Einen Moment lang blieb er unentschlossen stehen. Wohin sollte er gehen? Er überlegte, ob er ein Abendrestaurant kannte, in dem keine Mitglieder seiner Fakultät verkehrten. Heute, an diesem Abend der Entscheidung, hatte er wenig Lust, bekannten Gesichtern zu begegnen.
Etwas raschelte hinter ihm, und er drehte sich schnell um. Gespenst stand hinter ihm.
»Ah, du bist es«, sagte er.
»Ich habe auf dich gewartet«, sagte Gespenst. »Du warst lange da drinnen.«
»Ich mußte warten. Dann kamen wir ins Gespräch.«
»Hat es etwas genützt?«
»Überhaupt nichts. Das Ding ist verkauft und schon bezahlt. Der Rollenfüßler holt es morgen früh ab. Ich fürchte, damit ist die Sache entschieden. Ich könnte versuchen, noch mit Arnold zu sprechen, aber es hat keinen Sinn mehr.«
»Oop hält einen Tisch für uns frei. Ich kann mir vorstellen, daß du hungrig bist.«
»Und wie«, sagte Maxwell.
Gespenst wählte einen ungewöhnlich langen Weg durch Hintergäßchen und Seitenwege.
»Ein Lokal, in dem wir nicht auffallen werden«, sagte Gespenst. »Doch das Essen ist ordentlich, und der Whisky kostet nicht viel. Oop hat das eigens betont.«
Schließlich kamen sie über eine Eisentreppe in ein Kellerlokal. Maxwell schob die Tür auf. Das Innere war spärlich beleuchtet. Von irgendwo kamen Essensgerüche.
»Hier wird wie daheim serviert«, erklärte Gespenst. »Sie stellen das Zeug auf den Tisch, und jeder kann sich bedienen. Oop ist begeistert davon.«
Oops massige Gestalt wurde an einem der Tische sichtbar. Er winkte ihnen. Maxwell sah, daß außer ihnen höchstens ein halbes Dutzend Leute anwesend waren.
»Hierher!« schrie Oop. »Ich möchte dir jemand vorstellen.«
Gefolgt von Gespenst ging Maxwell quer durch das Lokal. Am Tisch saßen Carol und ein Fremder — mit einem dunklen, bärtigen Gesicht.
»Unser Gast«, sagte Oop. »Meister William Shakespeare.«
Shakespeare stand auf und streckte Maxwell die Hand entgegen. Über dem Bart wurden weiße Zähne sichtbar, als er lächelte.
»Ich schätze mich glücklich, so grobe, waschechte Kerle getroffen zu haben«, sagte er.
»Der Barde denkt daran, hierzubleiben«, erklärte Oop. »Er möchte sich bei uns niederlassen.«
»Nein, nicht der Barde«, sagte Shakespeare. »Ich bin dieses Namens nicht würdig. Ich bin nur ein ehrlicher Fleischhauer und Tuchhändler.«
»Nur ein Ausrutscher«, beruhigte Oop ihn. »Wir sind so daran gewöhnt …«
»Aye, aye, ich weiß«, sagte Shakespeare. »Ein Irrtum schleppt viele hinter sich.«
»Hierbleiben?« fragte Maxwell. Er warf Oop einen schnellen Blick zu. »Weiß Harlow, daß er hier ist?«
»Ich glaube nicht«, antwortete Oop. »Wir haben uns jedenfalls bemüht, ihn abzuschütteln.«
»Ich entkam der Leine«, sagte Shakespeare grinsend. »Jedoch nur mit Hilfe dieser Männer, wofür ich ihnen zu Dank verpflichtet bin.«
»Himmel, lernt ihr Idioten nie …«, begann Maxwell.
»Pete, seien Sie still«, unterbrach ihn Carol. »Ich finde es sehr nobel von Oop. Da kommt dieser arme Teufel aus einer anderen Zeit und möchte ganz harmlos unsere Welt kennenlernen, und …«
»Setzen wir uns«, sagte Gespenst zu Maxwell. »Du siehst aus, als könntest du einen harten Drink vertragen.«
Maxwell setzte sich neben Shakespeare. Gespenst nahm den freien Stuhl auf der anderen Seite des Gastes. Oop reichte eine Flasche über den Tisch.
»Fang nur an«, sagte er. »Keine langen Zeremonien. Hier geht es auch ohne Glas.«
Maxwell hob die Flasche an den Mund und nahm einen tiefen Schluck. Shakespeare beobachtete ihn bewundernd. Als er die Flasche absetzte, sagte Shakespeare: »Ich kann Ihr Mannestum nur bewundern. Ich versuchte einen Tropfen dieses Trankes, und er verbrannte mich nahezu.«
»Man gewöhnt sich daran«, tröstete ihn Maxwell.
