Robin war prete-a-manger. Man brauchte kein Rezept, man brauchte keine Vorbereitungszeit, um einen Pfirsich zu essen. Hier war der Pfirsich, peng, und schon kam der Genuss. Denise hatte Ansätze solcher Leichtigkeit mit Hemerling erlebt, doch erst jetzt, im Alter von zweiunddreißig Jahren, wurde ihr klar, worum alle Welt einen solchen Zirkus machte. Und sobald es ihr klar geworden war, wurde es zum Problem. Im August fuhren die Mädchen ins Ferienlager, und Brian flog nach London, und die Chefin des beliebtesten neuen Restaurants in der Gegend stieg nur noch aus dem Bett, um sich sofort auf irgendeinem Teppich wieder zu finden, zog sich nur noch an, um sofort alles wieder auszuziehen, schaffte es mit Ach und Krach, bis zum Windfang zu flüchten, und dort, mit dem Rücken zur Haustür, kam sie; mit Gummiknien und Schlitzaugen schleppte sie sich in eine Küche zurück, die sie für höchstens fünfundvierzig Minuten zu verlassen versprochen hatte. Und das war nicht gut. Das Restaurant litt darunter. Es kam zum Stillstand im Glied, zu Verzögerungen an der Front. Zweimal musste sie Hauptgerichte von der Karte streichen, weil die Küche ohne sie mit der Vorbereitungszeit nicht ausgekommen war. Und trotzdem entfernte sie sich, auch während des zweiten Abendansturms, unerlaubt von der Truppe. Sie fuhr durch Crack Haven und die Junk Row hinunter und an der Blunt Alley vorbei zum Gartenprojekt, wo Robin eine Decke hatte. Der größte Teil des Gartens war jetzt gemulcht und mit Kalk gedüngt und bepflanzt. In abgefahrenen, mit Drahtgitterzylindern ausgekleideten Reifen waren Tomaten gewachsen. Und die Scheinwerfer und Tragflächenlichter landender Flugzeuge, die smogverstümmelten Sternbilder und der Radiumschein von der Uhr des Veterans-Stadions, das Wärmegewitter über Tinicum und der Mond, den das verdreckte Camden, als er aufging, mit Hepatitis angesteckt hatte, all diese kompromittierten städtischen Lichter spiegelten sich in den jugendlichen Auberginen, jungen Paprikaschoten und Gurken, den pubertierenden Wassermelonen. Denise, nackt inmitten der Stadt, rollte sich von der Decke auf die nachtkühle Erde, einen sandigen, frisch umgegrabenen Lehmboden. Sie legte eine Wange darauf, steckte ihre robinösen Finger hinein.
«He, halt, halt», quiekte Robin, «das ist unser neuer Salat.»
Dann war Brian wieder da, und sie begannen, dumme Risiken einzugehen. Robin erklärte Erin, Denise hätte sich nicht wohl gefühlt und sich im Schlafzimmer aufs Bett legen müssen. Es gab eine fieberhafte Episode in der Callahanschen Speisekammer, während Brian keine zwanzig Schritt davon entfernt laut E. B. White las. Schließlich, eine Woche vor dem Labor Day, kam ein Morgen im Büro des Gartenprojekts, an dem das Gewicht zweier Körper auf Robins antikem hölzernem Schreibtischstuhl dessen Lehne brechen ließ. Sie lachten, da hörten sie plötzlich Brians Stimme.
Robin sprang auf und drückte die Klinke herunter, gleichzeitig den Schlüssel im Schloss herumdrehend, um zu vertuschen, dass die Tür abgesperrt gewesen war. Brian hielt einen Korb gesprenkelter grüner Erektionen im Arm. Er war überrascht — aber wie immer erfreut — , Denise zu sehen. «Was ist denn hier los?»
Denise kniete, das Hemd über der Hose, neben Robins Schreibtisch. «Der Stuhl ist zusammengebrochen», sagte sie. «Ich schleck mir die Belehrung gerade an.»
«Ich hab Denise gefragt, ob sie ihn nicht reparieren könnte!», quiekte Robin.
«Was machst du hier eigentlich?», fragte Brian Denise sehr neugierig.
«Ich hatte die gleiche Idee wie du», sagte sie. «Zucchini.»
«Sara hat gesagt, es wäre niemand da.»
Robin sah ihre Chance, sich zu verdrücken. «Ich gehe mal zu ihr. Sie sollte eigentlich wissen, ob ich da bin oder nicht.»
«Wie hat Robin den denn kaputtgekriegt?», fragte Brian Denise.
«Weiß nicht», sagte sie. Am liebsten hätte sie wie ein böses Kind, das auf frischer Tat ertappt wurde, auf der Stelle losgeheult.
