In den Häfen am Meer ging es nicht weniger lebhaft zu. Die Tiere, die nicht schwimmen konnten, gingen an Bord moderner Schnelldampfer. Es lagen aber auch große Walfische am Pier und sperrten ihre riesigen Mäuler auf. Sie hatten sich freiwillig für den Transport der Konferenzteilnehmer zur Verfügung gestellt, und wer den Schiffsmotoren nicht traute, brauchte nur über die Laufplanke in einen der Walfische hineinzuspazieren. »Schiffe gehen zuweilen unter«, sagte der Hase zum Fuchs. »Aber dass ein Walfisch untergegangen ist, habe ich noch nie gehört.« – Damit hoppelte er über die Planke in den aufgesperrten Rachen des Ungeheuers. Schließlich war alles an Bord. Die Schiffssirenen heulten auf. Die Walfische klappten ihre Mäuler zu. Wasserfontänen spritzten hoch, und die Flottille setzte sich in Bewegung. Die Verwandten am Ufer winkten. Die Delegierten an der Schiffsreling winkten zurück. Nur die Abgeordneten im Bauch der Walfische – die winkten nicht. Weil Walfische keine Fenster haben.
Auch auf den Flugplätzen sämtlicher Erdteile war Hochbetrieb. Die meisten Delegierten – soweit es nicht Vögel waren – flogen zum allerersten Mal in ihrem Leben und benahmen sich ein bisschen nervös und zimperlich. Aber als der Adler, der Geier, der Bussard und der Reiher sie auslachten, nahmen sie sich zusammen und setzten sich ergeben auf ihre Kabinenplätze. Man konnte übrigens auch, gegen einen entsprechenden Preiszuschlag, einen fliegenden Teppich mieten. Das tat beispielsweise der Skunk. Als wohlhabendes Pelztier konnte er sich das leisten. Außerdem blieb ihm gar nichts andres übrig. Weil er stank, hatte man ihm an der Kasse kein Flugbillett verkauft. Nun ja, schließlich waren alle untergebracht. Die Luftflottille erhob sich. Die Propeller sausten und blitzten in der Sonne. Die fliegenden Teppiche schimmerten bunt wie große Schmetterlinge. Raben und Reiher, Falken, Marabus und Wildenten flogen im Gefolge. Und die Erde unter ihnen wurde immer kleiner und kleiner.
Die Polartiere hätten um ein Haar Pech gehabt. Denn als sie am Hafen ankamen, waren die Dampfer allesamt eingefroren. Aber der Eisbär Paul wusste Rat. Erst fuhren sie samt ihrem Gepäck auf Rentierschlitten südwärts, und dann stiegen sie auf einen Eisberg um: Paul und das schnauzbärtige Walross und der Pinguin und das Schneehuhn und der Silberfuchs. Ja, und ein kleines pausbäckiges Eskimomädchen, das mit Paul schon lange befreundet war. – Der Eisberg hatte einen großen Nachteiclass="underline" Er war schrecklich langsam, und sie fürchteten schon, sie kämen womöglich zu spät.
Da hatte zum Glück das Walross einen ausgezeichneten Einfall. Es bat alle Robben, denen sie begegneten, ihnen vorwärts zu helfen, und die Seelöwen und Seehunde ließen sich nicht zweimal bitten. Mit der einen Flosse hielten sie sich am Eisberg fest, mit der anderen ruderten sie im Takt wie tausend gelernte Matrosen, dass der schneeglitzernde, kristallblaue Eisberg förmlich dahinflog! Die Überseedampfer, die ihnen begegneten, bekamen es mit der Angst und nahmen schleunigst Reißaus.
Die Tiere, die mit der Eisenbahn fuhren, hatten es am schwersten. Denn die Erde und die Kontinente sind ja bekanntlich in viele, viele Reiche und Länder eingeteilt, und überall waren Schranken heruntergelassen, und überall standen uniformierte Beamte und machten böse Gesichter.
»Was haben Sie zu verzollen?«, fragten die uniformierten Beamten. »Zeigen Sie sofort Ihre Pässe!«, sagten sie. »Haben Sie ein Ausreisevisum?« »Haben Sie ein Einreisevisum?« »Was ist los?«, knurrte der Löwe Alois. »Wir können ja einmal nachsehen«, meinte Oskar, der Elefant.
Und nun stiegen die beiden mit dem Tiger und dem Krokodil aus dem Zug und näherten sich neugierig den Beamten.
Da kriegten die uniformierten Beamten einen großen Schreck und rannten davon, so schnell sie konnten. »Haben Sie denn ein Ausreisevisum?«, rief Oskar hinter ihnen her. Darüber mussten alle Tiere im Zug so lachen, dass sie sich fast verschluckten. Und dann fuhren sie ungestört weiter.
