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Sonea seufzte erneut und kehrte ins Schlafzimmer zurück, aber nicht um zu schlafen. Es war unwahrscheinlich, dass sie mehr tun würde, als wach dazuliegen, jetzt da sie sich sowohl um Cery als auch um Lilia Sorgen machte. Sie wusch sich, kleidete sich an, zog ein wenig Magie in sich hinein, um die Erschöpfung zu vertreiben, und machte sich gerade eine Tasse Raka, als erneut jemand an ihre Wohnungstür klopfte.

Nachdem sie sich dabei ertappt hatte, dass sie wieder seufzte – sie hatte heute schon viel zu oft geseufzt –, schaute sie über ihre Schulter und öffnete die Tür mit Magie.

Administrator Osen trat ein. Sonea blinzelte überrascht.

»Administrator.«

»Schwarzmagierin Sonea«, begrüßte er sie und neigte höflich den Kopf. »Darf ich hereinkommen?«

»Natürlich«, erwiderte sie und drehte sich zu ihm um. Er schloss die Tür. »Möchtet Ihr etwas Raka oder Sumi?«

Er schüttelte den Kopf. »Ich habe schlechte, aber nicht gänzlich unerwartete Neuigkeiten.«

Sie hatte ein unangenehmes Gefühl, als würden sich all ihre inneren Organe in Wasser verwandeln. Lorkin.

»Wie schlecht?«

Osens Lippen wurden schmal vor Mitleid. »Nicht die schlimmsten Neuigkeiten. Ich wäre direkter gewesen, wenn das der Fall wäre. Lorkin hat eine Gedankenlesung abgelehnt. König Amakira hat verlangt, dass man ihm befiehlt, sich einer solchen zu unterziehen. König Merin hat sich geweigert. Amakira hat Lorkin ins Gefängnis geschickt.«

Ein Frösteln überlief sie, und ihr Magen krampfte sich zusammen. Ein Bild von Lorkin, angekettet in einer feuchten, dunklen Zelle, schoss ihr durch den Sinn, und ihr wurde übel. Vor ihrem inneren Auge war er ein verängstigter Junge. Aber das ist er nicht. Er ist ein erwachsener Mann. Er wusste, dass dies geschehen konnte, und trotzdem hat er sich geweigert, die Verräterinnen ans Messer zu liefern. Ich muss seinem Urteil vertrauen, dass sie es wert sind, gerettet zu werden. Sie zwang sich, sich wieder auf Osen zu konzentrieren.

»Was jetzt?«, fragte sie, obwohl die Höheren Magier diesen Fall schon viele Male erörtert hatten.

»Wir arbeiten darauf hin, ihn zu befreien. Wobei ›wir‹ die Gilde, der König und der elynische König sind. Wenn Lorkin recht hat und er sie daran hindern kann, seine Gedanken zu lesen, dann müssen wir Amakira zu der Erkenntnis bringen, dass er am ehesten mehr über die Verräterinnen erfahren wird, wenn er Lorkin gehen lässt. An diesem Punkt kommt Ihr ins Spiel.«

Sonea nickte und verspürte verspätete Erleichterung. Ihre Aufgabe, sich im Namen der Gilde mit den Verräterinnen zu treffen, war komplizierter geworden, als sich herausgestellt hatte, dass König Amakira Lorkin nicht erlauben würde, Sachaka zu verlassen, bis er alles von ihm erfahren hatte, was er erfahren konnte. Die Gilde hatte beschlossen, sie ebenfalls nach Arvice zu schicken, um Verhandlungen über die Freilassung ihres Sohnes zu führen.

Weil die Höheren Magier zu dem Schluss gekommen waren, dass nur ein Schwarzmagier den Respekt erhalten würde, der notwendig war, um mit dem sachakanischen König zu verhandeln, bedeutete das, dass die Gilde zwischen ihr und Kallen wählen musste – Lilia war zu jung und immer noch Novizin. Sie hatten gute Gründe, sich für keinen von ihnen zu entscheiden. Während die Sachakaner Frauen geringer achteten als Männer und die Tatsache, dass sie Lorkins Mutter war, sie erpressbar werden ließ, machte Kallens Abhängigkeit von Feuel ihn potenziell unverlässlich und ebenso verletzbar gegen Überredungsversuche.

Vielleicht kann das Wissen, dass ich schon früher Sachakaner getötet habe und bereit wäre, es wieder zu tun, um meinen Sohn zu retten, Amakira überzeugen, ihn freizulassen.

