Wieder sah er ein Flimmern, als bewegte sich ein lebender Schatten gegen den Kristallhintergrund. Als er aufmerksamer hinstarrte, wurde das Flimmern zu einer fließenden Form, und er konnte sehen, daß viele dieser Formen ihn umgaben, jede offenbar eine Einheit für sich. Wie die Schatten von Menschen, dachte er entsetzt. Wie fremdartige Geister.
»Und ich akzeptierte sie«, erzählte er Oop. »Vielleicht, weil ich nicht anders konnte. Hätte ich sie nicht akzeptiert, so wäre ich ganz allein auf dieser Kristallebene geblieben. Ein Mensch aus einem anderen Jahrhundert hätte sie vielleicht nicht akzeptiert. Er hätte sie vermutlich als Gebilde seiner Phantasie abgetan. Aber ich hatte zu viele Stunden mit Gespenst verbracht, um bei dem Gedanken an Geister zurückzuschrecken. Ich hatte zu lange mit übernatürlichen Erscheinungen gearbeitet.
Und das Seltsame und Tröstliche dabei war, daß sie spürten, als ich sie akzeptierte.«
»Und das ist es also?« fragte Oop. »Ein Geisterplanet?«
Maxwell nickte. »Vielleicht könnte man es so ansehen. Aber eine Frage — was ist ein Geist wirklich?«
»Ein Spuk«, sagte Oop. »Ein Gespenst.«
»Aber was verstehst du unter Spuk? Oder definiere mir ein Gespenst!«
»Ich weiß«, sagte Oop zerknirscht. »Ich habe den Mund wieder einmal zu voll genommen. Wir haben keine Ahnung, was ein Gespenst ist. Nicht einmal Gespenst selbst weiß genau, was er ist. Er weiß nur, daß es ihn gibt — und wenn jemand Bescheid wüßte, dann doch zuallererst er. Er hat viel darüber nachgegrübelt. Er hat sich mit anderen Gespenstern beraten, doch es kam nichts dabei heraus. Man muß also auf das Übernatürliche zurückgreifen …«
»Und das verstehen wir nicht«, ergänzte Maxwell.
»Eine Art Mutation«, schlug Oop vor.
»Collins vertrat diese Theorie«, sagte Maxwell. »Aber er stand allein da. Ich wandte mich auch gegen ihn, aber das war, bevor ich den Kristallplaneten sah. Jetzt bin ich nicht mehr so sicher. Was geschieht, wenn eine Rasse ihr Ende erreicht, wenn sie — als Rasse — Kindheit, Erwachsenenleben und Alter durchgemacht hat? Eine Rasse, die wie ein Mensch an Altersschwäche stirbt? Was tut sie in diesem Zustand? Sie könnte natürlich sterben. Das würde man erwarten. Aber angenommen, sie könnte aus irgendeinem Grund nicht sterben, angenommen, sie müßte unbedingt durchhalten und weiterleben?«
»Wenn es sich wirklich um eine Mutation handelt«, sagte Oop, »wenn sie wissen, daß Geistertum eine Mutation ist, wenn sie Mutationen kontrollieren können …«
Er unterbrach sich und sah Maxwell an. »Glaubst du, das könnte es gewesen sein?«
»Allmählich, ja«, sagte Maxwell.
Oop reichte ihm das Marmeladeglas. »Du brauchst eine Stärkung«, sagte er. »Und ich auch.«
Maxwell hob das Glas und trank. Die Flüssigkeit brannte wie heiße Lava. Er rang nach Luft und wünschte sich wieder, daß er sich an das Zeug gewöhnen könnte. Dann gab er Oop das Glas zurück. Der hob es an die Lippen und setzte es wieder ab, ohne zu trinken.
»Du sagtest etwas von einem Grund. Daß sie aus einem zwingenden Grund weiterleben müßten …«
»Das stimmt«, erklärte Maxwell. »Wissen. Informationen. Ein Planet, vollgestopft mit Wissen. Ein Lagerhaus voll Informationen. Und ich bezweifle, daß wir ein Zehntel davon kennen. Alles andere ist neu, unbekannt. Zum Teil Material, von dem wir nicht einmal zu träumen gewagt haben. Wissen, das wir vielleicht in einer Million von Jahren nicht aufspüren können. Es ist gespeichert — elektronisch, nehme ich an — und zwar so, daß jedes Atom gewisse Informationen trägt. Die Speicher sind Metallplatten, die in großen Stapeln aufeinanderliegen, und jede Atomschicht — ja, sie sind in Schichten angeordnet — trägt gesonderte Informationen. Ich kann dir nicht sagen, wie viele Atomschichten sich in jeder Metallplatte befinden. Hunderttausende, meiner Schätzung nach.«
Oop nahm einen gewaltigen Schluck. Ein Teil des Alkohols floß ihm über die haarige Brust. Er rülpste zufrieden.