Brian hob den oberen Teil des Stuhls vom Boden auf. Er hatte Denise bisher noch nie an ihren Vater erinnert, doch jetzt war sie tief bewegt zu sehen, wie sehr er in seinem umsichtigen Erbarmen mit dem kaputten Objekt Alfred ähnelte. «Das ist gute Eiche», sagte er. «Komisch, dass der einfach so zerbricht.»
Sie stand auf und wanderte in den Vorraum, im Gehen Hemd in Hose steckend. Wanderte immer weiter, bis sie draußen war, und stieg in ihr Auto. Fuhr die Bambridge Street hinauf zum Fluss. Hielt an einer feuerverzinkten Leitplanke und würgte den Motor ab, indem sie den Fuß von der Kupplung nahm, sodass der Wagen gegen die Leitplanke ruckte, zurückprallte und zum Stillstand kam, und erst jetzt, endlich, brach sie in Tränen aus und beweinte den kaputten Stuhl.
Als sie zum Generator zurückkehrte, sah sie klarer. Sie sah, dass sie an allen Fronten in der Klemme saß. Auf ihrem Anrufbeantworter waren Nachrichten von einem Journalisten der Times, einem Redakteur des Gourmet und einem frisch gebackenen Restaurantbesitzer eingegangen, der hoffte, Brian die Chefköchin ausspannen zu können. Im Vorratsraum waren ungebratene Entenbrüste und Kalbsschnitzel im Wert von eintausend Dollar verdorben. Jeder in der Küche wusste — aber keiner hatte es ihr erzählt — , dass in der Mitarbeitertoilette eine Nadel gefunden worden war. Der Konditormeister behauptete, er habe Denise zwei Zettel, vermutlich zum Thema Gehalt, auf den Schreibtisch gelegt, an die Denise sich nicht erinnerte.
«Warum bestellt hier keiner Rippchen?», fragte Denise Rob Zito. «Warum machen die Kellner keine Reklame für meine phänomenal köstlichen und einzigartigen Rippchen?»
«Amerikaner mögen kein Sauerkraut», sagte Zito.
«Quatsch. Wann immer es jemand bestellt hat, habe ich in den Tellern, die zurückgekommen sind, mein Spiegelbild gesehen. Ich konnte meine Wimpern zählen.»
«Möglich, dass unter den Gästen ab und zu ein paar Deutsche sind», sagte Zito. «Vielleicht sind hauptsächlich Leute mit deutschem Pass für die sauberen Teller verantwortlich.»
«Könnte es sein, dass du selbst kein Sauerkraut magst?»
«Ist ein interessantes Gericht», sagte Zito.
Sie hörte nichts von Robin, und sie rief sie auch nicht an. Sie gab der Times ein Interview und ließ sich fotografieren, sie hätschelte das Ego des Konditormeisters, sie blieb bis spät in der Nacht im Restaurant und schaffte heimlich das verdorbene Fleisch fort, sie feuerte den Tellerwäscher, der sich im Klo einen Schuss gesetzt hatte, und bei jedem Essen, egal, ob mittags oder abends, saß sie ihren Angestellten im Nacken und fahndete, sobald etwas schief lief, nach dem Grund.
Am Labor Day: Totenstille. Sie zwang sich, ihr Büro zu verlassen, lief durch die leere, heiße Stadt und lenkte ihre Schritte, vor lauter Einsamkeit, zur Panama Street. Kaum sah sie das Haus, hatte sie einen feuchten Pawlow'schen Reflex. Die Sandsteinfassade war immer noch ein Gesicht, die Haustür immer noch eine Zunge. Robins Wagen stand am Straßenrand, Brians nicht; sie waren nach Cape May gefahren. Denise klingelte, obwohl sie schon an der Staubigkeit rund um die Tür erkennen konnte, dass niemand da war. Mit dem Sicherheitsschlüssel, auf den sie «R/B» geschrieben hatte, verschaffte sie sich Einlass. Sie stieg die zwei Stockwerke zum Elternschlafzimmer hinauf. Die für teures Geld nachgerüstete Klimaanlage des Hauses tat ihren Dienst, ließ die kühle, konserviert riechende Luft mit den Labor-Day-Sonnenstrahlen wetteifern. Als sie sich auf das ungemachte Ehebett legte, fühlte sie sich an den Geruch und die Ruhe der Sommernachmittage in St. Jude erinnert, wenn sie allein im Haus war und, ein paar Stunden lang, so absonderlich sein konnte, wie sie wollte. Sie befriedigte sich selbst. Lag auf den wirren Laken, wo ihr ein Streifen Sonnenlicht auf die Brust fiel. Sie gönnte sich noch eine Portion von sich und streckte genüsslich die Arme aus. Unter einem der elterlichen Kissen kratzte sie sich die Hand an der Kante von etwas Kondomhüllenähnlichem auf.