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Das Gehölz hörte auf, so daß wir unsere Renner wieder in Galopp versetzen konnten. Die flatternden Trümmer der Nacht setzten hinter uns her, waren aber, obwohl die kleinere Gestalt sie schneller wirken ließ, langsamer als das größere einzelne.

»Wir müssen ein Feuer finden«, übertönte Jonas das Hufgetrappel. »Oder ein großes Tier, das wir schlachten können. Wenn du einem der Rosse den Bauch aufschlitztest, würde das reichen. Wenn nicht, hätten wir keine Fluchtmöglichkeit mehr.«

Mit einem Nicken gab ich zu verstehen, daß ich das Schlachten eines Rosses ablehnte, obwohl mir der Gedanke durch den Kopf fuhr, daß mein Rappe wohl bald vor Erschöpfung zusammenbrechen mochte. Jonas mußte seinen Schimmel zügeln, damit ich Schritt halten konnte. »Wollen sie Blut?« fragte ich.

»Nein. Wärme.«

Jonas stellte seinen Renner nach rechts und schlug ihm mit der Stahlhand auf die Flanke; und das wohl nicht zimperlich, denn das Tier sprang an wie gestochen. Wir übersprangen einen trockenen Wasserlauf, torkelten einen staubigen Hang hinunter und gelangten in freies Gelände, wo die Renner ihre Schnelligkeit unter Beweis stellen konnten.

Hinter uns flatterten die rußschwarzen Fetzen. Sie schwirrten in doppelter Baumhöhe und schienen vom Wind vorangetrieben zu werden, obschon das sich neigende Gras anzeigte, daß sie gegen ihn anflogen.

Vor uns änderte sich das Gelände so sachte und dennoch so abrupt wie ein Tuch an seinem Saum. Ein gewundenes grünes Band lag wie ausgerollt zu unseren Füßen, und ich lenkte den Rappen darauf, während ich ihn mit Zurufen anfeuerte und mit der flachen Klinge anstachelte. Er war nun über und über mit Schweiß und blutigen Streifen von den gebrochenen Zedernästen bedeckt. Hinter uns vernahm ich Jonas Warnschreie, denen ich aber keine Beachtung schenkte.

Wir ritten um die Kurve, und durch eine Waldschneise bemerkte ich den glänzenden Fluß. Nach einer weiteren Kurve erlahmte der Rappe allmählich wieder – doch nun sah ich weit entfernt endlich, worauf ich gewartet hatte. Vielleicht sollte ich es nicht erwähnen, aber ich habe daraufhin mein Schwert zum Himmel erhoben, zur ausgezehrten Sonne mit dem Wurm im Herzen, und gerufen: »Sein Leben für das meine, Neue Sonne, bei deinem Zorn und meiner Hoffnung!«

Der Ulan (es war nur ein einziger) mußte gewiß denken, ich wolle ihn angreifen, was ich ja auch tat. Der blaue Schimmer an seiner Lanzenspitze wurde stärker, als er auf uns zustürmte.

So erschöpft er auch war, der Rappe schlug Haken wie ein verfolgter Hase. Ein Ruck an den Zügeln, und er wirbelte herum, wobei seine Hufe in die frische Grasnarbe der Straße tiefe Furchen rissen. Binnen eines Atemzugs hatten wir kehrt gemacht und rasten den Wesen entgegen, die uns nachsetzten. Ob Jonas meinen Plan verstanden hat, weiß ich nicht, jedenfalls hat er’s mir gleichgetan, als hätte er ihn durchschaut, ohne sein Tempo zu verringern.

Eines der fliegenden Geschöpfe stieß nieder, wobei es aller Welt wie ein ins Universum gerissenes Loch vorkommen mußte, denn es war wahrlich rußschwarz, lichtlos wie meine eigene Tracht. Es hatte wohl Jonas anvisiert, aber als es in Reichweite war, hieb ich es wiederum mit einem Schwertstreich entzwei, woraufhin sich über mich abermals Hitze ergoß. Da ich ihre Quelle kannte, dünkte sie mich übler als der schlimmste Gestank; die bloße Empfindung auf der Haut kehrte mir den Magen um. Ich ritt eine scharfe Wendung vom Fluß fort, da ich in jedem Augenblick mit einem Schuß von der Ulanenlanze rechnete. Kaum waren wir von der Straße gesprungen, fauchte er auch schon zwischen uns, versengte den Boden und setzte einen dürren Baum in Brand.

Ich zog den Kopf meines Rappen hoch, so daß er zurückwich und auf die Hinterhand stieg. Ich suchte in der Nähe des Baumes kurz nach den drei dunklen Wesen. Sie waren nicht dort. Ich blickte schnell zu Jonas, um mich zu vergewissern, daß sie nicht doch auf irgendeine mir unverständliche Art über ihn hergefallen waren.

