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Der AUTARCH tritt auf. Seine Robe ist zerrissen und blutbesudelt.

AUTARCH: WO bin ich hier? (Er setzt sich auf den Boden, den Kopf in die Hände gestützt; seine Haltung erinnert an NOD).

VERTRAUTER: WO? Nun, in den Kammern der Barmherzigkeit, du Esel. Kann man hier reinkommen, ohne zu wissen, wo man ist?

AUTARCH: Ich wurde heut’ nacht so durch mein Haus gehetzt, daß ich überall sein könnt’. Bring mir etwas Wein –oder Wasser, wenn du hier keinen Wein hast – und verriegle die Tür.

VERTRAUTER: Wir haben nur Rotwein, und die Tür kann ich schlecht verriegeln, weil ich meinen Meister zurückerwarte.

AUTARCH (heftiger): Tu, was ich sage!

VERTRAUTER (sehr sachte): Du bist trunken, Freund. Verschwinde!

AUTARCH: Ich bin – was macht es schon? Das Ende ist gekommen. Ich bin ein Mann, weder besser noch schlechter als du.

NODS schwere Schritte sind von weitem zu hören.

VERTRAUTER: ’S ist ihm nicht gelungen – ich weiß es!

MESCHIANE: O doch! Mit leeren Händen würde er nicht so rasch wiederkommen. Noch ist die Welt zu retten!

AUTARCH: Was soll das heißen?

NOD tritt auf. Der Wahnsinn, um den er gebetet hat, ist über ihn gekommen, aber er zieht JAHI hinter sich her. Der VERTRAUTE läuft mit Schellen vor.

MESCHIANE: Man muß sie festhalten, oder sie wird wieder entwischen.

Der VERTRAUTE legt Ketten um NOD und läßt die Schlösser zuschnappen. Einen Arm von NOD fesselt er so über seinen Leib, daß er JAHI hält. Er packt sie fester.

VERTRAUTER: Er bringt sie um! Laß los, du Trottel!

Der VERTRAUTE schnappt sich die Stange, mit der er die Streckbank gedehnt hatte, und bearbeitet NOD damit. NOD brüllt, versucht ihn zu erwischen und läßt die bewußtlose JAHI ZU Boden gleiten. Der VERTRAUTE zieht sie am Fuß dorthin, wo der AuTARCH sitzt.

VERTRAUTER: Hier, du kommst mir gerade recht.

Er zerrt den AUTARCHEN hoch und fesselt ihn rasch so, daß seine Hand JAHIS Handgelenk umklammert; dann wendet er sich wieder der Folterung von MESCHIANE ZU. Unbemerkt befreit sich hinter ihm NOD von seinen Ketten.

XXV

Angriff auf die Hierodulen

Obschon wir im Freien waren, wo sich jedes Geräusch so leicht in der Weite des Himmels verliert, konnte ich das Rasseln der Ketten hören, als Baldanders augenscheinlich mit seinen Fesseln rang. Im Publikum unterhielt man sich, und diese Gespräche konnte ich ebenfalls hören – eins drehte sich um das Schauspiel, dem Aussagen unterstellt wurden, die ich nie entdeckt und die Dr. Talos bestimmt nicht beabsichtigt hatte; ein anderes um einen Rechtsstreit, den der Autarch, wie der Sprecher im schleppenden Tonfall eines Beglückten versicherte, falsch beurteilen werde. Während ich die Winde der Streckbank drehte und der Sperrhaken ordentlich klappernd ausklinkte, riskierte ich einen Seitenblick auf diejenigen, die uns zusahen.

Nicht mehr als zehn Sessel waren besetzt, denn die großen Gestalten standen neben den Sitzplätzen oder dahinter. Darunter befanden sich einige Frauen in höfischen Gewändern, wie ich ihnen auch im Azurnen Haus begegnet war; Gewändern mit sehr tiefen Ausschnitten und bauschigen Röcken, die oft geschlitzt oder mit Spitzeneinsätzen versehen waren. Die Frisuren waren einfach, aber mit Blumen, Juwelen oder glühenden Larven geschmückt.

Das Publikum setzte sich größtenteils aus Männern zusammen, von denen immer neue hinzukamen. Viele waren so groß wie oder größer als Vodalus. Sie standen in ihre Mäntel gehüllt, als fröstelten sie in der milden Frühlingsluft. Flache, breitkrempige Petasen warfen Schatten über ihre Gesichter.

Mit Getöse fielen Baldanders Ketten ab. Dorcas kreischte, um mir anzuzeigen, daß er frei wäre, woraufhin ich mich ihm zuwandte. Zurückweichend zerrte ich die erste Fackel aus dem Halter und wehrte ihn damit ab. Sie tropfte, wenn das Öl im Behälter die Flamme fast erstickte, und flackerte zu neuem Leben auf, wenn der Schwefel und die Mineralsalze, die Dr. Talos um den Rand geklebt hatte, sich entzündeten.

