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Am 23. Mai, genau ein Jahr nachdem Brian begonnen hatte, Denise ein überhöhtes Gehalt zu zahlen, eröffnete der Generator. Die Eröffnung war um eine letzte Woche verschoben worden, damit Brian und Jerry Schwartz zu den Filmfestspielen nach Cannes fliegen konnten. Solange er fort war, zahlte Denise ihm seine Großzügigkeit und sein Vertrauen jede Nacht zurück, indem sie in die Panama Street fuhr und mit seiner Frau schlief. Möglich, dass ihr Gehirn sich anfühlte wie das Gehirn eines zweifelhaften Kalbskopfs von einem Billigschlachter in der Ninth Street, aber nie war sie so müde, wie sie anfänglich geglaubt hatte, es zu sein. Ein Kuss, eine Hand auf ihrem Knie genügten, und ihr Körper war hellwach. Sie fühlte sich von dem Gespenst jeder einzelnen geschlechtlichen Begegnung, um die sie in ihrer Ehe eine Bogen gemacht hatte, verfolgt, belebt, auf Touren gebracht. Den Kopf in Robins Rücken, schloss sie die Augen und bettete ihre Wange zwischen die Schulterblätter, während ihre Hände Robins Brüste hielten, die rund und flach und sonderbar leicht waren; sie kam sich wie ein Kätzchen vor, das mit zwei Puderquasten spielte. Sie döste ein paar Stunden, dann schälte sie sich aus den Laken, sperrte die Tür auf, die Robin, um vor Überraschungsbesuchen von Erin oder Sinead gefeit zu sein, abgeschlossen hatte, tappte todmüde die Treppe hinunter und, heftig zitternd, nach draußen, in die feuchte Morgendämmerung von Philadelphia.

Brian hatte auffallende, hintergründige Anzeigen für den Generator in lokalen Wochen- und Monatszeitschriften geschaltet und auf die Mund-zu-Mund-Propaganda in seinen Kreisen gesetzt, doch 26 Gedecke am Mittag des ersten Tages und 45 am Abend stellten Denise' Küche noch nicht ernsthaft auf die Probe. Der verglaste Raum, im blauen Tscherenkow-Schein hoch oben in der Luft schwebend, bot Platz für 140 Gäste; auf Abende mit bis zu 300 Gedecken war sie vorbereitet. Brian, Robin und die Mädchen kamen an einem Samstag zum Abendessen ins Restaurant und schauten kurz in der Küche vorbei. Denise gab eine gute Vorstellung als Freundin der Mädchen, und Robin, die, mit rot geschminkten Lippen und in einem kleinen Schwarzen, großartig aussah, gab eine gute Vorstellung als Brians Ehefrau.

So gut sie konnte, arrangierte sich Denise mit den Autoritäten in ihrem Kopf. Sie rief sich in Erinnerung, dass Brian in Paris vor ihr auf die Knie gefallen war; dass sie nichts Schlimmeres tat, als sich an seine Spielregeln zu halten; dass sie Robin den ersten Schritt hatte machen lassen. Doch ihre moralische Haarspalterei erklärte nicht das völlige, geisterhafte Ausbleiben von Gewissensbissen. Wenn sie sich mit Brian unterhielt, war sie abwesend und begriffsstutzig. Als spreche er Französisch, erfasste sie die Bedeutung seiner Worte immer erst im letzten Augenblick. Natürlich hatte sie allen Grund, abgespannt zu sein sie schlief jede Nacht nur vier Stunden, und die Küche lief schon bald auf Hochtouren — , außerdem war Brian, von seinen Filmprojekten abgelenkt, genauso leicht zu betrügen, wie sie es vorhergesehen hatte. Aber «betrügen» war gar nicht das richtige Wort. «Abspalten» kam der Sache viel näher. Ihre Affäre war wie ein Traumleben, das sich in jenen abgeschlossenen und schallgedämpften Gemächern ihres Gehirns entfaltete, in denen sie, als Heranwachsende in St. Jude, ihre Sehnsüchte zu verstecken gelernt hatte.

Ende Juni fielen die Kritiker im Generator ein und zogen zufrieden von dannen. Der Inquirer bemühte das Bild der Ehe: Die «Vermählung» eines «ganz und gar einzigartigen» Rahmens mit «wahrhaftigem und wahrhaft köstlichem Essen» von der «Perfektionistin» Denise Lambert mache den Besuch zu einem «Muss», das Philadelphia «im Alleingang» auf die «Landkarte des Trends» befördert habe. Brian war euphorisch, Denise war es nicht. Sie fand, so beschrieben höre sich der Generator nach einem bescheuertem, mittelmäßigen Lokal an. Sie zählte vier Absätze zur Architektur und Einrichtung, drei Absätze zu nichts, zwei zum Service, einen zum Wein, zwei zu den Desserts und nur sieben zu ihrem Essen.

«Sie haben mein Sauerkraut nicht erwähnt», sagte sie, vor Wut den Tränen nahe.