Shakespeare deutete mit dem Finger auf eine halbvolle Flasche Bier. »Doch dieses Gebräu ist sanft für den Gaumen und Magen.«
Sylvester zwängte sich hinter Shakespeares Stuhl vorbei und legte seinen Kopf auf Maxwells Schoß. Maxwell kraulte ihn hinter den Ohren.
»Wird diese Katze schon wieder aufdringlich?« sagte Carol.
»Sylvester und ich sind Kumpel«, erklärte Maxwell. »Wir haben gemeinsame Kriege durchgestanden. Vergessen Sie nicht, daß wir letzte Nacht dem Rollenfüßler begegnet sind.«
»Ihre Miene ist freundlich«, sagte Shakespeare zu Maxwell. »Mich deucht, daß Ihre Geschäfte, die Sie bis jetzt ferngehalten haben, günstig verlaufen sind.«
»Sie sind überhaupt nicht verlaufen«, sagte Maxwell. »Der einzige Grund für meine freundliche Miene ist die nette Gesellschaft, in der ich mich befinde.«
»Du willst sagen, daß Harlow dich sitzenließ!« explodierte Oop. »Er hat dir nicht einmal einen Tag gegeben?«
»Er konnte nicht anders«, erklärte Maxwell. »Er hat die Bezahlung bereits erhalten, und der Rollenfüßler schafft das Ding morgen weg.«
»Wir können ihn dazu zwingen, seinen Entschluß zu ändern«, sagte Oop finster.
»Jetzt nicht mehr«, widersprach Maxwell. »Er kann nicht mehr aussteigen. Er kann weder das Geld zurückgeben, noch sein Wort brechen. Und wenn ihr das vorhabt, was ich euch an der Nasenspitze ansehe, dann braucht er nur den Vortrag abzublasen und den Leuten das Eintrittsgeld zurückzuerstatten.«
»Du hast wohl recht«, meinte Oop. »Wir wußten nicht, daß der Handel schon abgeschlossen war. Wir hatten die Absicht alle zusammen zu Arnold zu gehen und ihm handgreiflich klarzumachen, was zu tun ist. Aber das ist jetzt vorbei — darum nimm noch einen Schluck und gib mir dann die Flasche zurück.«
Maxwell nahm noch einen Schluck und reichte Oop die Flasche. Shakespeare trank sein Bier leer und knallte die Flasche auf den Tisch. Carol holte sich den Schnaps von Oop und goß sich etwas in ihr Glas.
»Es ist mir gleich, wenn ihr euch wie Barbaren aufführt«, sagte sie. »Aber ich trinke nicht aus der Flasche.«
»Bier!« brüllte Oop. »Mehr Bier für unseren werten Gast!«
»Ich danke Ihnen, Sir«, sagte Shakespeare.
»Wie hast du denn dieses Loch gefunden?« wollte Maxwell wissen.
»Ich kenne die Hintergassen des Universitätsviertels«, sagte Oop.
»Es war genau das Richtige für uns«, sagte Gespenst. »Die Leute vom Zeit-College werden die Gegend nach unserem Freund abklappern. Hat Harlow dir erzählt, daß er verschwunden ist?«
»Nein«, erwiderte Maxwell. »Aber er schien etwas nervös. Er erwähnte, daß er in Schwierigkeiten sei, aber man merkte ihm nicht an, daß es so schlimm stand. Ich glaube, er gehört zu den Leuten, die auf einem explodierenden Vulkan sitzen können, ohne die Miene zu verziehen.«
»Was ist mit den Reportern?« fragte Maxwell nach einiger Zeit. »Belagern sie immer noch die Hütte?«
Oop schüttelte den Kopf. »Nein. Aber sie werden zurückkommen. Wir müssen eine andere Schlafstelle für dich finden.«
»Ich kann mich ihnen ebensogut stellen«, sagte Maxwell. »Irgendwann kommt die Geschichte doch ans Tageslicht.«
»Ganz genau«, rief Oop. »Laß die Galaxis wissen, was sie verloren hat.«
»Nein«, sagte Maxwell. »Harlow ist mein Freund. Ich kann ihm das nicht antun.«
Ein Kellner brachte eine Flasche Bier und stellte sie ab.
»Eine Flasche!« wütete Oop. »Was soll das, eine Flasche? Gehen Sie sofort zurück und holen Sie einen ganzen Arm voll. Unser Freund hier ist vollkommen ausgetrocknet.«
»Hätten Sie ja gleich sagen können!« meinte der Kellner. »Ich kann es schließlich nicht riechen.«
Er schlurfte weg, um mehr Bier zu holen.
»Ihre Gastfreundschaft ist ohne Tadel«, sagte Shakespeare. »Doch ich fürchte, ich komme zu einer Zeit, da Sie mit Sorgen beladen sind.«
»Das mit den Sorgen stimmt«, erklärte Gespenst. »Gerade deshalb sind Sie uns willkommen.«