Natürlich konnte der sachakanische König damit drohen, Lorkin etwas anzutun, um etwas von ihr zu erhalten, aber das würde ihm nicht viel einbringen. Sie wusste nicht, was die Sachakaner herausfinden wollten, und konnte Lorkin nicht befehlen zu sprechen. Sie konnte nur versprechen, dass sie versuchen würde, ihn dazu zu überreden, wenn sie ihn gehen ließen.

Sie drehte sich zu Osen um. »Also, wann breche ich auf?«

Schwaches Licht, das durch eine Tür vor ihr fiel, sagte Lilia, dass sie und Anyi ihr Ziel fast erreicht hatten. Sie machte einen Bogen um den Schutt im Flur und folgte ihrer Freundin zu der Öffnung und in den Raum dahinter.

Cery saß auf einer der alten Holzkisten, die Anyi zusammengetragen hatte, um sie als Sitzplätze zu benutzen. Unter ihm lag auf einigen der fadenscheinigen Kissen von dem Stapel, auf dem Lilia und Anyi es sich so oft bequem gemacht hatten, Gol. Selbst im schwachen Kerzenlicht konnte sie sehen, dass er bleich war. Sie ging mit ihrer Lichtkugel näher heran und machte sie heller. Gols Stirn war feucht von Schweiß, und seine Augen wirkten fiebrig.

Lilia blickte auf ihn hinab, gelähmt von Zweifeln. Weiß ich schon genug über Heilung, um ihn zu retten?

»Versuch es einfach«, drängte Anyi.

Lilia sah ihre Freundin an und nickte. Sie zwang sich, sich neben Gol hinzuknien. Cery drückte die Hände auf Gols Unterleib, und sie waren voller Blutflecken.

»Sollte ich den Druck lösen?«, fragte Cery.

»Ich … ich bin mir noch nicht sicher«, gestand Lilia. »Ich werde es mir einfach … ansehen.«

Sie zupfte mehr von Gols Hemd weg, legte eine Hand auf seine nackte Haut, schloss dann die Augen und sandte ihre Sinne in seinen Körper.

Zuerst war alles Chaos, aber sie machte sich zunutze, was man sie gelehrt, was sie gelesen und was sie eingeübt hatte, um all den unterschiedlichen Signalen und Bewegungen einen Sinn abzugewinnen. Das Erste, was offensichtlich war, war der Schmerz. Sie keuchte beinahe laut auf, als sie diesen Schmerz auffing, und war stolz, dass sie nicht die Konzentration verlor. Schmerzen waren leicht zu lindern. Es war eine der ersten Lektionen, die man Heilern beibrachte. Sobald sie das in Angriff genommen hatte, suchte sie nach weiteren Informationen. Ihr Geist wurde zu dem zerstörten Teil gezogen, wo lebenswichtige Flüssigkeiten verlorengingen, während andere, die gefährlich giftig waren, in gesunde Bereiche sickerten.

Seine Eingeweide sind von der Klinge verletzt worden, die ihn getroffen hat. Er wäre bereits tot, wenn das Loch deutlich größer gewesen wäre. Offensichtlich ist es das, was ich zuerst reparieren muss …

Sie zog Magie in sich hinein und ließ sie in die Wunde fließen, deren Ränder sich zusammenfügten und schneller heilten, als sie es ohne Eingreifen jemals hätten tun können.

Jetzt muss ich verhindern, dass mehr Blut hinausfließt. Aber bevor ich das tue, muss ich mich um dieses Gift aus den Eingeweiden kümmern und um das Blut, das er innerlich verliert. Ich muss das eine benutzen, um das andere auszuspülen. Sie hoffte, dass Cery und Anyi nicht in Panik gerieten, während sie Magie benutzte, um die Flüssigkeiten aus der Wunde zu vertreiben. Da war ein wenig mehr Widerstand, als sie erwartet hatte. Dann erinnerte sie sich daran, dass Cery noch immer auf die Wunde drückte. Sie konzentrierte sich wieder hinreichend auf ihren eigenen Körper, um die Kontrolle über ihre Stimmbänder zu gewinnen.

»Du kannst jetzt aufhören«, zwang sie sich zu sagen.

Sie bemerkte, dass das Blut wieder zu fließen begann, und musste sich mit aller Macht konzentrieren, um das durchtrennte Fleisch und die Haut zu heilen. Eingedenk der Warnungen ihrer Lehrer vergewisserte sie sich, dass es keine weiteren inneren Verletzungen gab, die bluteten. Einige Blutgefäße mussten repariert werden. Das war einfach.

Nach einer letzten Überprüfung zog sie ihre Sinne wieder in sich hinein, holte tief Luft und öffnete die Augen. Gols Gesicht war nicht länger starr vor Schmerz. Er schaute zu ihr auf und lächelte.

»Besser?«, fragte sie.