»Sie können dieses Wissen nicht im Stich lassen«, sagte Maxwell. »Sie müssen es an jemand weitergeben, der es verwenden kann. Sie müssen irgendwie am Leben bleiben, bis sie es weitergegeben haben. Und hier setzt meine Aufgabe ein. Sie haben mir den Auftrag gegeben, das Wissen für sie zu verkaufen.«
»Zu verkaufen! Ein paar Gespenster, die sich nur noch mit den Fingerspitzen am Leben festklammern! Was können sie wollen? Worin besteht der Preis?«
Maxwell fuhr sich mit der Hand über die schweißnasse Stirn. »Ich weiß nicht«, sagte er.
»Du weißt es nicht? Wie kannst du etwas verkaufen, wenn du den Preis nicht kennst?«
»Sie sagten, das würde ich später erfahren. Sobald ich einen Interessenten gefunden hätte, wollten sie mir den Preis nennen.«
»Ein herrliches Geschäft!«
»Ja, ich weiß«, sagte Maxwell.
»Du hast keine Ahnung von der Gegenleistung?«
»Nicht die geringste. Ich versuchte es ihnen zu erklären, aber sie konnten oder wollten mich nicht verstehen. Ich habe seitdem immer wieder über den Preis nachgedacht, aber mir will nichts einfallen, was diese sterbende Rasse brauchen könnte.«
»Wenigstens haben sie sich an den richtigen Mann gewandt. Wie willst du vorgehen?«
»Ich werde mit Arnold sprechen.«
»Eine harte Nuß.«
»Sieh mal, ich muß Arnold direkt sprechen. Es darf kein Wort durchsickern. Wenn die Klatschbasen der Universität erst davon erfahren, kann Arnold nichts mehr tun. Vor allem, da der Handel so verrückt klingt. Die ganze Welt würde uns verspotten, wenn das Geschäft platzt. Es würde Arnold und mich den Kragen kosten …«
»Pete, Arnold ist nichts als ein großer Angeber. Das weißt du ebensogut wie ich. Er ist ein Verwaltungsmensch, der sich nur um die finanzielle Seite der Universität kümmert. Es ist mir egal, ob er den Titel eines Präsidenten trägt oder nicht, für mich ist er nichts anderes als ein Manager. Um die akademischen Probleme kümmert er sich nicht. Er würde seinen Kopf nicht einmal für drei Planeten voller Informationen hinhalten.«
»Der Präsident der Universität muß etwas von Verwaltung verstehen …«
»Wenn es nicht gerade jetzt wäre, hättest du vielleicht eine Chance gehabt«, sagte Oop traurig. »Aber im Moment bewegt sich Arnold auf rohen Eiern. Daß er die Verwaltung von New York an diese Hinterwäldler-Universität verlegt hat …«
»An eine Universität mit liberaler Tradition«, warf Maxwell ein.
»Die Universitätspolitik kümmert sich weder um liberale noch um sonstige Traditionen«, erklärte Oop.
»Vermutlich nicht«, gab Maxwell zu. »Aber jedenfalls muß ich Arnold sprechen. Ich hätte auch lieber einen anderen Verhandlungspartner.«
»Du hättest den Auftrag ablehnen können.«
»Nein, Oop, das ging nicht. Kein Mensch hätte das getan. Sie hätten einen anderen gesucht, der vielleicht alles verdorben hätte. Ich weiß natürlich nicht, ob es mir gelingt, aber ich werde es zumindest versuchen. Es ist nicht nur für uns, sondern auch für sie.«
»Du magst diese Leute?«
»Ich weiß nicht recht. Vielleicht bewundere ich sie. Und sie tun mir leid. Sie tun, was sie können. Sie haben so lange gesucht, um jemanden zu entdecken, an den sie das Wissen weitergeben können.«
»Weitergeben? Ich dachte, sie wollen es verkaufen.«
»Nur, weil es etwas gibt, das sie dringend brauchen. Ich wollte, ich wüßte, was es ist. Es würde die Sache erheblich erleichtern.«
»Eine Nebenfrage — du hast mit ihnen gesprochen. Wie?«
»Die Platten«, sagte Maxwell. »Ich habe dir von den Metallplatten erzählt. Sie sprachen mit Hilfe dieser Platten zu mir.«