VERTRAUTER: Das würd’ ich nicht sein wollen.
CONTESSA: Nein, ich bin weder kühn noch sicher hier, wie ich weiß. Es ist die Furcht, die mich in diese grimmigen Kammern treibt. Man hat Euch von dem nackten Mann berichtet, der mich geschlagen. Ist er ergriffen?
INQUISITOR: Er wurde nicht zu mir gebracht.
CONTESSA: Vor kaum einer Woche fanden mich ein paar Soldaten klagend im Garten, wo meine Zofe mich zu beruhigen versuchte. Weil ich Angst hatte, im Dunkeln draußen zu sein, trugen sie mich in meine Gemächer, und zwar durch jene Galerie, die man Luftstraße nennt. Wißt Ihr, was ich meine?
INQUISITOR: Ganz genau.
CONTESSA: Dann wißt Ihr gleichfalls, daß sich darüber überall Fenster befinden, damit die anstoßenden Gemächer und Korridore Licht haben. Beim Vorübergehen sah ich in einem die Gestalt eines Mannes, groß und wohlgestaltet, breitschultrig und schmalhüftig.
INQUISITOR: Solche Männer gibt es viele.
CONTESSA: SO dacht’ ich auch. Aber kurz darauf erschien dieselbe Gestalt in einem anderen Fenster – und noch einem anderen. Darauf bat ich die Soldaten, die mich trugen, darauf zu feuern. Sie hielten mich für verrückt und weigerten sich, aber die Gruppe, die sie schickten, diesen Mann zu ergreifen, kehrte mit leeren Händen zurück. Noch immer blickte er aus den Fenstern auf mich herab und schien sich hin und her zu wiegen.
INQUISITOR: Und Ihr glaubt, dieser Mann sei derselbe, der Euch geschlagen habe?
CONTESSA: Schlimmer noch. Ich fürchte, er war’s nicht, obschon er ihm glich. Außerdem war’ er, wette ich, nett zu mir, behandelte ich seinen Wahn nur mit Respekt. O nein, in dieser seltsamen Nacht, in der wir uns, die im Frost erfrorenen Stiele der alten Menschensprosse, mit dem Samen des neuen Jahres vermengt wiederfinden, fürchte ich, daß er mehr ist, als wir ahnen.
INQUISITOR: Das mag sein, aber Ihr findet ihn hier ebenso wenig wie den Mann, der Euch geschlagen. (Zum VERTRAUTEN.) Bring das Hexenweib, Bruder!
VERTRAUTER: SO sind sie alle – obschon manche schlimmer sind als andre.
Er geht ab und kehrt wieder, MESCHIANE an einer Kette hereinführend.
INQUISITOR: ES wird gegen dich vorgebracht, sieben Soldaten unseres Herrn des Autarchen so verzaubert zu haben, daß sie eidbrüchig geworden sind und die Waffen gegen ihre Kameraden und Offiziere erhoben haben. (Er steht auf und entzündet eine große Kerze auf einer Seite seines Pultes.) Ich beschwöre dich nun inständig, diese Sünde zu gestehen und – falls du dieser schuldig – die Macht kundzutun, die dir dabei gedient, und die Namen derer, die dich gelehrt, diese Macht anzurufen.
MESCHIANE: Die Soldaten sahen nur, daß ich nichts Böses wollte und bangten um mich. Ich …
VERTRAUTER: Still!
INQUISITOR: Den Beteuerungen der Angeklagten wird kein Gewicht beigemessen, sofern sie nicht unter Druck geäußert werden. Mein Vertrauter wird dich vorbereiten.
Der VERTRAUTE ergreift MESCHIANE und schnallt sie auf eines der Geräte.
CONTESSA: Da der Welt so wenig Zeit verblieben, will ich sie nicht damit vergeuden, das mit anzusehn. Bist du ein Freund des nackten Mannes vom Garten? Ich will ihn suchen und ihm sagen, was aus dir geworden ist.
MESCHIANE: O ja! Ich hoffe, er kommt, ehe es zu spät ist.
CONTESSA: Und ich hoffe, er wird mich annehmen – an deiner Stelle.
Gewiß sind beide Hoffnungen gleich sinnlos, und wir werden bald Schwestern in Verzweiflung sein.
Die CONTESSA geht ab.
INQUISITOR: Ich gehe auch, um mit ihren Rettern zu sprechen. Bereite die Angeklagte, denn ich kehre bald wieder.
