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«Wir könnten doch einen Hocker für die Dusche besorgen», sagte sie, während sie Alfred die Haare einseifte. «Und einen stabilen Griff anbringen, damit du dich festhalten kannst, so, wie Dr. Hedgpeth es uns geraten hat. Das könnte Gary morgen erledigen.»

Alfreds Stimme vibrierte in seinem Schädel und bis in ihre Finger hinein: «Gary und Jonah gut angekommen?»

«Nein, nur Gary», sagte Enid. «Jonah hat ganz, ganz hohes Fieber und übergibt sich unentwegt. Der arme Junge, er ist viel zu krank, um im Flugzeug zu sitzen.»

Alfred zuckte vor Mitleid zusammen.

«Beug dich vor, damit ich das Shampoo ausspülen kann.»

Falls Alfred sich vorzubeugen versuchte, deutete lediglich ein Zittern in seinen Beinen darauf hin; seine Haltung änderte sich nicht.

«Du musst dich viel häufiger dehnen und strecken», sagte Enid. «Hast du dir das Blatt von Dr. Hedgpeth überhaupt je angesehen?»

Alfred schüttelte den Kopf. «Hat nichts genützt.» «Vielleicht kann Denise dir zeigen, wie man die Übungen macht. Das wäre doch schön.»

Sie griff nach dem Wasserglas, das hinter ihr am Waschbeckenrand stand. Ein ums andere Mal hielt sie es unter den Badewannenhahn, um ihrem Mann heißes Wasser über den Kopf laufen zu lassen. Mit seinen fest zusammengekniffenen Augen hätte man ihn für ein Kind halten können.

«Jetzt sieh mal zu, wie du da rauskommst», sagte sie. «Ich helfe dir nicht.»

«Ich habe meine eigene Methode», sagte er. Unten im Wohnzimmer kniete Gary auf dem Boden, um den Weihnachtsbaum gerade hinzustellen.

«Wer war das eben, an der Tür?», fragte Enid. «Bea Meisner», sagte er, ohne aufzublicken. «Auf dem Kaminsims liegt ein Geschenk von ihr.»

«Bea Meisner?» Eine späte Flamme der Scham flackerte in Enid auf. «Ich dachte, die Meisners wären über Weihnachten in Österreich.»

«Nein, sie sind noch einen Tag hier und fliegen dann nach La Jolla.»

«Da leben Katie und Stew. Hat sie dir irgendwas für mich gegeben?»

«Auf dem Sims», sagte Gary.

Das Geschenk von Bea war eine weihnachtlich verpackte Flasche, bestimmt etwas Österreichisches. «Sonst nichts?», fragte Enid.

Gary klatschte sich Tannennadeln von den Händen und warf ihr einen scheelen Blick zu. «Hattest du noch was anderes erwartet?»

«Nein, nein», antwortete sie. «Ich hatte sie gebeten, mir eine dumme kleine Sache aus Wien mitzubringen, aber das hat sie sicher vergessen.»

Garys Augen verengten sich. «Was denn für eine dumme kleine Sache?»

«Ach, nichts, weißt du, nichts.» Enid betastete die Flasche, um zu sehen, ob etwas daran befestigt war. Sie hatte ihre Schwärmerei für Aslan heil überstanden, sie hatte getan, was nötig war, um den Löwen zu vergessen, und sie war alles andere als sicher, ob sie ihn wiedersehen wollte. Aber der Löwe besaß immer noch Macht über sie. Eine alte Empfindung regte sich in ihr, eine lustvolle Vorfreude auf die Rückkehr eines Geliebten. Plötzlich vermisste sie, wie sehr sie früher Alfred vermisst hatte.

«Warum hast du sie nicht hereingebeten?», schimpfte sie.

«Chuck hat draußen im Jaguar gewartet», sagte Gary. «Wahrscheinlich machen sie ihre Runde.»

«Na ja.» Enid wickelte die Flasche aus — es war halbtrockener österreichischer Sekt — , um sicherzugehen, dass da nicht doch irgendwo ein kleines Päckchen versteckt war.

«Sieht nach was ziemlich Süßem aus», sagte Gary.

Sie bat ihn, ein Feuer anzuzünden. Dann stand sie da und staunte, wie ihr tüchtiger grauhaariger Sohn festen Schrittes zum Holzstapel ging, mit einer Ladung Scheite im Arm zurückkehrte, sie geschickt im Kamin aufeinander schichtete und gleich beim ersten Versuch ein Streichholz zum Brennen bekam. Der ganze Vorgang dauerte fünf Minuten. Gary tat nichts anderes, als zu funktionieren, wie ein Mann funktionieren sollte, und doch, im Vergleich zu dem Mann, mit dem Enid zusammenlebte, schienen seine Fähigkeiten göttlich. Noch die geringste seiner Bewegungen war prachtvoll anzusehen.

