskraft, die er auf den Dunklen Onkel ausübte, wurde stärker und stärker, wurde zu einem Köder, dem er sich nicht entziehen konnte.

Trotz seines Vorsatzes zu warten, bis er die Rätsel des Finsterweihers gelöst hatte, übermannte ihn schließlich das Verlangen, den vermißten Elfenstein zurückzugewinnen. In Gedanken hatte er sich das Gespräch so oft wiederholt, bis er darüber ganz krank war. Er gelangte zu der Überzeugung, daß er alles davon begriffen hatte, was er jemals begreifen würde. Er hatte keine andere Wahl, als sich auf die Suche nach dem schwarzen Elfenstein zu begeben und auf diese Weise zu entdecken, was er auf keine andere Weise entdecken konnte. Es würde gefährlich werden, aber er hatte schon gefährlichere Situationen überlebt. Er nahm sich vor, keine Angst zu haben, sondern nur vorsichtig zu sein.