Der Riese stellte sich verrückt, wie es seine Rolle verlangte. Das borstige Haar hing ihm vor die Augen, die hinter diesen Strähnen so wild funkelten, daß ich sie dennoch sehen konnte. Das Kinn hing schlaff herab, er geiferte aus dem Mund und bleckte die gelben Zähne. Doppelt so lange Arme wie die meinen griffen nach mir.

Was mich in Angst versetzt hat – und ich habe, wie ich gestehe, Angst gehabt und von Herzen gewünscht, anstelle der eisernen Fackel Terminus Est in den Händen zu halten –ist seine Miene gewesen, die ich nur als Ausdruck hinter dem fehlenden Ausdruck seines Gesichts bezeichnen kann. Sie war da wie das schwarze Wasser, das man manchmal unter der Eisdecke eines gefrorenen Flusses erspäht. Bald-anders hatte nun ein grimmiges Gefallen daran gefunden, das zu sein, was er war; und als ich ihm so gegenüberstand, erkannte ich zum erstenmal, daß er sich auf der Bühne weniger verrückt stellte als im täglichen Leben vernünftig und beschränkt demütig. Ich überlegte mir, inwieweit er den Aufbau des Stücks beeinflußt habe, obwohl es vielleicht auch nur so war, daß Dr. Talos seinen Patienten (und das hatte er gewiß) besser verstanden hatte als ich.

Wir durften natürlich die Höflinge des Autarchen nicht so in Schrecken versetzen wie die Bauersleute. Baldanders sollte mir die Fackel entwinden, mir augenscheinlich den Rücken brechen und die Szene damit beenden. Das tat er nicht. Ob er so verrückt war, wie er vorgab, oder über unser wachsendes Publikum wirklich erzürnt war, wußte ich nicht. Vielleicht stimmen beide Erklärungen.

Wie dem auch sei, jedenfalls riß er mir die Fackel aus der Hand und stürmte, sie schwenkend, daß das brennende Öl als Feuerregen um ihn flog, auf die Zuschauer los. Mein Schwert, womit ich vorhin Dorcas’ Kopf bedroht hatte, lag nahe meinen Füßen, so daß ich mich instinktiv danach bückte. Als ich mich wieder aufgerichtet hatte, wütete Baldanders mitten im Publikum. Die Fackel war verloschen, aber er schlug damit um sich wie mit einer Keule.

Jemand feuerte eine Pistole ab. Das Geschoß setzte sein Kostüm in Brand, mußte aber seinen Leib verfehlt haben. Mehrere Beglückte hatten ihr Schwert gezückt, und jemand – ich konnte nicht sehen wer – besaß jene rarste aller Waffen, einen Traum. Er strömte wie purpurner Rauch, jedoch viel schneller, dahin und hatte den Riesen binnen eines Augenblicks eingehüllt. Es schien, als wäre er von allem Vergangenem und vielem, was noch nie dagewesen, umzingelt: eine grauhaarige Frau entwuchs seiner Seite, ein Fischerboot schwebte unmittelbar über seinem Kopf und ein kalter Wind peitschte die Flammen, die ihn umzüngelten.

Dennoch schienen die Visionen, die Soldaten angeblich willen- und hilflos erstarren lassen und schwer auf ihrem weiteren Geschick lasten, bei Baldanders nicht zu wirken. Er stürmte weiter voran und bahnte sich mit der Fackel gewaltsam einen Weg.

Im nächsten Moment, den ich noch abwartete (denn ich hatte bald wieder soviel Fassung erlangt, von diesem verrückten Kampf zu fliehen), sah ich dann, wie mehrere Gestalten ihre Mäntel und – wie es schien – auch ihre Gesichter abwarfen. Unter diesen Gesichtern, die so unstofflich wirkten wie die Notulen, sobald sie nicht mehr getragen wurden, offenbarten sich solche Ungeheuerlichkeiten, wie ich sie nie für möglich gehalten hätte: ein kreisrunder Mund, von nadelspitzen Zähnen eingesäumt; Augen, die tausend Augen in einem waren, angeordnet wie die Schuppen eines Tannenzapfens; Kiefer wie Zangen. Diese Dinge sind mir im Gedächtnis geblieben wie alles andere auch, und ich habe sie in den dunklen Wachen der Nacht oft wieder angestarrt. Wenn ich mich schließlich erhebe und den Blick zu den Sternen und den mondbeschienenen Wolken richte, bin ich sehr froh, daß ich nur diejenigen in der Nähe unseres Rampenlichts gesehen habe.