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»Entweder Lord Lorkin geht ins Gefängnis, oder Lord Lorkin geht ins Gefängnis und Botschafter Dannyl verlässt Sachaka«, sagte der König, laut genug, um Dannyls Worte zu übertönen.

– Lasst sie ihn mitnehmen.

Dannyl hätte vor Überraschung beinahe laut aufgekeucht, als er die Stimme in seinem Kopf hörte. Ihm wurde bewusst, dass er den Ring fest umklammerte, so dass der Edelstein seine Haut berührte und seine Gedanken daher an Osen übermittelte.

– Seid Ihr Euch sicher?

– Ja, antwortete der Administrator. Wir haben natürlich gehofft, dass es nicht so weit kommen würde, aber wir möchten keinesfalls Lorkin verlieren und zusehen müssen, wie Ihr aus Sachaka verbannt werdet. Kehrt in das Gildehaus zurück und fangt an, Amakira zuzusetzen, dass er Lorkin gehen lassen soll. Wir werden von hier aus alles tun, was wir können.

Dannyl wurde flau, als die beiden Ashaki an ihm vorbeigingen und links und rechts von Lorkin stehen blieben. Der junge Magier wirkte resigniert und besorgt, aber als er Dannyls Blick auffing, brachte er ein mattes Lächeln zustande.

»Ich werde schon zurechtkommen«, sagte er. Dann ließ er sich von den beiden Männern davonführen.

Dannyl drehte sich wieder zum König um. »Bringt ihn ins Gefängnis, wenn Ihr müsst, Euer Majestät, aber fügt ihm keinen Schaden zu«, warnte er, »sonst wird in Zukunft kaum noch ein friedliches Bündnis zwischen den Verbündeten Ländern und Sachaka möglich sein. Das wäre eine große Schande.«

Amakiras Blick geriet nicht ins Wanken, aber seine Stimme war leiser, als er wieder sprach. »Kehrt ins Gildehaus zurück, Botschafter. Dieses Treffen ist beendet.«

Noch bevor Sonea die Augen öffnete, wusste sie, dass es zu früh war, um aufzuwachen. Sie drehte sich zu ihrem abgedeckten Schlafzimmerfenster um und sah das helle Morgenlicht durch die Ritzen fallen. Sie konnte nur ein oder zwei Stunden geschlafen haben.

Ein Klopfen vom Hauptraum verriet ihr auch, warum sie wach war.

Stöhnend warf sie die Arme über die Augen und wartete. Jeden Morgen außer an den unterrichtsfreien Tagen kam Schwarzmagier Kallen vorbei, um Lilia zum Unterricht abzuholen. Die meiste Zeit bereitete die Novizin sich ganz leise auf ihren Tag in der Universität vor, um Sonea nicht zu wecken. Und Kallen hatte zwar einige Zeit gebraucht, nachdem Sonea mehrfach vielsagend darauf hingewiesen hatte, dass sie im Hospital gewöhnlich die Nachtschicht übernahm, aber schließlich begriffen, dass von ihm erwartet wurde, leise anzuklopfen.

Heute Morgen schien er es vergessen zu haben.

Das Klopfen erklang erneut, noch lauter diesmal. Sonea stöhnte abermals. Warum öffnete Lilia nicht? Seufzend warf sie die Bettdecken zurück und zwang sich aufzustehen. Sie fuhr sich mit den Händen durchs Haar, um es zu glätten, griff sich einen Morgenmantel und zog ihn über ihre Nachtwäsche. Nachdem sie den Hauptraum betreten hatte, ging sie auf die Tür zu und sandte ein klein wenig Magie aus, um den Knauf zu drehen.

Als die Tür nach innen aufschwang, blickte ein stirnrunzelnder Kallen auf, dessen Stirn sich bei ihrem Anblick in noch tiefere Falten legte. Sein Blick flackerte zu ihrem Morgenmantel und wieder hinauf zu ihren Augen, und sein Gesichtsausdruck veränderte sich dabei nicht.

»Guten Morgen, Schwarzmagierin Sonea«, sagte er. »Entschuldigt die Störung. Ist Lilia hier?«

Sonea schaute zu Lilias geschlossener Schlafzimmertür auf der anderen Seite des Raums hinüber, dann ging sie darauf zu. Sie klopfte zuerst leise an, dann lauter, dann öffnete sie die Tür. Der Raum war leer. Das Bett war jedoch gemacht, daher war Soneas Tante und Dienerin, Jonna, offensichtlich bereits da gewesen und wieder gegangen.

»Nein«, antwortete sie und kehrte zur Haupttür zurück. »Und nein, ich weiß nicht, wo sie ist. Wenn ich es erfahre, werde ich Euch Bescheid geben.«

»Danke.« Kallen wirkte entschieden unglücklich, aber er nickte und trat von der Tür weg.

