GABRIEL: Allwissender! Schütze deinen Diener!
NOD: Dienst du ihm? So auch wir Himmlischen. Ich werd’ dir nichts zuleide tun, es sei denn, er gibt mir das zu verstehen.
GABRIEL: DU bist aus seinem Hause? Wie setzt er sich mit dir in Verbindung?
NOD: Offengestanden gar nicht. Ich muß raten, was er von mir verlangt.
GABRIEL: Das hatte ich befürchtet.
NOD: Hast du Meschias Sohn gesehn?
GABRIEL: Ob ich ihn gesehn hab’? Nun, du Dummkopf, er ist noch gar nicht geboren. Was willst du mit ihm?
NOD: Er soll kommen, um mit mir in meinem Land östlich dieses Gartens zu wohnen. Er soll eine meiner Töchter zum Weib haben.
GABRIEL: DU irrst in der Schöpfung, mein Freund – du bist fünfzig Millionen Jahre zu spät.
NOD (nickt langsam, ohne zu verstehen): Falls du ihn sehen solltest …
MESCHIA und MESCHIANE treten auf, gefolgt von JAHI. Alle sind nackt, aber JAHI trägt Juwelen.
MESCHIA: Was für ein hübscher Ort! Entzückend! Blumen, Springbrunnen und Statuen – ist das nicht wunderbar?
MESCHIANE (zaghaft): Ich sah einen zahmen Tiger mit Fängen, länger als meine Hand. Wie sollen wir ihn nennen?
MESCHIA: Wie er will. (Zu GABRIEL.) Wem gehört dieses hübsche Fleckchen?
GABRIEL: Dem Autarchen.
MESCHIA: Und er gestattet uns, hier zu leben. Das ist sehr gnädig von ihm.
GABRIEL: Nicht ganz. Es folgt dir etwas, mein Freund. Weißt du was? MESCHIA (ohne sich umzusehen): Auch hinter dir steht etwas.
GABRIEL (das Clarino, Zeichen seines Amtes, schwingend): Ja, Er steht hinter mir!
MESCHIA: Und dicht obendrein. Wenn du mit diesem Horn um Hilfe blasen willst, tu’s lieber gleich!
GABRIEL: Was bist du aufmerksam. Aber nein, die Zeit ist noch nicht reif.
Das goldene Licht geht aus, und GABRIEL verschwindet. NOD verharrt regungslos, auf seine Keule gestützt.
MESCHIANE: Ich mache Feuer, und du solltest besser mit dem Hausbau beginnen. Es muß hier oft regnen – sieh nur, wie grün das Gras ist.
MESCHIA (NOD betrachtend): Ach, ist nur ’ne Statue. Kein Wunder, daß er vor uns nicht Angst bekommen hat.
MESCHIANE: Sie könnte zum Leben erwachen. Mir ist einst zu Ohren gekommen, daß Söhne aus Stein gezeugt worden sind.
MESCHIA: Einst! Du bist doch erst geboren worden. Gestern, glaube ich.
MESCHIANE: Gestern! Ich kann mich nicht erinnern … Ich bin noch so ein Kind, Meschia. Ich kann mich an nichts erinnern, bis ich ins Licht hinausgetreten bin und dich mit einem Sonnenstrahl habe sprechen sehen.
MESCHIA: Das war kein Sonnenstrahl! Es war … Um ehrlich zu sein, ich habe mir noch keinen Namen dafür überlegt.
MESCHIANE: Dann hab’ ich mich in dich verliebt.
Der AUTARCH tritt auf.
AUTARCH: Wer seid ihr?
MESCHIA: Wer seid Ihr denn?
AUTARCH: Der Besitzer dieses Gartens.
MESCHIA verneigt sich, und MESCHIANE beugt ein Knie, obschon sie kein Gewand zum Halten hat.
MESCHIA: Wir sprachen soeben mit einem Eurer Diener. Übrigens sah er Eurer erlauchten Person verblüffend ähnlich. Außer, daß er … ah …
AUTARCH: Jünger war?
MESCHIA: Zumindest jünger wirkte.
AUTARCH: Nun, das ist wohl unvermeidlich. Nicht daß ich es jetzt rechtfertigen möchte. Aber ich bin jung gewesen, und gleichwohl es besser wäre, sich auf Frauen von ebenbürtigem Stande zu beschränken, gibt es Zeiten – wie du verstehen würdest, junger Mann, wärst du je in meiner Position gewesen – wenn eine kleine Maid oder ländliche Magd, die sich mit einer Handvoll Silber oder einem Ballen Samt freien läßt und nicht im ungelegensten Augenblick den Tod eines Rivalen oder eine Gesandtschaft für ihren Gemahl fordert … Nun, wenn so ein kleines Persönchen zu einer höchst verlockenden Sache wird.