Das Telefon für Tischreservierungen läutete Tag und Nacht. Sie musste arbeiten, arbeiten. Robin aber rief sie mitten am Vormittag oder mitten am Nachmittag auf ihrer Restaurantchef-Leitung an, die Stimme vor Schüchternheit gequetscht, der Rhythmus ihrer Sätze synkopisch vor lauter Verlegenheit: «Also ich dachte — meinst du — könnte ich dich für eine Minute sehen?» Und anstatt nein zu sagen, sagte Denise immer wieder ja. Delegierte oder verschob immer wieder heikle Lagerbestandsaufnahmen, prekäres Vorkochen und Anbraten sowie notwendige Lieferantentelefonate, um sich davonzustehlen und im nächstgelegenen schmalen Stück Park am Schuylkill Robin zu treffen. Manchmal saßen sie bloß auf einer Bank, hielten verstohlen Händchen und sprachen, obwohl arbeitsferne Gespräche während der Arbeitszeit Denise extrem nervös machten, über Robins Schuldgefühle und ihren eigenen unerklärlichen Mangel daran und was es bedeutete, wenn man tat, was sie taten, ja wie es überhaupt dazu gekommen war. Doch bald hörte das Reden auf. Robins Stimme auf der Restaurantchef-Leitung bedeutete nur noch Zunge. Sie hatte kaum ein Wort gesagt, da war Denise' schon nicht mehr bei der Sache. Robins Zunge und Lippen fuhren fort, die von den Zwängen des Tages diktierten Instruktionen zu formen, doch in Denise' Ohr sprachen sie bereits jene andere Sprache des Auf und Nieder und Rundherum, die ihr Körper intuitiv verstand und wie von selbst befolgte; mitunter schmolz sie beim Klang dieser Stimme so sehr dahin, dass ihr Unterleib nachgab und sie sich krümmen musste; dann gab es für die nächste gute Stunde nichts auf der Welt außer Zunge, keine Vorratslisten, keine gebutterten Fasane, keine unbezahlten Lieferanten; wie hypnotisiert verließ sie den Generator, ihr Kopf schwirrte, ihre Reflexe waren fast ausgeschaltet, und der Geräuschpegel der Welt sank gegen null — zum Glück beachteten andere Autofahrer die grundlegenden Verkehrsregeln. Ihr Wagen glich einer Zunge, die über den Schmelz der Asphaltstraßen glitt, ihre Füße einem Zungenpaar, das das Pflaster leckte, die Eingangstür des Hauses in der Panama Street einem Mund, der sie verschlang, der Persianer im Flur vor dem Schlafzimmer einer lockenden Zunge, das Bett mit seinem Mantel aus Steppdecke und Kissen einer großen weichen Zunge, die hinuntergedrückt werden wollte, und dann.

Das alles war Neuland, keine Frage. So sehr wie dies hatte Denise noch nie in ihrem Leben etwas gewollt, schon gar nicht Sex. Einen Orgasmus zu haben war für sie, in ihrer Ehe mit Emile, irgendwann zu einer Art mühseliger, gelegentlich unvermeidbarer Hausarbeit geworden. Sie hatte jeden Tag vierzehn Stunden lang in der Küche gestanden und war abends immer wieder in ihren Straßenkleidern eingeschlafen. Das Letzte, wonach es sie spät in der Nacht verlangte, war, sich einem komplizierten und zunehmend zeitaufwendigen Rezept für ein Gericht zu widmen, das sie vor lauter Müdigkeit ohnehin nicht mehr hätte genießen können. Vorbereitungszeit mindestens fünfzehn Minuten. Und selbst danach, beim eigentlichen Kochen, ging selten alles glatt. Die Hitze war entweder zu groß oder zu klein, die Zwiebeln ließen sich nicht karamellisieren oder wurden sofort schwarz und setzten an; man musste die Pfanne beiseite stellen, damit sie abkühlte, musste noch einmal von vorn anfangen, nach einer quälenden Diskussion mit dem inzwischen verärgerten und gepeinigten zweiten Küchenchef, und unweigerlich wurde das Fleisch hart und zäh, die Sauce verlor nach all dem Strecken und Einkochen die Substanz, und es war scheißspät, und die Augen brannten einem, und na ja, mit etwas Zeit und Mühe brachte man das Zeug meistens doch auf den Tisch, nur war es dann oft so, dass man es nicht einmal seinem Bedienungspersonal mehr hätte anbieten mögen; man schlang es hinunter («na gut», dachte man, «ich bin gekommen») und schlief, mit einem dumpfen Schmerz, ein. Und es war die Mühe nicht annähernd wert. Trotzdem hatte sie sich ihr jede Woche oder jede zweite Woche unterzogen, weil es Emile wichtig war, dass sie kam, und sie ein schlechtes Gewissen hatte. Ihn konnte sie so geschickt und unfehlbar (und, binnen Kurzem, auch so spielend) glücklich machen, wie sie Consommé kochte; und mit wie viel Stolz und Freude erfüllte es sie, ihr Können unter Beweis zu stellen! Emile hingegen schien zu glauben, dass ihre Ehe in Gefahr sei, wenn Denise nicht wenigstens ein bisschen schauderte und halbherzig seufzte, und obwohl der spätere Gang der Dinge ihm zu hundert Prozent Recht gab, war nichts daran zu ändern, dass sie, in den Jahren bevor Becky Hemerling ihr über den Weg lief, an der Orgasmus-Front hauptsächlich mit Schuldgefühlen, Stress und Widerwillen kämpfte.