VERTRAUTER: ES ist noch eine zweite da, Inquisitor. Mit ähnlichen Verbrechen, wenn auch wohl nicht ganz so mächtig.
INQUISITOR: Warum hast du nichts gesagt? Ich hätte den beiden meine Anweisung gemeinsam erteilen können. Bring sie rein!
Der VERTRAUTE geh t ab und führt JAHI herein. Der INQUISITOR kramt in den Papieren auf seinem Pult.
INQUISITOR: ES wird gegen dich vorgebracht, sieben Soldaten unseres Herrn des Autarchen so verzaubert zu haben, daß sie eidbrüchig geworden sind und die Waffen gegen ihre Kameraden und Offiziere erhoben haben. Ich beschwöre dich nun inständig, diese Sünde zu gestehen und – falls du dieser schuldig – die Macht kundzutun, die dir dabei gedient, und die Namen derer, die dich gelehrt, diese Macht anzurufen.
JAHI (stolz): Ich habe alles getan, dessen du mich anklagst, und mehr, als du weißt. Die Macht wage ich nicht zu benennen, damit dieses aufgepolsterte Rattenloch nicht in Stücke zerfetzt werde. Wer mich gelehrt? Wer lehrt ein Kind, seinen Vater anzurufen?
VERTRAUTER: Seine Mutter?
INQUISITOR: Ich will’s nicht wissen. Bereite sie. Ich komme bald wieder.
Der INQUISITOR geht ab.
MESCHIANE: Sie kämpften auch für dich? Wie schlimm, daß so viele sterben mußten!
VERTRAUTER (während er JAHI auf eine Vorrichtung an der anderen Seite des Pults fesselt): Er hatte wieder deine Papiere. Aber keine Sorge, ich weise ihn – diplomatisch – auf diesen Irrtum hin, wenn er zurückkehrt.
JAHI: DU hast die Soldaten bezaubert? Dann bezaubere diesen Narren und befreie uns!
MESCHIANE: Ich bin solcher Kräfte nicht mächtig, und ich habe nur sieben von fünfzig bezaubert.
Der gefesselte JAHI wird vom ERSTEN SOLDATEN mit einer Pike hereingetrieben. VERTRAUTER: Was ist das?
ERSTER SOLDAT: Nun, ein Gefangener, wie Ihr seinesgleichen noch nie gehabt habt. Er hat hundert Männer getötet, wie unsereins Welpen erschlüge. Hast du genügend große Schellen für ihn?
VERTRAUTER: Werd’ wohl ein paar zusammenhängen müssen, aber ich laß’ mir was einfallen.
NOD: Ich bin kein Mensch, sondern weniger und mehr – aus Lehm geboren von Mutter Gäa, deren Schoßhündchen die wilden Tiere sind. Wenn deine Herrschaft sich über Menschen erstreckt, dann mußt du mich gehen lassen.
JAHI: Wir sind auch keine. Laß uns frei!
ERSTER SOLDAT (lachend): Das sehen wir. Ich habe daran keinen Moment gezweifelt.
MESCHIANE: Sie ist keine Frau. Laß dich nicht täuschen von ihr.
VERTRAUTER (indem er die letzte Fessel von NOD zuschnappen läßt): Das wird ihr nicht gelingen. Glaubt mir, die Zeit der Faxen ist vorbei.
ERSTER SOLDAT: DU wirst viel Spaß haben, nicht wahr, wenn ich gegangen bin?
Er greift nach JAHI, die faucht wie eine Katze.
ERSTER SOLDAT: DU wärst wohl nicht so gut und würdest uns kurz den Rücken zukehren?
VERTRAUTER (der die Folter für MESCHIANE vorbereitet): Wäre ich so gut, würd’ ich mich recht bald auf dem eigenen Rad gebrochen sehen.
Aber wenn du wartest, bis mein Meister der Inquisitor wiederkehrt, kommst du vielleicht neben ihr zu liegen, wie du begehrst.
Der ERSTE SOLDAT zögert, erkennt dann, was gemeint ist und eilt fort.
NOD: Diese Frau wird die Mutter meines Schwiegersohns sein. Tu ihr nicht weh. (Er zerrt an seinen Ketten.)
JAHI (ein Gähnen unterdrückend): Ich bin schon die ganze Nacht auf den Beinen, und obwohl der Geist willig wie immer ist, ist dieses Fleisch bettreif. Kannst du dich bei ihr nicht beeilen und zu mir kommen?