Während der AUTARCH sprach, war JAHI hinter MESCHIA geschlichen. Nun legt sie ihm die Hand auf die Schulter.
JAHI: Nun siehst du, daß er, den du für deinen Gott gehalten, alles anrät und billigt, was ich dir verlockend angetragen. Ehe die Neue Sonne aufgeht, wollen wir einen neuen Anfang machen.
AUTARCH: Was für ein hübsches Geschöpf wir hier haben. Wie kommt’s, Kind, daß ich in deinen Augen die hellsten Kerzenflammen sich spiegeln sehe, während deine Schwester dort noch auf kalten Zunder pustet?
JAHI: Sie ist keine Schwester von mir!
AUTARCH: Dann deine Gegenspielerin. Komm mit mir! Ich will diesen beiden gestatten, hier ihr Lager aufzuschlagen, und du sollst heut’ abend ein prächtiges Gewand tragen und deinen Mund in Wein baden, und deine grazile Figur wird vielleicht ein bißchen leiden müssen ob der mit Mandeln und kandierten Feigen gefüllten Lerchen.
JAHI: Verschwinde, alter Mann!
AUTARCH: Was? Weißt du, wer ich bin?
JAHI: Ich allein weiß es hier. Du bist ein Gespenst und weniger, eine Säule aus Asche, vom Wind gestützt.
AUTARCH: Aha, sie ist verrückt. Was will sie von dir, Freund?
MESCHIA (erleichtert): Ihr zürnt ihr nicht? Wie gnädig von Euch.
AUTARCH: Ganz und gar nicht! Ach, eine verrückte Dame wäre ein höchst interessantes Erlebnis – würde mich reizen. Glaube mir, und es reizt einen wenig, wenn man so viel gesehen und erlebt hat wie ich. Sie beißt doch nicht etwa? Ich meine, fest?
MESCHIANE: O ja, und in ihren Fängen rinnt Gift.
JAHI macht einen Satz nach vorne, um sie zu kratzen. MESCHIANE verschwindet fluchtartig, von JAHI verfolgt.
AUTARCH: Ich lasse meine Pikeniere den Garten nach ihnen absuchen.
MESCHIA: Keine Sorge, sie sind bald zurück. Ihr werdet sehen. Ich bin eigentlich froh, bis dahin einen Moment mit Euch allein zu sein. Ich habe ein paar Fragen, die ich Euch stellen wollte.
AUTARCH: Nach sechs gewähre ich keine Gunst – das ist eine Regel, die ich aufstellen mußte, um nicht den Verstand zu verlieren. Das verstehst du doch?
MESCHIA (etwas erstaunt): Gut, das zu wissen. Aber ich wollte wirklich nichts erbitten. Nur eine Auskunft, göttliche Weisheit möcht’ ich hören.
AUTARCH: Wenn dem so ist, beginn! Aber laß dir gesagt sein, daß du einen Preis zu zahlen hast. Dieser wahnsinnige Engel sei heut’ nacht mein.
MESCHIA sinkt auf die Knie.
MESCHIA: Da ist etwas, das ich nie verstanden habe. Warum muß ich zu Euch sprechen, wenn Ihr jeden meiner Gedanken kennt? Meine erste Frage wäre: Obwohl ich weiß, daß sie zu jenem Gezücht gehört, das Ihr verstoßen, soll ich nicht dennoch tun, was sie mir anträgt? Denn sie weiß um mein Wissen und im Grunde meines Herzens glaube ich, daß sie sich mit rechtem Handeln hervortut in der Meinung, ich würde es verschmähen, weil es von ihr kommt.
AUTARCH (abgewandt): Er ist auch verrückt und hält mich wegen meiner gelben Robe für einen Gott. (Zu MESCHIA:) Ein kleiner Ehebruch tut keinem Manne weh. Sofern’s natürlich nicht der seines Weibes ist.
MESCHIA: Dann täte der meine ihr weh? Ich …
Die CONTESSA und ihre ZOFE treten auf.
CONTESSA: O Herr. Was macht Ihr hier?
MESCHIA: Ich bete, Tochter. Zieh wenigstens die Schuhe aus, denn das ist heiliger Boden!
CONTESSA: Wer ist dieser Narr, Herr?