Ihre Erleichterung darüber, ihn im Haus zu haben, wurde gleich wieder gedämpft, als ihr einfiel, wie kurz er bleiben würde.

Alfred, in einem sportlichen Blazer, ließ sich kurz im Wohnzimmer blicken und plauderte, bevor er im Arbeitszimmer verschwand, um sich eine stark dezibelhaltige Dosis Lokalnachrichten zu verpassen, eine Minute mit Gary. Sein Alter und sein krummer Rücken hatten ihn, bis vor Kurzem noch genauso groß wie sein Sohn, um fünf bis sechs Zentimeter schrumpfen lassen.

Während Gary, mit ausgezeichneter Körperbeherrschung, die Lichterketten in den Baum hängte, saß Enid am Kamin und packte die Spirituosenkartons aus, in denen sie den Weihnachtsbaumschmuck aufbewahrte. Wohin sie auch gereist war, stets hatte sie den Löwenanteil ihres Taschengelds für Baumschmuck ausgegeben. Während Gary die einzelnen Stücke aufhängte, reiste sie in Gedanken zurück in ein Schweden, das von Stroh-Rentieren und kleinen roten Pferden bevölkert war, ein Norwegen, dessen Einwohner echt lappländische Rentierhaut-Stiefel trugen, ein Venedig, in dem alle Tiere aus Glas waren, ein Puppenhaus-Deutschland der Weihnachtsmänner und Weihnachtsengel aus glasiertem Holz, ein Österreich der Holzsoldaten und winzigen Alpenkirchen. In Belgien waren die Friedenstauben aus Schokolade gemacht und dekorativ in Folie eingeschlagen, in Frankreich hatten die gendarme-Püppchen und artiste-Püppchen makellose Kostüme an, und in der Schweiz klingelten die Bronzeglöckchen über ultrareligiösen Minikrippen. Ganz Andalusien zwitscherte vor grellbunten Vögeln; ganz Mexiko schepperte vor bemalten Blechfiguren. Auf den Hochebenen Chinas der lautlose Galopp einer Herde von Seidenpferden. In Japan das Zen-Schweigen lackierter Ornamente.

Gary hängte jedes Stück genau dorthin, wo Enid es haben wollte. Er wirkte verändert auf sie — ruhiger, souveräner, bedächtiger — , bis sie ihn bat, am nächsten Tag eine Kleinigkeit für sie zu erledigen.

«Einen Haltegriff in der Dusche anzubringen ist keine ‹Kleinigkeit›», sagte er. «Vor einem Jahr hätte das vielleicht Sinn gehabt, aber jetzt nicht mehr. Dad kann noch ein paar Tage die Badewanne benutzen, bis wir das mit dem Haus geklärt haben.»

«Wir fliegen erst in vier Wochen nach Philadelphia», sagte Enid. «Ich möchte, dass er sich ans Duschen gewöhnt. Ich möchte, dass du morgen einen Hocker kaufst und einen Griff anbringst, damit das erledigt ist.»

Gary seufzte. «Glaubst du im Ernst, dass ihr in diesem Haus bleiben könnt, Dad und du?»

«Wenn Korrektal ihm hilft — »

«Mutter, sie prüfen gerade, ob er an Demenz leidet. Glaubst du allen Ernstes — »

«An Demenz, die nicht von seinen Medikamenten kommt.»

«Hör zu, ich will ja deine Seifenblase nicht zerstechen — »

«Denise hat alles arrangiert. Wir müssen es versuchen.»

«Schön, und was dann?», sagte Gary. «Dad wird wie durch ein Wunder geheilt, und ihr lebt hier glücklich bis ans Ende eurer Tage?»

Das Licht in den Fenstern war vollends erloschen. Enid verstand nicht, warum ihr lieber, zuverlässiger ältester Sohn, mit dem sie sich seit seiner Geburt so eng verbunden fühlte, ausgerechnet jetzt, wo sie sich in Not an ihn wandte, derart zornig wurde. Sie wickelte eine Styroporkugel aus, die er im Alter von neun oder zehn mit Stoff und Münzen beklebt hatte.

«Kennst du die noch?»

Gary nahm die Kugel in die Hand. «Die haben wir damals bei Mrs. Ostriker gemacht.»

«Du hast sie mir geschenkt.»

«Ja?»

«Du hast gesagt, du wirst morgen alles tun, worum ich dich bitte», sagte Enid. «Nun, das ist es, worum ich dich bitte.»

«Schon gut! Schon gut!» Gary warf die Hände in die Luft. «Ich kaufe den Hocker! Ich bringe den Griff an!»