Sonea schloss die Tür, ging auf das Schlafzimmer zu und hielt dann inne. Es war ungewöhnlich, dass Lilia am Morgen fort war. Es lag nicht in ihrer Natur, sich schlecht zu benehmen oder Ärger zu machen, aber sie musste trotzdem überwacht werden, weil sie bewiesen hatte, wie leicht sie sich von anderen in die Irre führen ließ.

Aber vielleicht nicht mehr so leicht wie früher. Schließlich brachte es einen dazu, genau zu überlegen, wem man vertraute, wenn man von seiner engsten Freundin überlistet wurde, um schwarze Magie zu erlernen, damit diese Freundin einem einen Mord in die Schuhe schieben konnte. Ganz zu schweigen von der Entdeckung, dass Lorandra, die wilde Magierin, der Lilia bei der Flucht aus dem Gefängnis geholfen hatte, versucht hatte, Lilia diesen Gefallen zu vergelten, indem sie sie ihrem Sohn, dem berüchtigten Dieb Skellin, auslieferte, damit Lilia ihn schwarze Magie lehren konnte.

Sonea vertraute darauf, dass Lilia sich nicht willentlich erneut in ernste Schwierigkeiten bringen würde – aber vielleicht unwillentlich. Sonea musste außerdem den Anschein erwecken, als habe sie ein Auge auf alle anderen schwarzen Magier. Obwohl sie nicht offiziell Lilias Mentor war – das war Kallen –, hatten doch alle den Eindruck, dass sie die Verantwortung für sie übernommen hatte, als sie dem Mädchen erlaubte, in ihren Räumen zu wohnen.

Als Sonea sich im Zimmer umschaute, sah sie einen Zettel unter dem Wasserkrug auf dem Waschtisch hervorlugen. Sie nahm ihn an sich und las.

Bin früh aufgebrochen, um eine Freundin zu treffen. Sagt Schwarzmagier Kallen, dass ich von dort aus direkt zum Unterricht kommen werde.

Lilia

Sonea seufzte und verdrehte die Augen, aber ihr Ärger verflog bald. Die Nachricht war wahrscheinlich nicht für sie bestimmt, sondern für Jonna. Die Dienerin hatte den Zettel nicht gesehen – oder sie hatte nicht warten können, bis Kallen gekommen war –, oder aber sie hatte versucht, ihn zu erreichen, und ihn nicht gefunden.

Die Freundin war wahrscheinlich Anyi, die verhindert hatte, dass Lilia Skellin ausgeliefert wurde. Da Anyi Cerys Tochter war, war Sonea nicht restlos überzeugt, dass das Mädchen Lilia nicht auf irgendeine Weise auf Abwege führen würde.

Cery würde nicht zulassen, dass die Mädchen in Schwierigkeiten geraten. Trotzdem … ich frage mich, warum Lilia sich zu dieser frühen Stunde mit Anyi trifft – und wo. Sonea legte den Zettel beiseite. Sie wusste, dass Anyi ihre Räume auf demselben Weg betrat, auf dem Cery gelegentlich erschien: durch eine verborgene Tür im Gästezimmer. Aber wenn Lilia fortgegangen war, um sich mit Anyi zu treffen, bedeutete das, dass sie zusammen anderswo hingingen, und das war ein Grund zur Sorge. Als neue Schwarzmagierin durfte Lilia das Gelände der Gilde nicht verlassen.

Vielleicht ist sie mit Anyi zurück durch die Luke gegangen. Die Tunnel unter der Gilde waren für alle bis auf die Höheren Magier verbotenes Terrain, offiziell, weil sie instabil und gefährlich waren, in der Hauptsache jedoch, weil es niemals irgendeinen guten Grund gab, warum jemand dort unten sein sollte. Das war es jedoch nicht, was Sonea an Lilias Treffen mit Anyi am meisten Sorgen machte.

Skellin wollte Cery tot sehen. Das bedeutete, dass jeder, der ihm half, eine Zielscheibe war. Bisher hatte Cery die Tatsache, dass Anyi seine Tochter war, geheim halten können. Offiziell war sie immer noch eine Leibwächterin, aber das bedeutete trotzdem, dass sie eine Zielscheibe war. Lilia mochte in der Lage sein, sie mit Magie zu beschützen, aber wenn der Angreifer Skellin war oder seine Mutter, Lorandra, würde sie in Schwierigkeiten sein, da beide Magier waren.

Ist sie gegangen, weil Cery ihre Hilfe braucht? Aber gewiss würde er sich zuerst mit mir in Verbindung setzen. Sie runzelte die Stirn. In letzter Zeit war Cery schwer zu finden gewesen, und wenn sie es dann doch schafften, sich zu treffen, wirkte er ausgezehrt und ängstlich. Sie hatte den Verdacht, dass es in Wahrheit mit seinen Bemühungen, Skellin zu finden, nicht mehr weit her war und er es im Gegenteil nur mit knapper Not schaffte, sich außer Reichweite des Diebes und wilden Magiers zu halten.