Obwohl nun doch zu Wasser, zu Lande und in der Luft so viele Tiere auf dem Wege zur Konferenz waren, merkten die wenigsten Menschen etwas davon. Nur die Leute, die an der Eisenbahn wohnten, wunderten sich ein bisschen. Aber wenn dann einer sagte: »Es wird wohl ein Wanderzirkus sein«, gaben sie sich wieder zufrieden. Am erstauntesten waren die kleinen Kinder, die in diesen Tagen in ihren Bilderbüchern blätterten. Die Bilderbuchtiere waren nämlich aus den Büchern verschwunden! Es sah aus, als hätte sie jemand fein säuberlich mit der Schere herausgeschnitten! Aber es hatte sie natürlich gar niemand herausgeschnitten, sondern sie waren mitten in der Nacht aus den Büchern gesprungen und hatten sich auf die Socken gemacht, um ja rechtzeitig im Hochhaus der Tiere zu sein...
Das Hochhaus der Tiere ist bestimmt das merkwürdigste und vielleicht das größte Gebäude der Welt. Es hat einen eignen Hafen, einen eignen Bahnhof und hoch oben auf dem Riesendach seinen eignen Flugplatz. Es enthält das Hauptpostamt für die Brieftauben, ein Hotel für die Zugvögel, eine Stellenvermittlung für Tiere, die in den Zoo wollen, eine Tanzschule für Bären, eine Akademie für Dressurlöwen, eine Reit- und Springschule für Pferde, ein Institut zur Förderung begabter Affen, ein Konservatorium für Singvögel, eine Technische Hochschule für Spinnen, Biber und Ameisen, ein Raritätenmuseum, eine zahnärztliche Klinik, ein Sanatorium, einen Kindergarten für Tierbabys, deren Eltern tagsüber arbeiten müssen, ein Waisenhaus, einen Optikerladen für Brillenschlangen, ein Gefängnis für Tierquäler, eine Krebsscherenschleiferei, eine Leuchtfarbenfabrik für Glühwürmchen, Konzertsäle, Schwimmbassins, Speisesäle für Fleischfresser, Speisesäle für Pflanzenfresser, Aufenthaltsräume für Wiederkäuer und vieles, vieles mehr.
Weil nun jeden Tag neue Flugzeuge, Dampfer, Walfische, Züge und fliegende Teppiche mit seltsamen Tieren eintrafen, wurden die Menschen immer neugieriger. Schließlich kamen Zeitungsleute, Rundfunkreporter und Männer von der Wochenschau angerückt, knipsten, kurbelten, fragten, was das Zeug hielt, und machten sich Notizen. »Was ist eigentlich die Absicht Ihrer Zusammenkunft, meine Herren Tiere?«, fragten sie gespannt.
»Ganz einfach«, meinte die Giraffe von oben herab, »es handelt sich um die Menschen.« »Wenn ich nicht so blond wäre«, rief der Löwe Alois aufgeregt, »könnte ich mich ihretwegen auf der Stelle schwarz ärgern!«
Da lachten die Reporter und notierten sich, dass der Löwe ein ausgesprochen witziger Kopf sei. Oskar rümpfte hierüber seinen Rüssel, dann sagte er ruhig: »Es ist wegen der Kinder, verstehen Sie?« Nein, sie verstünden ihn nicht, erwiderten sie. Da brummte er nur: »Das wäre ja auch ein wahres Wunder!«
»Also, hören Sie gut zu«, sagte Reinhold, der Stier, zu einem jungen Mann, der ihm ein Mikrophon vor die Nase hielt. »Ich höre«, meinte der junge Mann, »und die übrige Menschheit hört mit!« »Wissen Sie was?«, fuhr der Stier fort. »Es wird besser sein, wenn Sie zuvor Ihre rote Krawatte abbinden. Rot macht mich nervös, und wenn ich nervös werde...« Der junge Mann band sich so schnell er konnte die Krawatte ab, und Reinhold, der Stier, sagte nun: »Unsere Konferenz im Hochhaus der Tiere beginnt am gleichen Tage wie die Konferenz der Staatspräsidenten in Kapstadt, es ist, glaube ich, ihre siebenundachtzigste.« »Ganz recht«, erklärte der junge Mann, »und bei Ihnen, soviel ich weiß, die erste, nicht wahr?« »Stimmt«, sagte der Stier, »und die letzte!«
Die Photographen machten gerade ein hübsches Gruppenbild. Mit Oskar, Alois, Leopold, dem Känguru Gustav, dem Tapir Theodor und Julius, dem größten Kamel des 20. Jahrhunderts – da brüllte der Elefant plötzlich so laut, dass alle miteinander erschraken: »Moment! Wo ist denn Paul?! Hoffentlich ist ihm nichts passiert!« Und schon rannte er, so schnell ihn seine Plattfüße trugen, zum Fahrstuhl.