Dort waren sie auch nicht, aber seine Augen verrieten mir, wo sie geblieben waren: sie umschwirrten den Ulanen, der sich, wie zu beobachten war, mit seiner flammenden Lanze zur Wehr setzte. Schuß um Schuß zerriß die Luft, so daß es in einem fort krachte wie bei einem Gewitter. Mit jedem Schuß verblaßte die helle Sonne, aber genau die Energien, mit denen er sie zu vernichten suchte, gaben ihnen anscheinend Kraft. In meinen Augen flogen sie nicht mehr, sondern flackerten wie schwarzes Licht bald hier, bald dort, immer dichter beim Ulanen, bis alle drei in kürzerer Zeit, als das Niederschreiben dauert, auf seinem Gesicht klebten. Er taumelte stöhnend aus dem Sattel, und seiner Hand entglitt die Lanze, die dabei erlosch.

XIII

Die Klaue des Schlichters

Ich rief: »Ist er tot?« und sah Jonas bestätigend nicken. Ich wollte nun davonreiten, aber er bedeutete mir, zu ihm zu kommen, und stieg ab. Als wir vor dem toten Ulanen standen, sagte er: »Vielleicht können wir diese Dinger zerstören, damit sie nicht wieder auf uns gehetzt werden oder jemand anderem gefährlich werden können. Sie sind nun gesättigt, und wir können sie, glaube ich, anfassen. Wir brauchen etwas zum Reintun – etwas Wasserdichtes aus Metall oder Glas.«

Ich hatte nichts dergleichen und sagte ihm das.

»Ich auch nicht.« Er kniete sich neben den Ulanen nieder und stülpte dessen Taschen nach außen. Aromatischer Qualm vom brennenden Baum verbreitete sich wie Weihrauch, und ich hatte das Gefühl, wieder in der Kathedrale der Pelerinen zu sein. Die Decke aus Zweigen und Laub des letzten Sommers, worauf der Ulan lag, hätte der strohbestreute Boden sein können; die Stämme der struppigen Bäume die tragenden Pfeiler.

»Hier«, verkündete Jonas und hob eine Blechbüchse auf. Sobald er den Deckel aufgeschraubt hatte, schüttete er die darin enthaltenen Kräuter aus und rollte dann den toten Ulanen auf den Rücken.

»Wo sind sie?« fragte ich. »Sind sie in den Leib eingedrungen?«

Jonas schüttelte den Kopf und machte sich behutsam daran, aus dem linken Nasenloch des Ulanen sehr sachte eines der dunklen Wesen zu ziehen. Bis auf seine Undurchsichtigkeit ähnelte es feinstem Seidenpapier.

Ich wunderte mich über seine Sorgsamkeit. »Wenn du es zerreißt, werden dann nicht einfach zwei daraus?«

»Ja, aber es ist nun gesättigt. Würde es zertrennt, verlöre es Energie, und wäre nicht mehr handhabbar. Übrigens sind viele Menschen umgekommen, die diese Kreaturen zerstückelt und ihnen haben standhalten wollen, bis sie von so vielen umzingelt gewesen sind, daß sie sie nicht mehr haben abwehren können.«

Eines der Augen des Ulanen war halb offen. Ich hatte schon oft Leichen gesehen, aber ich konnte das eklige Gefühl nicht loswerden, daß er mich beobachtete – den Mann, der ihn in den Tod gehetzt hatte, um die eigene Haut zu retten. Um auf andere Gedanken zu kommen, sagte ich: »Nachdem ich das erste zerteilt hatte, schien es langsamer zu fliegen.«

Jonas hatte das entsetzliche Ding, das er herausgezogen hatte, in die Büchse gleiten lassen und holte ein zweites aus dem rechten Nasenloch heraus; er murmelte: »Die Geschwindigkeit eines jeden fliegenden Gegenstandes ist abhängig von seiner Flügelfläche. Wenn das nicht der Fall wäre, würden die Adepten, die sich dieser Kreaturen bedienen, sie vor der Aussendung wohl in Stücke reißen.« »Das hört sich an, als hättest du schon einmal damit Bekanntschaft gemacht.«

»Wir haben einmal in einem Hafen angelegt, wo man sie für rituelle Morde verwendet hat. Ist wohl unvermeidlich gewesen, daß jemand sie mit heimgebracht hat, obwohl das die ersten sind, die ich hier zu Gesicht bekomme.« Er öffnete den Büchsendeckel und legte das zweite rußschwarze Ding aufs erste, das sich schwerfällig bewegte. »Da drin vereinigen sie sich wieder – so verfahren auch die Adepten, um sie wieder ganz zu bekommen. Es wird dir zwar nicht aufgefallen sein, aber die Jagd durch den Wald hat sie ein bißchen zerfleddert, und sie sind während des Fluges wieder heil geworden.«